Scholz unter Druck, driftet die EU weiter nach rechts? Vier Folgen der Europawahl
Autor: Agentur dpa
Berlin, Montag, 10. Juni 2024
Vor allem die rechten Parteien verbuchen nach der Europawahl Erfolge. Welche Konsequenzen hat das jetzt für den Kurs der EU, Scholz und die Ampel? Und sind AfD-Ministerpräsidenten in ostdeutschen Bundesländern möglich?
In Österreich und Frankreich sind die Rechtspopulisten nach der Europawahl stärkste Kraft geworden. Auch in Deutschland verbuchte die AfD Gewinne und landete im Osten sogar auf Platz eins. Die Ergebnisse nach Parteien findest du in unserem Überblick. Die Ampel-Koalition unter Führung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) fuhr eine Pleite ein - kein gutes Omen für die Landtagswahlen im Herbst in drei ostdeutschen Bundesländern.
Die Ergebnisse werfen viele Fragen auf. Wie soll es beispielsweise für Scholz weitergehen, der mit seiner SPD das bisher schlechteste Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl eingefahren hat?
AfD-Ministerpräsident nicht ausgeschlossen, wirft Scholz hin?
Könnte es nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg einen AfD-Ministerpräsidenten geben?
Wenn die AfD Ergebnisse holt wie jetzt bei der Europawahl, könnte sie knapp an dieses Ziel herankommen - und ganz ausgeschlossen ist es zumindest in Sachsen nicht. Würden die Landtagswahlergebnisse im Freistaat so ähnlich ausfallen wie jetzt bei der Europawahl, könnte es theoretisch passieren, dass nur AfD, CDU und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in den Landtag einziehen und alle anderen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Würden nun CDU und BSW auch noch weniger Sitze als die AfD erringen, was beim Blick auf das Europawahlergebnis ebenfalls nicht ausgeschlossen scheint, könnten sie die Wahl eines AfD-Ministerpräsidenten nicht verhindern.
Wie gefährlich ist das Wahlergebnis für Scholz und die Ampel?
Der französische Präsident Emmanuel Macron machte am Wahlabend kurzen Prozess. Nur eine Stunde nach Verkündung der krachenden Wahlniederlage seines Mitte-Blocks gegen die rechtsnationale Marine Le Pen kündigte er kurzerhand eine Neuwahl des Parlaments an, die schon in drei Wochen stattfinden soll. "Ich kann also am Ende dieses Tages nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre", sagte er.
Wäre das auch was für Bundeskanzler Olaf Scholz? Die Union fordert von ihm bereits, die Vertrauensfrage zu stellen. Und dafür gäbe es auch ein historisches Vorbild: 2005 machte der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder nach einer Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen genau das, um eine Neuwahl des Bundestags zu erwirken.
Scholz ist allerdings nicht der Typ, der einfach mal so hinwirft. Am Wahlabend schlenderte er demonstrativ gelassen über die Wahlparty im Berliner Willy-Brandt-Haus und machte in aller Ruhe Selfies mit den Genossen - als wenn nichts geschehen wäre. Die nächsten Wochen könnten aber ungemütlich für ihn werden. SPD-Chef Lars Klingbeil lässt bereits durchblicken, dass seine Partei nun eine härtere Gangart in der Koalition einschlagen wird.
Vielleicht dann ja auch mal auf Kosten des Kanzlers. "Unsere Leute wollen uns kämpfen sehen", sagte Klingbeil am Wahlabend. Aber auch die Wahlschlappen der Grünen und der FDP werden der Kompromissbereitschaft in der Koalition nicht zuträglich sein - und das mitten in schwierigen Haushaltsverhandlungen, die bis zum 3. Juli abgeschlossen werden sollen. Der Ampel dürften also turbulente Wochen bevorstehen.