CSU-Landräte klagen an: Seehofer brachte Regierung an Rand des Scheiterns
Schon als Ministerpräsident habe Seehofer schwere Fehler gemacht. Etwa als er 2014 die CSU als Europapartei positioniert habe, die aber gleichzeitig gegen Europa sei. In der Flüchtlingspolitik habe sich Seehofer zwei Jahre lang ein Duell mit der Bundeskanzlerin geliefert, ständig neue Drohkulissen aufgebaut - nur um sich dann kurz vor der Wahl wieder in bester Eintracht mit Angela Merkel zu zeigen. Viele Wähler hätten das bis heute weder verstanden noch verziehen.
Als Innenminister, klagen CSU-Landräte, habe Seehofer mehrfach die Regierung an den Rand des Scheiterns gebracht, in der Sache aber zu wenig erreicht. Der CSU habe das riesigen Schaden zugefügt. Einerseits hätten sich konservative Wähler der AfD zugewandt, weil sie Konsequenz in der Flüchtlingspolitik vermissten.
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Andererseits, so analysiert ein Landrat, habe aber eine "teils überharte flüchtlingskritische Rhetorik" kirchennahe Kreise in der CSU verschreckt. Seehofers Aussagen etwa zur Abschiebung von 69 Afghanen an seinem Geburtstag empfänden Mitglieder von Flüchtlingshelferkreisen in den Pfarrgemeinden als abstoßend. Viele würden nun wohl ihr Kreuz bei den Grünen machen.
Und in der Wirtschaft gebe es Unverständnis, wenn gut integrierte Migranten mit Ausbildungs- oder Arbeitsplatz abgeschoben würden. Der Landrat sagt: "Spätestens seit der Maaßen-Affäre ist klar, dass Seehofer nicht mehr der richtige Mann ist, um die CSU in die Zukunft zu führen. Wenn die Wahl so schlecht ausgeht wie befürchtet, sollte er auf jeden Fall die Konsequenzen ziehen und seinen Hut nehmen."
Landesgruppe steht hinter Seehofer
In der CSU-Landesgruppe ist die Stimmungslage am Vorabend der Landtagswahl deutlich anders. Zwar räumt auch der eine oder andere Bundestagsabgeordnete ein, dass in der Großen Koalition die Dinge alles andere als perfekt laufen. Und dass auch Horst Seehofer sicher Fehler gemacht habe.
Doch mehrere Parlamentarier äußern hinter vorgehaltener Hand massive Kritik an Ministerpräsident Markus Söder. Dass der die Verantwortung für die drohende Wahlschlappe bereits nach Berlin abgeschoben habe, sei nicht nur unlauter, sondern ein schwerer taktischer Fehler. Im Wahlkampf-Endspurt käme es doch auf Geschlossenheit an, nur so könne es noch gelingen, die Stimmung zu drehen.
Auch die Parteifreunde in der bayerischen Landespolitik müssten sich ihrer Verantwortung für die Misere stellen. "Es ist im Wahlkampf doch viel zu wenig gelungen, die landespolitischen Stärken der CSU auszuspielen", sagt ein CSU-Bundestagsabgeordneter.
Söder habe selbst Fehler gemacht - und an manchen Fehlern, die Seehofer angelastet würden, seinen Anteil. Im unionsinternen Flüchtlingsstreit habe Söder die kompromisslose Linie vorgegeben, die fast zum Bruch zwischen CSU und CDU geführt habe.
Zum Rücktritt gezwungen werden, sagt ein anderes Mitglied der Landesgruppe, könne Seehofer ohnehin nicht. Und dass er noch lange nicht ans Aufhören denkt, das hat der CSU-Chef und Innenminister zuletzt immer wieder klargemacht. Ein Markus Söder, der als Ministerpräsident und Spitzenkandidat das möglicherweise historisch schlechteste Ergebnis der CSU bei einer Landtagswahl zumindest zum Großteil verantworten müsste, könnte nach Meinung einiger CSU-Bundestagsabgeordneter gar nicht genügend Druck aufbauen, um Seehofer zu stürzen.
ein Artikel von unseren Korrespondenten Bernhard Junginger