Der Schock nach dem plötzlichen Tod von Uhrmachermeister Herbert Becher saß tief. Doch für seine Frau Evelyne stand nie zur Debatte, das alteingesessene Geschäft in der Ludwigstraße zu schließen. Mit etwas Hilfe geht es weiter.
Vor vier Wochen hat Evelyne Becher einen schweren Verlust erlitten: Ihr Mann Herbert, Uhrmachermeister und Inhaber des traditionsreichen Uhren- und Juweliergeschäftes in der Ludwigstraße, starb überraschend am 22. Juli. Ans Aufgeben dachte die 52-Jährige jedoch nie.
Evelyne Becher steht an einem von zwei Verkaufstresen in ihrem Geschäft, zeigt einer Kundin drei verschiedene Ketten. Das Gespräch verläuft locker; trotzdem berät Becher geradlinig und fachkundig.
In solchen Situationen ist der 52-Jährigen der Schock über den Tod ihre Mannes nicht anzumerken. Er hat eine Lücke gerissen - privat und geschäftlich. Während sich Evelyne Becher seit der Übernahme des Geschäftes 1995 stets um Organisation und Verkauf gekümmert hat, war die Kernkompetenz von Uhrmachermeister Herbert Becher die Reparatur sämtlicher Uhren im Werkstattbereich. Dabei übernahm er auch Aufträge für andere Uhrmacher-Kollegen.
Eine Chance für den Fortbestand
Und eröffnete - ohne es zu wissen - für seine Frau eine Chance. Denn während sie weiter Verkauf und Organisation verantwortet, greifen ihr nun "zwei Uhrmacher-Kollegen aus Fulda" bei der Reparatur unter die Arme. "Sie unterstützen mich, wie mein Mann sie unterstützt hat, um diesen Service weiter anzubieten", sagt die Geschäftsfrau.
Die Zusammenarbeit, die ursprünglich als Abfangen von Auftragsspitzen gedacht war, wird also zur dauerhaften Einrichtung werden. Ausgenommen davon bleibt der Batteriewechsel bei Uhren: Den erledigt die 52-Jährige weiter vor Ort.
Hatte Evelyne Becher nie überlegt, ihr Geschäft zu schließen? "Ich habe nie daran gedacht aufzuhören. Mein Mann und ich haben besprochen, wie es weiterläuft, wenn einem von uns etwas passiert." Wenn man nur zu zweit in einem Betrieb sei, müsse man sich Gedanken machen. "Mein Mann hat immer gesagt: 'Am dritten Tag musst du wieder aufmachen'. So habe ich es getan."
Mittelfristig einen Uhrmacher einzustellen, plant Evelyne Becher nicht. Zum einen lasse sich so einer extrem schwer finden. Zum anderen glaubt die Unternehmerin nicht, dass der Einzelhandel noch einmal so boomen wird wie in früheren Jahren. Ab und zu hilft Schwiegermutter Marianne Becher im Geschäft aus. Tochter Evamaria indes wird die seit 1888 bestehende Familientradition höchstwahrscheinlich nicht weiterführen: Sie studiert derzeit Jura.
Für die kommenden Jahre sieht Evelyne Becher für ihr Geschäft eine solide Grundlage - auch wenn die Ludwigstraße seit Jahren wirtschaftlich schwächelt. "Es gibt nicht mehr viele Einzelhändler hier. Aber anscheinend kommen viele Kunden noch gern." Nicht jeder wolle so anonym bedient werden, wie es in Großmärkten oder Online-Shops der Fall sei. Viele würden noch das "klassische Verkaufserlebnis" bevorzugen.