Kommentar zur Landtagswahl: Diese Fehler haben Seehofer und Söder gemacht

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Horst Seehofer und Markus Söder versuchten, die AfD an Radikalität zu übertreffen - ein Fehler? Foto: Michael Kappeler/dpa
Horst Seehofer und Markus Söder versuchten, die AfD an Radikalität zu übertreffen - ein Fehler? Foto: Michael Kappeler/dpa

In jedem anderen Bundesland hätte sich der Wahlsieger für 37 Prozent feiern lassen. Für die CSU bedeutet dieser Wert ein Desaster. Der Einzug der Normalität in Bayern bedeutet eine kleine Revolution. Ein Kommentar.

Ist Bayern seit diesem 14. Oktober ein "normales" Bundesland? Normal in dem Sinne, dass keine Partei mit schier ewiger absoluter Mehrheit allein regieren kann. Dass es so etwas Exotisches wie eine Koalition braucht, um sich Mehrheiten im Landtag zu besorgen. In der Tat - diese Wahl hat die politische Landschaft in Bayern regelrecht umgepflügt. Und es ist der spezifisch bayerischen Logik geschuldet, dass der Einzug der "Normalität" in den Landtag eine kleine Revolution ist.

Denn in einem "normalen" Bundesland hätte sich der Wahlsieger für 37 Prozent feiern lassen. In Bayern, für die CSU, bedeuten diese rund 37 Prozent ein Desaster, wenngleich sich dieses Desaster seit Wochen und Monaten angebahnt hat. Als Tsunami in Zeitlupe, den sich die Granden der Regierungspartei selbst mit einer Mischung aus Fleiß und Niedertracht selbst aufgebaut haben.

Man muss die Fallhöhe ermessen, um zu verstehen, warum für die CSU der Verlust ihrer absoluten Mehrheit so bitter ist, obwohl sie weiter am Ruder bleibt im Freistaat. Es bedeutet nämlich zugleich den Verlust ihrer Sonderstellung in der deutschen Parteienlandschaft. "Normalität" - das ist in den Augen der CSU quasi die Höchststrafe.

Auf Normalmaß gestutzt zu sein, um sich dann auf die mühsame Suche nach einem Koalitionspartner machen zu müssen, das kennt die CSU in ihrer langen Erfolgsgeschichte nicht. Und vor allem ist mit der von den Wählern erzwungenen "Normalität" auch der Nimbus weg, mit dem die CSU ihr bundespolitisches Gewicht gegenüber der ungeliebten Schwester CDU begründet hat. Die Sonderrolle Bayerns, die von der CSU in Berlin herausgekehrt wurde, wird sich in jedem Fall verändern.

CSU ereilt das Schicksal von CDU und SPD

Die CSU ereilt nun mit Verspätung das Schicksal, das die CDU längst kennt und das vor allem die SPD auf geradezu brutale Weise erlebt. Es ist die Erosion der Volksparteien. Bei den Sozialdemokraten ist sie schon so weit fortgeschritten, dass man sie unter den kleineren Parteien wiederfindet.

Die CSU ihrerseits hadert damit, dass ihr die Wähler davonlaufen - trotz guter Wirtschaftslage, trotz nahezu Vollbeschäftigung im Freistaat, trotz all der herrlichen Bilder vom paradiesischen Bayern. Aber es reicht heute eben nicht mehr, die Erfolge der Vergangenheit zu rühmen.

Stattdessen hat die CSU in der panischen Ahnung einer drohenden Niederlage reihenweise strategische Fehler begangen. Der fatalste war es, als Seehofer, Söder und Co im Sommer versuchten, die aufstrebende Konkurrenz der AfD an rhetorischer Radikalität zu übertrumpfen. Wer aber versucht, die Rechtsaußen auch noch rechts zu überholen, der gerät in gefährliches Fahrwasser. Das Ergebnis vom Sonntag zeigt: die CSU verliert in alle Richtungen, viele christlich geprägte oder wertkonservative oder liberale Bürger wechselten zu Freien Wählern, zur FDP oder gar - horribile dictu - zu den Grünen.

Grüne als Gegenentwurf zur SPD

Der fulminante Erfolg der Grünen in Bayern ist daher vielleicht die entscheidende Botschaft dieses 14. Oktobers. Die Grünen haben es verstanden, sich als frische, unverbrauchte und zugleich ins bürgerliche Lager ausstrahlende Kraft zu präsentieren - und waren damit quasi der Gegenentwurf zu den ausgelaugten Sozialdemokraten. Vor allem in den Städten liefen die Wähler scharenweise zu den Grünen über, wo sie mancherorts sogar auf Platz eins lagen. Gleichwohl ist die Frage müßig, ob die Grünen das Zeug haben zur "Volkspartei". Parteibindungen werden immer flüchtiger (so wie auch die traditionellen Bindungen an Kirchen oder Gewerkschaften), Fluktuation ist eher schon das Zeichen moderner Zeiten - sogar in einem strukturell immer noch konservativen Land wie Bayern. Aber "konservativ" kann eben ganz unterschiedlich interpretiert werden.

Was bedeutet also die neue "Normalität" in Bayern (zu der wohl auch der Umstand zählt, dass ganz rechtsaußen in deutschen Landtagen Abgeordnete der AfD Platz nehmen)? Das hängt sicher zuallererst davon ab, wie die CSU diesen Normalitäts-Schock verdauen wird. In der Vergangenheit war die CSU nie zimperlich mit ihren Anführern, wenn der Erfolg ausblieb. Aber auch wenn es danach aussieht, dass Horst Seehofer als alleiniger Sündenbock auserkoren ist: Wenn die CSU sich jetzt in Personaldebatten zerfleischt und ansonsten glaubt, sie könne irgendwie weitermachen wie bisher, dann hätte sie wahrlich nicht verstanden, was es bedeutet, angekommen zu sein in der - Normalität.

Das amtliche Endergebnis der Landtagswahl 2018 finden Sie hier.