In jedem anderen Bundesland hätte sich der Wahlsieger für 37 Prozent feiern lassen. Für die CSU bedeutet dieser Wert ein Desaster. Der Einzug der Normalität in Bayern bedeutet eine kleine Revolution. Ein Kommentar.
Ist Bayern seit diesem 14. Oktober ein "normales" Bundesland? Normal in dem Sinne, dass keine Partei mit schier ewiger absoluter Mehrheit allein regieren kann. Dass es so etwas Exotisches wie eine Koalition braucht, um sich Mehrheiten im Landtag zu besorgen. In der Tat - diese Wahl hat die politische Landschaft in Bayern regelrecht umgepflügt. Und es ist der spezifisch bayerischen Logik geschuldet, dass der Einzug der "Normalität" in den Landtag eine kleine Revolution ist.
Denn in einem "normalen" Bundesland hätte sich der Wahlsieger für 37 Prozent feiern lassen. In Bayern, für die CSU, bedeuten diese rund 37 Prozent ein Desaster, wenngleich sich dieses Desaster seit Wochen und Monaten angebahnt hat. Als Tsunami in Zeitlupe, den sich die Granden der Regierungspartei selbst mit einer Mischung aus Fleiß und Niedertracht selbst aufgebaut haben.
Man muss die Fallhöhe ermessen, um zu verstehen, warum für die CSU der Verlust ihrer absoluten Mehrheit so bitter ist, obwohl sie weiter am Ruder bleibt im Freistaat. Es bedeutet nämlich zugleich den Verlust ihrer Sonderstellung in der deutschen Parteienlandschaft. "Normalität" - das ist in den Augen der CSU quasi die Höchststrafe.
Auf Normalmaß gestutzt zu sein, um sich dann auf die mühsame Suche nach einem Koalitionspartner machen zu müssen, das kennt die CSU in ihrer langen Erfolgsgeschichte nicht. Und vor allem ist mit der von den Wählern erzwungenen "Normalität" auch der Nimbus weg, mit dem die CSU ihr bundespolitisches Gewicht gegenüber der ungeliebten Schwester CDU begründet hat. Die Sonderrolle Bayerns, die von der CSU in Berlin herausgekehrt wurde, wird sich in jedem Fall verändern.
CSU ereilt das Schicksal von CDU und SPD
Die CSU ereilt nun mit Verspätung das Schicksal, das die CDU längst kennt und das vor allem die SPD auf geradezu brutale Weise erlebt. Es ist die Erosion der Volksparteien. Bei den Sozialdemokraten ist sie schon so weit fortgeschritten, dass man sie unter den kleineren Parteien wiederfindet.
Die CSU ihrerseits hadert damit, dass ihr die Wähler davonlaufen - trotz guter Wirtschaftslage, trotz nahezu Vollbeschäftigung im Freistaat, trotz all der herrlichen Bilder vom paradiesischen Bayern. Aber es reicht heute eben nicht mehr, die Erfolge der Vergangenheit zu rühmen.