Seit Monaten leben mehrere syrische Familien in der Unterkunft. Hier werden sie von Lucia Schmitt betreut. Etliche Familien werden demnächst ausziehen.
Aya hat Post bekommen, von der Krankenkasse. Lesen kann die 25-Jährige das Schreiben nicht. Noch nicht, denn ihre Deutschkenntnisse reichen dafür nicht aus. Doch zum Glück kommt Lucia Schmitt einmal in der Woche in die Flüchtlingsunterkunft nach Stangenroth, die als dezentrale Unterbringung gilt. Die 32-Jährige ist Sozialpädagogin und seit Februar im Auftrag der Caritas für die Betreuung der hier untergebrachten Flüchtlingsfamilien zuständig.
"Ich komme total gerne hierher", sagt sie. Die Bewohner seien freundlich, ließen sich gut an die Hand nehmen.
Ein Blick auf das Schreiben genügt, und Lucia Schmitt weiß, was die Krankenkasse von Aya, ihren Mann und den drei Kindern wissen will. "Kein Problem", sagt sie zu der Syrerin, die daraufhin erleichtert ist. Dann geht sie in die Küche und holt ein Tablett mit Teetassen, den sie soeben frisch zubereitet hat.
Auch wenn sie in der Fremde lebt, ihre Gastfreundschaft lässt sich Aya nicht nehmen.
Es gibt keinen Helferkreis
Sie stammt aus Aleppo, wohnt schon einige Monate mit ihrer Familie in der Unterkunft in Stangenroth. Kontakt zur Außenwelt hat sie kaum. "Das liegt vermutlich daran, dass es hier keinen Helferkreis gibt, wie in anderen Gemeinden", erklärt Lucia Schmitt.
Doch die 25-jährige Syrerin hat das Beste daraus gemacht, und sogar einen Deutschkurs besuchen können. Deshalb geht ihr jüngster Sohn Wazeem, der noch nicht einmal ein Jahr alt ist, auch in die Kinderkrippe. Die beiden älteren Kinder, das Mädchen Ruha und der Junge Mahmud, hingegen besuchen die Grundschule in Premich, fühlen sich dort wohl. "Frau Schwab ist gut", schwärmt die Neunjährige von einer Lehrerin und schmiegt sich an ihre Mutter.
Die verbringt ihre Zeit meistens im Haus mit den anderen Frauen, kümmert sich um den Haushalt der Familie.
Ein Zimmer für die ganze Familie
Groß ist dieser Haushalt nicht, denn Aya bewohnt mit Mann und Kindern ein Zimmer in dem Haus, teilt sich Küche und Essplatz im Gemeinschaftsraum mit den anderen Bewohnern der Unterkunft.
Lebensmitteleinkäufe erledigt sie mit ihrem Ehemann und den anderen Erwachsenen, meistens im Discounter in Bad Kissingen oder in Schweinfurt, wo es einen Supermarkt mit türkischen Lebensmitteln gibt. Kleidung bekommt die Familie über die Caritas oder durch Spenden, manches wird auch eingekauft. Vor allem für Aya.
Als muslimische Frau kleidet sie sich wie die anderen in der Unterkunft traditionell, bedeckt ihr Haar mit dem typischen Tuch, dem Hidschab.
Besonders stolz ist sie jetzt auf ihr neues schwarzes Kleid, das Abaya genannt wird und das sie heute extra angezogen hat. Ihr Mann habe es für sie in Berlin gekauft, erzählt sie.
Syrien nicht gut, bumm bumm
Ob sich die Syrerin in Stangenroth wohlfühlt, bleibt unklar. Schließlich kann Aya nur ein paar Begriffe sagen, wie etwa.
"Deutschland gut, Syria nicht, dort bumm." Deshalb möchte sie auch nicht mehr zurück, sondern in Deutschland bleiben, auch wenn sie ein klein wenig Heimweh hat. Schließlich ist sie die einzige aus ihrer Familie, die mit Mann und Kindern aus Syrien geflohen ist. Obwohl ihr die Worte fehlen, merkt man ihr das Heimweh sofort an, als sie auf dem Handy Fotos von ihrer Familie, den Kindern und ihrem Leben in Syrien zeigt. Dann huscht eine gewisse Traurigkeit über ihr Gesicht.
Doch die ist schnell wieder weg, als die jüngsten Fotos an die Reihe kommen: Bilder ihrer Kinder in der Unterkunft mit glücklichen Gesichtern. Deshalb will Aya in Deutschland bleiben. "Schule auch gut", fügt sie hinzu.
Weiterzug nach Dortmund
Bleiben, das darf sie nun auch, ganz offiziell. Vor Kurzem hat die Familie, wie einige andere in der Unterkunft auch, die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erhalten.
Deshalb werden sie nicht mehr lange in Stangenroth wohnen, sondern weiterziehen, vermutlich nach Dortmund, wo Bekannte leben. Ayas Mann ist momentan dort, um eine Wohnung für die Familie zu suchen ... und Arbeit. Übers Handy schickt er regelmäßig Nachrichten. Die Freude darüber ist der syrischen Frau anzusehen.
Lucia Schmitt freut sich mit ihr, hilft bei den Vorbereitungen für das neue Leben der Familie.
"Schließlich müssen zahlreiche Anträge gestellt, Bankkonten eröffnet und Gesundheitsfragen geklärt werden", sagt sie. Den bevorstehenden Abschied betrachtet sie ganz professionell, auch wenn ihr Aya und die anderen Bewohner ein Stück weit ans Herz gewachsen sind. Nicht zuletzt, weil sie samt Mann und Kindern von den Flüchtlingen zum Essen eingeladen worden war.
"Es gab Fladenbrot, Reis, Spinat, selbstgemachte Pommes und Hähnchenfleisch", erzählt die Sozialpädagogin.
Die nun freiwerdenden Plätze werden wieder mit neuen Flüchtlingen belegt, die jetzt noch in der Bad Kissinger Gemeinschaftsunterkunft leben. Die bräuchten dann ja auch ihre Hilfe. "Und ein Helferkreis wäre schön", fügt sie hinzu. Wer Interesse habe, könne sich mit ihr in Verbindung setzen. Telefonisch ist Lucia Schmitt bei der Flüchtlingsberatung der Caritas unter 0971/ 724 692 00 erreichbar.