Wir können uns das Gesundheitssystem nicht mehr leisten: Diese Ansicht vertritt der Ökonom Bernd Raffelhüschen - und fordert eine radikale Reform. Die großen Verlierer dabei wäre Senioren.
Das Gesundheitssystem wird immer teurer. Die Ausgaben dafür steigen um zehn bis 20 Milliarden Euro im Jahr. In Folge steigen auch die Kassenbeiträge immer weiter an. Wie kann diese Kostenexplosion verhindert werden? Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen hat dafür einen radikalen Reformplan entwickelt.
"Wir können uns das System nicht mehr leisten. Patienten müssen künftig mehr aus eigener Tasche dazu bezahlen", sagte der Professor an der Universität Freiburg der "Bild"-Zeitung. Daher sollen die Kassenpatienten künftig nach jedem Arztbesuch eine Rechnung erhalten und bei ihrer Krankenkasse einreichen. Die Kasse übernimmt dann einen Teil, der andere muss von den gesetzlich Versicherten getragen werden.
Bis zu 2000 Euro Selbstbeteiligung: Ökonom mit brisantem Reformplan für Krankenkassen
Sie sollen stufenweise zunächst bis zu 50 Prozent der Arztkosten, dann bis zu 20 Prozent selbst übernehmen. Die Obergrenze liegt jeweils bei 500 Euro. Aufs Jahr gerechnet sollen Kassenpatienten bis zu 2000 Euro selbst zahlen. "Dazu muss es aber einen Sozialausgleich geben", so Raffelhüschen. "Die Zuschüsse zum Beispiel für Geringverdiener müssen aus dem Bundeshaushalt kommen."
Raffelhüschen sprach sich auch dafür aus, dass Versicherte Verletzungen nach selbstgewählten Risiken - wie Skifahren - komplett selbst bezahlen sollten. Auch Raucher sollen an Folgekosten extra beteiligt werden. Übergewichtige Menschen müssten nach dem Plan des Ökonomen ebenfalls mit einer höheren Selbstbeteiligung rechnen. Ein weiterer Punkt, an dem eingespart werden soll: die Kliniken. Die Zahl der Krankenhäuser soll um 30 bis 40 Prozent gesenkt werden.
Raffelhüschen ist sich den Nachteilen seines Reformvorschlags wohl bewusst. "Die größten Verlierer der Reform werden die künftigen Senioren sein", gibt er im Gespräch mit der "Bild" zu. "Sie müssen mehr aus eigener Tasche bezahlen. Profitieren werden die Beschäftigten, weil ihre Kassenbeiträge deutlich langsamer steigen als ohne Reform."
Lauterbach gegen Reformvorschlag: Für Mehrheit nicht bezahlbar
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erteilte dem Vorstoß jedoch eine klare Absage. "Für Uniprofessoren wie Herrn Raffelhüschen oder mich wären diese Vorschläge bezahlbar", twitterte Lauterbach. "Für die große Mehrheit der Bevölkerung geht das nicht."
Ohne ein Gegensteuern werde ansonsten der Beitragssatz bis 2035 auf bis zu 22 Prozent vom Bruttolohn steigen, warnt er. Zurzeit liegt er - inklusive Zusatzbeitrag - im Schnitt bei knapp 16 Prozent, je nach Krankenkasse.