Druckartikel: "Dauerhafte Lieferkrise" bei Medikamenten: So viele Arzneimittel sind aktuell nicht erhältlich

"Dauerhafte Lieferkrise" bei Medikamenten: So viele Arzneimittel sind aktuell nicht erhältlich


Autor: Stefan Lutter

Deutschland, Mittwoch, 02. Oktober 2024

Aktuell sind hunderte Medikamente in Deutschland nicht erhältlich. Der Verband der deutschen Apotheker warnt: Ein Ende der Versorgungskrise ist nicht abzusehen.
Immer wieder kommt es zu Medikamenten-Lieferengpässen. Hauptsächlich betroffen sind Schmerzmittel und Antibiotika.


Aufgrund von gegenwärtig nicht verfügbaren 500 Medikamenten haben Apotheker in Deutschland auf eine mögliche langanhaltende Lieferkrise aufmerksam gemacht. "Das zeigt, dass wir in einer wirklich dauerhaften Lieferkrise stecken und dass wir hier noch keine Entwarnung haben", sagte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) der "Neuen Osnabrücker Zeitung", wie die Deutsche Presseagentur (dpa) am Sonntag, 29. September 2024, mitteilt.

Ende September 2024 waren laut Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 500 Medikamente nicht lieferbar. "Wir haben aktuell immer noch viele Lieferengpässe", sagte Overwiening.

Apotheker schlagen Alarm: Medikamentenmangel droht

Auch in den Vorjahren traten Lieferengpässe auf, hauptsächlich bei Schmerzmitteln und Antibiotika, aber auch bei Fiebersäften für Kinder. Ursachen waren unter anderem gestörte Lieferketten und eine erhöhte Nachfrage. Bereits vor einigen Monaten hatte die Pharmabranche auf strukturelle Probleme am Standort Deutschland aufmerksam gemacht. "Wir haben ein schlechtes Quartett aus überbordender Bürokratie, Fachkräftemangel, zu hohen Energiekosten und bröckelnder Infrastruktur", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Wolfgang Große Entrup, der Deutschen Presse-Agentur Ende April vor einer "Pharma-Reise" von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

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Die Bundesregierung hatte Ende 2023 eine neue Pharma-Strategie beschlossen. Das Ziel: Deutschland als Forschungs- und Produktionsstandort für die Pharmabranche wieder attraktiver machen - unter anderem durch schnellere Zulassungsverfahren und unbürokratische Genehmigungen in der Arzneiforschung. Die Pharmaproduktion habe sich in der Vergangenheit immer mehr auf wenige Herstellungsstätten konzentriert, insbesondere in China und Indien, hieß es. Diese Entwicklung habe zu mehr Abhängigkeit geführt. Es soll Anreize geben, Arzneimittel-Produktionsstätten in Deutschland anzusiedeln, zum Beispiel für Antibiotika oder Krebsmedikamente.

Das Wirtschaftsministerium teilte damals mit, während der Corona-Pandemie habe es in der Folge Lieferengpässe bei der Grundversorgung von wichtigen Arzneimitteln gegeben, wie zum Beispiel Fiebersaft für Kinder und Antibiotika. Diese seien keineswegs behoben. 

Vielschichtige Ursachen für Lieferengpässe

"Lieferengpässe gehören in Deutschland leider schon seit einigen Jahren zum Alltag", erklärt auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) als Spitzenorganisation aller Apothekerinnen und Apotheker.  Die Ursachen dafür seien vielschichtig. Unter anderem nennt die Apotheker-Vereinigung die "Strukturen der stark globalisierten und spezialisierten Arzneimittelherstellung".

Für manche Wirkstoffe gäbe es nur noch wenige Hersteller weltweit. Produktionsausfälle oder Qualitätsprobleme in einer einzelnen Anlage könnten dann bereits ausreichen, "die Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten in Europa zu gefährden". 

Das ABDA-Faktenblatt zu Arzneimittel-Lieferengpässen macht deutlich, wie sehr Pharmazeuten von der Medikamenten-Knappheit betroffen sind: "In etwa 20 Millionen Fällen pro Jahr dokumentieren die Apotheken eine sogenannte Nichtverfügbarkeit", heißt es darin. Für neun von zehn (89,6 %) Apothekern gehören Lieferengpässe demnach zu den größten Ärgernissen im Berufsalltag, was ein "seit Jahren anhaltend hoher Wert" sei. Die führe dazu, dass die Mehrheit der Apotheker in Deutschland mehr als 10 Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, um "die Engpässe gemeinsam mit Ärzten, Großhändlern und Patienten zu managen". Im europäischen Durchschnitt wenden Apothekenteams knapp 10 Stunden pro Woche dafür auf. 

Datenbank für "versorgungskritische" Arzneimittel

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte betreibt eine Datenbank, in die Hersteller Lieferengpässe für "versorgungskritische" Arzneimittel eintragen. Dort sind aktuell 501 Lieferengpässe gelistet (Stand: 30. September 2024). Der neueste Eintrag betrifft das häufig von Ärzten verschriebene Breitband-Antibiotikum Amoxicillin.

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Ein Lieferengpass ist laut BfArM eine über zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung der üblichen Auslieferung oder eine deutlich gestiegene Nachfrage, die das Angebot übersteigt.

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