Diese Ziele sah Heyne an seiner Schule ernsthaft gefährdet. Von rund 300 Schülern würden 50 den Schulablauf stören. Henriette Dinkel, die für GbF die Schulsozialarbeit leitet und schon früher an der Brückenauer Mittelschule tätig war, behauptet gar: "Im Vergleich zu vor 15 Jahren haben sich die Probleme verschärft." Damals habe es eher Einzelfälle gegeben; heute gebe es kaum Schüler, die kein irgendwie geartetes Problem hätten.
Sozialarbeiterin Useini betreute im Laufe des Kalenderjahres 2021 "74 Einzelfälle". Geht man davon aus, dass 50 bis 60 davon problematisch sind und sie sich in der Regel eine Stunde pro Heranwachsenden und Schulwoche nimmt, lässt sich ausrechnen, wieviel sie in ihrer 39-Stunden-Präsenz geschafft hat. Zumal die Gespräche einer Vor-und Nachbereitung bedürfen. Dazu kommen diverse Team-Besprechungen.
Michael Heyne will nach eigenen Angaben nicht die Augen vor einer heiklen Situation verschließen oder sich gar darin einrichten. Er möchte an den Stellschrauben drehen, um etwas zu ändern. Deswegen seine drastischen Worte im Jugendhilfeausschuss im Juni. Und der Hinweis, dass eine Jugendsozialarbeiterin an seiner Einrichtung nicht genug ist. Schließlich konnte Useini nur die akuten schwierigen Fällen arbeiten.
Heyne wurde erhört. Seit Beginn dieses Schuljahres unterstützt und entlastet Carolin Reinhardt sie in der sogenannten Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS). Wie diese berät sie Schülerinnen und Schüler, Eltern, Vertrauenspersonen, Lehrerinnen und Lehrer. Zwar nur mit dem halben Zeitkontingent. Aber was praktisch ist: Die andere Hälfte ihrer Stelle füllt Reinhardt an der Bad Brückenauer Grundschule aus.
Viele Kinder, die von dort nach der 4. Klasse an die Mittelschule wechseln, kennt sie schon, kann ihnen die Eingewöhnung und das Selbstständigwerden erleichtern. Und so kümmert sich Reinhardt seit September schwerpunktmäßig um die 5. und 6. Jahrgangsstufen.
Zeitigt der höhere Betreuungsaufwand schon Ergebnisse? "Direkt messen kann man das nicht", sagt Aleksandra Useini. Es brauche Zeit, da etwas zu sehen. Zumindest scheint es den Schulbetreuerinnen, darunter Schulpsychologin Courtney Barrett, und Beratungslehrern zu gelingen, in die Köpfe der Mittelschüler zu kommen, Vertrauen aufzubauen. "Eine Schülerin aus dem Kinderdorf hat aufgehört, harte Drogen zu nehmen", berichtet Useini. Denn sie habe erfahren, dass sich jemand für sie und ihre Sorgen interessiere. Was in ihrem sonstigen Umfeld nicht der Fall gewesen sei.
Schulleiter Heyne blickt positiv in die Zukunft seiner Mittelschule. Habe man bei seinem Amtsantritt im Februar 2020 meist nur auf die Problemfälle und Störungen reagieren können, arbeite man jetzt daran, Auswüchse erst gar nicht entstehen zu lassen. "Wenn man eine Schule mit einem Baum vergleicht", wird er sinnbildhaft, "dann braucht der starke Wurzeln und einen stabilen Stamm".
Wurzeln und Stamm - das seien das Lehrerkollegium und das Netzwerk von Beratungs-Fachkräften. Mit all diesen Menschen sieht Heyne seine Schule gut gerüstet für die Herausforderungen, die da kommen mögen.