Züntersbach ist speziell. Nicht nur, weil es als hessisches Dorf an der Landesgrenze die Vorwahl "09741" von Bad Brückenau in Bayern besitzt. Auch die Hausnummern gab es über Jahrzehnte doppelt, dafür keine Straßennamen. Hans Müller hat das Phänomen erforscht.
Die Hausnummer 1 in Züntersbach: Sie gehörte im Jahr 1847 einem gewissen Andreas Frischkorn, der auch Bürgermeister des kleinen Ortes war. Die Hausnummer 1 in Züntersbach war aber in etwa zur selben Zeit (1850) auch einem Johann Adam Hergenroeder zugeordnet, trug die Zusatzbezeichnung "Alandsgütchen". Es handelte sich aber nicht um dieselben Anwesen.
Hans Müller, von 1970 bis 1976 letzter Züntersbacher Bürgermeister, hat diese mysteriöse Doppelung, die sich einst durch seinen Heimatort zog, stets fasziniert. Zumal der 84-Jährige die Auswirkungen dieses Phänomens selbst noch erlebt hat. Also forschte er nach.
jahrhundertealte Zweiteilung
Die seltsame Doppelung der Züntersbacher Hausnummern wurzelt in einer aus dem Spätmittelalter stammenden Zweiteilung. 1306 verkaufte Lehnsherr Ulrich von Steckelberg die Hälfte des Dorfes seinem Bruder, dem Probst des Klosters bei Fulda. Die andere Hälfte "behielt" er. "Die Grenze verlief in etwa von den heutigen Straßen 'Eckartser Straße' und 'Am Kies' über die 'Bergwinkelstraße' zur 'Badstraße' und 'Brüder-Grimm-Straße' bis zur 'Kasseler Straße'", schreibt Hans Müller.
Nach der Säkularisation - also der Enteignung und Verstaatlichung kirchlicher Besitztümer während der Napoleonischen Zeit - und dem Wiener Kongress, in dem Europa territorial neu geordnet wurde, wurde die zum Hochstift Fulda gehörende Hälfte Züntersbachs 1816 bayerisch; der andere Teil kam zu Kurhessen.
Hausnummern wegen Brandversicherung
Die nummerntechnische Zweiteilung des Ortes bestand da schon, wenn auch in den beiden Teilen des Ortes unterschiedlich lange. Bereits 1767 wurde die Hessische Brandversicherungsanstalt Kassel gegründet. Für die Brandversicherungen bedurfte es einer exakten Erfassung und Kennzeichnung bestehender Gebäude; das geschah mittels Hausnummern. So wurden schon Mitte des 18. Jahrhunderts in der hessischen Hälfte von Züntersbach die Nummern 1 bis 50 vergeben.
In der anderen Hälfte des Dorfes dauerte es etwas länger. Erst 1811 gründete sich die "Bayerische Versicherungsanstalt ". Die Anwesen im fuldischen beziehungsweise bayerischen Teil Züntersbachs erhielten die Nummern 1 bis 39. Die Doppelung der Hausnummern - zumindest bei den Ziffern 1 bis 39 - war perfekt. Zur besseren Unterscheidung erhielt noch jedes "bayerische" Haus eine Zusatzbezeichnung, wie "Lorenzstübchen" oder "Lastenhaus".
Dorf 1863 "wiedervereint"
Dieser Zustand hielt sich über mehrere Jahrzehnte - bis 1863 die Teilung des Dorfes endete. Hintergrund war die damalige Auflösung des "Kondominats", also einer gemeinschaftlich ausgeübten Herrschaft mehrerer Herren über ein bestimmtes Gebiet. Der zuvor bayerische Teil Züntersbachs kam zu Kurhessen. Die "bayerischen" Hausnummern 1 bis 39 fielen weg beziehungsweise wurden als 51 bis 89 an die bisherige "hessische" Nummerierung angehängt.