Theater: Eine Blonde mit großen Brüsten kann auch intelligent sein

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Katja (Pina Kühr) und Pierre (Volker Ringe) schenken sich nichts. Fotos: Martin Kaufhold
Katja (Pina Kühr) und Pierre (Volker Ringe) schenken sich nichts. Fotos: Martin Kaufhold
 
 
 
 

Im Studio des E.T.A.-Hoffmann-Theaters kämpfen ein scheinbar dummes Blondchen und ein Journalist den alten Kampf der Geschlechter.

Man ist geneigt, Phänomene wie Gina-Lisa Lohfink oder Daniela Katzenberger, so man sie als halbwegs "Gebildeter" überhaupt kennt, als Futter für den Plebs abzutun und deren Protagonistinnen als doofe Mäuschen gleich dazu. Was aber, wenn diese scheinbar dummen Blondinen sich als intelligentes, berechnendes, raffiniertes, nun ja, Luder entpuppt?
Eben dies thematisiert ein Film des niederländischen Exzentrikers Theo van Gogh, der 1994 von einem muslimischen Extremisten umgebracht wurde. Van Gogh provozierte gern, insbesondere Religionen. Damit hat sein "Interview", aus dem Drehbuchautor Theodor Holman ein Theaterstück formte, gar nichts zu tun. Thema ist der gute alte Geschlechterkampf, hier reduziert auf das Psychoduell zwischen dem 28-jährigen Filmsternchen Katja Schuurman (Pina Kühr) und dem 49-jährigen Journalisten Pierre Peters (Volker Ringe).
Der soll das Sternchen interviewen. Für den politischen Journalisten und Kriegsberichterstatter ein Job weit unter seiner beruflichen Würde, zumal am selben Tag die Regierung zurücktreten wird. Er hat sich also kaum vorbereitet, was Katja gleich schnippisch kommentiert. Der Beginn einer Auseinandersetzung, in der sich der Mann in mittleren Jahren und die junge Frau nichts schenken.
Zunächst wird Katja mit lasziven Posen ihrer Rolle gerecht. Sie kennt die Macht ihres Äußeren und die Männer, die wie Pawlow'sche Hunde auf die "schönsten Titten der Welt" reagieren - vulgäre Sprache müssen Besucher des "Interviews" ertragen können. Sie kennt Macht und Reaktion und setzt sie kalt berechnend ein. Allerdings hat die klischeegerecht Kokain schnupfende Schauspielerin in schlechten Filmen auch ihre Leichen im Keller: Was ist etwa mit dem Verlobten, der enervierend immer wieder anruft?


Sägemehl und Silikon

Doch das ist gar nichts im Vergleich zum psychischen Wrack Pierre. Seine Verachtung für das mit "Luft, Sägemehl und Silikon" gefüllte Wesen kaschiert mühsam die im jugolawischen Bürgerkrieg erworbenen Traumata (in den Niederlanden war und ist das Versagen einheimischer Hilfstruppen in Bosnien ein großes Thema). Er hat Grässliches erlebt, ist durch den Journalismus keineswegs ein besserer Mensch geworden, eher ein "totaler Versager" (Katja). Was ist Soap-Opera-Trivialität schon angesichts gefolterter und ermordeter Menschen?
Das Drama hat Schwächen. Es entstammt zu offensichtlich einem Film-Plot, ist auch vorhersehbar bis zum pointierten Schluss. Ausstatterin Lena Kalt hat einen Guckkasten ins Studio gestellt, in den die Zuschauer von zwei Seiten einen (leicht verschleierten) Einblick haben. Drin sieht man ein Appartement wie 1000 andere, überindividuell, konturlos. Die Regisseurin Blanka Rádóczy, die noch an der Münchner Theaterakademie August Everding studiert, setzt ganz modisch eine Videokamera ein, lässt Interview-Sequenzen wiederholen oder schaltet kurze Musik-Intervalle zwischen das Wort-Duell, was sich auch nicht unmittelbar erschließt. Dagegen liegt es auf der Hand, dass ein Zwei-Personen-Stück von den zwei Schauspielern lebt. Für Pina Kühr eine Gelegenheit, alle Register zu ziehen, von abgeschmackten Erotik-Verrenkungen bis zu Weinen und Schreien. Das macht sie großartig! Naturgemäß muss Volker Ringe seinen düster-depressiven Pierre verhaltener geben. Ein gebrochener Mann, dem das Blondchen den finalen Schuss platziert. "Es ist nicht mein Job, nett zu sein", sagt sein Pierre Peters einmal. Es sind auch selten nette Menschen, die Ringe zu spielen hat. Die nicht sehr netten Menschen spielt er aber sehr gut.

Termine und Karten

Weitere Vorstellungen
26./27. 11., 30. 11., 1. 12., 4. 12., 7. 12., 9. 12., 16./17. 12.
Dauer
ca. eine Stunde, keine Pause
Karten
Tel. 0951/873030, E-Mail kasse@theater.bamberg.de