Sie ist eine der teuersten Autobahnen Deutschlands und gleichzeitig die, mit dem niedrigsten Verkehrsaufkommen: die A71. Die Schätzungen von damals wurden bis heute nicht erfüllt, das hat sich auch auf die Gewerbegebiete ausgewirkt.
Frank Bernhard, Wirtschaftsförderer des Landkreises Bad Kissingen, ist Realist. Die Autobahn war damals politisch gewollt, war Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit. Die Gewerbeansiedlung, sagt er, war nicht das erste Ziel gewesen. Sicher habe man gewisse Erwartungen gehabt, gerade an die Gewerbegebiete in Rannungen oder Maßbach, die so vielleicht nicht erfüllt wurden. Aber es gebe auch positive Beispiele. Dazu später.
Nicht nur bei den Gewerbeansiedlungen haben sich die Erwartungen, die mit dem Bau der Autobahn verbunden waren - um es vorsichtig auszudrücken - nicht so ganz erfüllt.
"Was die Verkehrsentwicklung angeht, war das doch sehr euphorisch geschätzt", sagt Holger Bothe, vom Staatlichen Bauamt Schweinfurt. Bis die Autobahn unter den Zuständigkeitsbereich der Autobahndirektion Nordbayern gestellt wurde, war Bothe im Bauamt für die Autobahn zuständig. "Wir haben die Autobahnzubringer in Mellrichstadt, Neustadt und Münnerstadt gebaut und den gesamten südlichen Teil von Bad Kissingen bist Werntal."
Heute ist allein die Straßenmeisterei in Schweinfurt noch für den betrieblichen Unterhalt der Autobahn zuständig: Winterdienst, kleinere Reparaturen. Die Instandhaltung erledigt die Autobahndirektion.
Was allerdings eingetreten ist wie prognostiziert, sagt Bothe, ist die Entlastung der B 19, die so mittlerweile nur noch als Staatstraße geführt wird. Ob das nun ein Erfolg ist bleibt dahingestellt. Die Gegner der Autobahn hatten damals dafür plädiert, die erhöhte Verkehrsbelastung durch die Wiedervereinigung auf die B 19 zu verteilen.
Verkehrsprognose nicht erreicht
Eine Überholspur statt einer vierspurigen Autobahn. Ob eine solche Maßnahme wirklich ausgereicht hätte ist sicher fraglich. Fakt ist jedoch, dass die prognostizierten Verkehrszahlen auch im zehnten Jahr nicht einmal annähernd erreicht werden.
40 000 Fahrzeuge pro Tag wurden für den Streckenabschnitt bei Bad Kissingen prognostiziert, tatsächlich sind es nur 23 000. Für Mellrichstadt wurden einst diese 23 000 geschätzt, jetzt sind es gerade mal 13 000. Am Autodreieck Werntal fahren derzeit 22 000 Fahrzeuge, statt der einst vorhergesehenen 32 000.
Die vielen Brücken, der Trinkwasserschutz - insgesamt 2,5 Milliarden Euro haben die 220 Kilometer gekostet. Mit ungefähr zehn Millionen Euro pro Kilometer ist die Strecke eine der teuersten Straßen Deutschlands.
Es gibt auch positive Beispiele
Von Geld kann auch Frank Bernhard erzählen, in seinem Fall von Fördergeldern. Die seien in Thüringen nämlich höher als im Freistaat, was sicherlich auch dazu beitrage, dass sich Unternehmen dort häufiger niederliesen als hier im Westen.
Dennoch, erste Ansätze sind erkennbar, sagt er. Es gebe Anfragen, er führe Gespräche, man bräuchte eben ein bisschen Geduld. Zehn Jahre sind nicht allzuviel Zeit. "Es ist ein Prozess", sagt er und: "Es wird sich mit Sicherheit was tun." Man müsse aber eben realistisch sein. Die zentrale Lage in Deutschland, ein Pluspunkt sicherlich, der trotzdem ländliche Raum werde nie mit den Ballungszentren wie München mithalten können.
Nicht unzufrieden
Einer dieser Ansätze von denen Bernhard spricht, liegt im Osten Oerlenbachs. Dort, im interkommunalen Gewerbegebiet "Gewerbepark A71 Oerlenbach/Poppenhausen", haben sich kürzlich eine Tankstelle sowie die Firma MTZ niedergelassen. "Ich bin nicht unzufrieden", sagt Werner Rauh, Geschäftsleiter der Gemeinde. Grund für die Ansiedlung des Metallverarbeitungsbetriebes MTZ sei die Nähe zur A 71 gewesen, sagt Rauh. Die Firma wollte die Wegstrecken für ihre zahlreichen Mitarbeiter aus Thüringen verkürzen.
Gewerbegebiete entwickeln sich, das hatte auch Bernhard gesagt. Oft brauche man nur ein Zugpferd, das weitere Unternehmen anzieht. Rauh jedenfalls hätte eine ganze Reihe weiterer Tankstellen ansiedeln können. Die Anfragen waren da, Oerlenbach wollte aber nicht nur Zapfsäulen. Erstmal bleibt es bei einer Tankstelle. Was sonst noch kommt? Er habe gerade eine Anfrage auf dem Tisch liegen, sagt Bernhard. Mehr aber auch nicht.
Worauf er dann ein bisschen stolz ist: dass sie damals beim Bau der Autobahn nicht locker gelassen haben, als die Ausfahrt ursprünglich nur Bad Kissingen heißen sollte. "Ich freue mich jedesmal wenn ich im Radio die Ausfahrt Bad Kissingen/Oerlenbach höre", sagt er. Einmal mehr der Name auf der Autobahn, das könne nicht schaden.
Dass die A71 der Gegend nichts bringen wird, wurde damals schon an jedem Stammtisch erzählt. Gewerbeansiedlungen sind damals tatsächlich häufig als Argument für die A 71 angführt worden und an den Stammtischen ist schallendes Gelächter ausgebrochen. Dass die Nutzungszahlen weit überhöht prognostiziert sind, auch das hat man an den Stammtischen gemutmaßt. Dass sie jetzt tatsächlich nur knapp über der Hälfte liegen, das übertrifft jedoch noch die pessimistischten Prognosen. Hier lag der Stammtisch ausnahmsweise knapp daneben.
Wohl wieder richtig liegt der Stammtisch mit seiner Prophezeiung, dass mit der A71 eine wichtige Verbindungsroute für das organisierte Verbrechen geschaffen wurde. Aber da gibt es scheinbar keine verlässliche Zahlen.
Die Waffen in einem Auto mit russischen Kennzeichen und Navi-Eingabe "Rewe Markt Maßbach" waren eh nur ein Zufallstreffer und Tropfen auf den heißen Stein.