Er blitzt immer wieder auf - wenn die Feldmarschallin im 1.Akt wehmütig über die Vergänglichkeit der Jugend und der Liebe räsoniert, wenn Sophie, die etwas andere verkaufte Braut, im 2. Akt gegen den ungewollten Zukünftigen aufbegehrt, wenn der präpotente, sich mit vielen rohen Eiern dopende Ochs in der Wirtshausfarce des 3. Akts seine Prügel bezieht. Gerade in dieser Szene wird deutlich, was der Regisseur richtig gemacht hat: Stengele gibt dem Baron Ochs rechtzeitig seine Würde zurück, indem er aus der ohnehin daunenweichen Keilerei eine Kissenschlacht macht, an der sich auch der genasführte Ochs beteiligt.
Lauter schlampige VerhältnisseDie Ausstattung von Bernd Franke (Bühne) und Götz Lanzelot Fischer (Kostüme) schlägt ebenfalls Brücken. Das Einheitsbild mit der gemauerten Wand rechts und den auf Gittern angebrachten Stuckverzierungen zitiert zwar noch den seit der Uraufführung gepflegten Spätbarock, verweist aber mit dem gleichbleibenden, letztlich nur farblich differierenden Bett, dass fast alle hier stattfindenden Liebeshändel illegitim sind: Marie-Theres hintergeht mit Octavian ihren Mann, Octavian spielt dem Ochs als Mariandl eine Travestie vor, der nach echtem blauen Blut gierende Faninal verhökert seine Tochter in diesem Ambiente, und hier findet sich schließlich das junge Paar, dessen Zukunft womöglich darin bestehen dürfte, dass sie einander irgendwann auch betrügen. Die farbprächtigen, pointierten Kostüme erinnern nicht umsonst an die Sissy-Filme mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm.
Der große Aufwand wäre aber nicht viel wert, wenn die Besetzung nicht stimmte. Das Mainfrankentheater ist in der glücklichen Lage, fast alle Haupt- und viele Nebenrollen mit hauseigenen Kräften zu besetzen, die für ihre Partien wie gemacht erscheinen - allen voran der schon erwähnte, mit schwarzer Basstiefe und Spielwitz glänzende Claudius Muth sowie die drei tragenden Frauenfiguren.
Drei ideal besetzte FrauenrollenAnja Eichhorns Feldmarschallin ist sängerdarstellerisch überzeugend und voller Delikatesse: Wie wissend diese Frau ihren jungen Liebhaber genießt, wie souverän und ohne Selbstmitleid sie alle Klippen umschifft, muss man erlebt haben. Zumal Sonja Koppelhuber als Octavian schlichtweg eine Idealbesetzung ist. Sie wirkt nicht nur wie ein junger Mann, sie agiert auch so, dass das erotische Prickeln zwischen ihr und der doppelt so alten Fürstin, zwischen ihr und der auch stimmlich strahlend jungen Sophie von Silke Evers sich unmittelbar mitteilt. Und das Orchester unter Jonathan Seers trifft genau jenen kunstvollen Konversationston, von dem man trotz einer Spieldauer von gut dreieinhalb Stunden keinen einzigen missen möchte.
Termine und Karten 20. und 28. April, 15. Mai, 4. und 23. Juni sowie 2. Juli (jeweils um 18.30 Uhr); 25. April und 18. Juli (jeweils um 17 Uhr); 2. und 23. Mai (jeweils um 15 Uhr). Karten gibt es im Vorverkauf unter Telefon 0931/3908124.
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