Die Autobosse sind häufige Regierungsgäste in Berlin. Nun wird auch Friedrich Merz zum Autokanzler und gibt der Industrie Rückendeckung in schwieriger Lage. Wie kann die Politik helfen?
Die Bundesregierung will die kriselnde deutsche Autobranche stärker unterstützen - mit neuen Kaufanreizen für Elektroautos und flexibleren Übergängen zu emissionsfreien Antrieben. «Einen harten Schnitt 2035 darf es nicht geben», sagte Kanzler Friedrich Merz (CDU) nach einem «Autogipfel» mit Branchenvertretern in Berlin. Dann soll in der EU ein Verbot für Neuzulassungen von Verbrenner-Autos greifen, was aber noch auf den Prüfstand kommt. Von einer neuen E-Auto-Förderung sollen vor allem Geringverdiener profitieren.
Zu dem Treffen waren Spitzenvertreter von Autoherstellern und Zulieferern, Verbänden und Gewerkschaft sowie aus Bundesländern mit Autostandorten eingeladen. Merz betonte, es gebe «ein strategisches Interesse» daran, eine wettbewerbsfähige, technologisch führende Autoindustrie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu erhalten und Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Das sei zum Teil Aufgabe der Unternehmen, aber teils auch der Politik. Das klang bei früheren Autorunden im Kanzleramt ähnlich. Aber die Lage ist heikel.
Branche unter Druck
Die stark exportorientierte deutsche Autoindustrie mit 770.000 Beschäftigten und 540 Milliarden Euro Jahresumsatz steckt in einer schwierigen Phase. Die Branche hat mit einer Absatzflaute, wachsender Konkurrenz aus China und Problemen beim Wandel zur Elektromobilität zu kämpfen. Dazu kommen EU-Klimaschutzvorgaben für weniger CO2-Emissionen und Zölle für den US-Markt. Viele Firmen meldeten Gewinneinbrüche, fahren Sparkurse, streichen Stellen.
Längere Steuerbefreiung
Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) sprach von einer dramatischen Lage. Es müsse darum gehen, «dass das Auto aus Deutschland eine gute Zukunft hat». Dabei sei deutlich geworden, dass niemand den Weg Richtung Elektromobilität infrage stelle. Ein erstes Element lieferte der Finanzminister vorab: Die Befreiung reiner E-Autos von der Kfz-Steuer soll bis 2035 verlängert werden. Im Markt gab es zuletzt Unklarheit, ob eine Befreiung auch für Neuzulassungen ab 2026 greift.
Kaufanreize - aber nicht für alle
Ein zweites Element präsentierte die Regierung nach einer nächtlichen Sitzung des Koalitionsausschusses direkt am Morgen: Kommen soll ein Förderprogramm besonders für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen, um den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität und emissionsfreie Fahrzeuge zu unterstützen. Ziel seien spürbare Vorteile für Verbraucher, heißt es im Beschluss. Volumen: drei Milliarden Euro zusätzlich bis 2029. Die Modalitäten sind noch unbekannt. In Frankreich gibt es bereits ein Leasing-Programm mit sozialer Komponente.
Signale zum Verbrenner-Aus
Im Fokus steht auch der Umgang mit dem 2022 beschlossenen Ende für die Zulassung neuer Verbrenner-Fahrzeuge auf dem EU-Markt ab 2035, für das nun Überprüfungen anstehen. Die Koalition lag da zuletzt über Kreuz. Merz sagte nun, Elektroantriebe seien «die Hauptstraße, auf der gefahren wird.» Aber die Markteinführung brauche Zeit, und er ermutige die Branche, auch weitere Technologien für klimaneutrale Antriebe voranzutreiben. Und er wolle sich für mehr Flexibilität und Offenheit in der Regulierung starkmachen. Klingbeil sagte: «Wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand.» Pragmatismus sei nötig. «Wir haben heute nicht den Rückwärtsgang in die alte Verbrennerwelt eingelegt», kommentierte Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD). «Sondern wir haben einen flexibleren, sozialeren Übergang in die neue Welt beschrieben.»
Branche für mehr Spielraum
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, forderte: «Wir brauchen zeitnahe Entscheidungen und dann auch eine geeinte deutsche Stimme in Brüssel.» Nötig seien Möglichkeiten zur Flexibilisierung, etwa mit kleinen Verbrennungsmotoren für längere Reichweiten von E-Autos. IG-Metall-Chefin Christiane Benner forderte unter anderem mehr Unterstützung bei Ladesäulen, Strompreisen und Kaufanreizen. Die Beschäftigten bräuchten Perspektiven und «Zuversicht, dass wir an diesen Standort glauben.» VW-Konzernchef Oliver Blume sagte in einem Video-Interview der Deutschen Presse-Agentur: «Aus heutiger Perspektive ist das Ziel, wie es für 2035 gesetzt wurde, unrealistisch. Und deshalb brauchen wir dort mehr Flexibilität.»