Rassismus-Vorwurf gegen Scholz nach "Hofnarr"-Aussage - CSU-Politikerin Dorothee Bär mischt sich in Debatte ein

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Joe Chialo und Olaf Scholz
Berlins Kultursenator Joe Chialo (l, CDU) bei einer Pressekonferenz in der Volksbühne und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Sitzung des Bundeskabinetts.
Joe Chialo und Olaf Scholz
Soeren Stache (dpa)
CSU-Politikerin Dorothee Bär äußert sich zu Scholz "Hofnarr"-Vorfall
Mit einem Instagram-Post tat CSU-Politikerin Dorothee Bär zu Scholz "Hofnarr"-Äußerung ihre Kritik kund ...
CSU-Politikerin Dorothee Bär äußert sich zu Scholz "Hofnarr"-Vorfall
 

Bei einer privaten Veranstaltung fand der Bundeskanzler ungewöhnliche Worte für den Kultursenator Joe Chialo. Diese Äußerung schlägt nun in politischen Kreisen hohe Wellen - auch die fränkische CSU-Politikerin Dorotee Bär äußerte sich zu dem Vorfall.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Berliner Kultursenator Joe Chialo auf einer privaten Geburtstagsfeier als "Hofnarr" der Union bezeichnet und damit scharfe Kritik auf sich gezogen. Scholz gab nach der Veröffentlichung eines entsprechenden "Focus"-Berichts zu, den Begriff für den CDU-Politiker mit Wurzeln in Tansania verwandt zu haben. Von CDU-Seite wurde ihm Rassismus gegen den schwarzen Kultursenator vorgeworfen, was Scholz und die SPD strikt zurückwiesen. 

Scholz wertet Rassismus-Vorwurf als "künstlich konstruiert"

Der von ihm verwandte Begriff sei "im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert und war von mir auch nie so intendiert", wurde Scholz in einer Mitteilung des SPD-Parteivorstands zitiert. Eine Sprecherin bestätigte, dass Scholz sich mit der Erklärung auf den Begriff "Hofnarr" bezogen habe. "Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert", sagte Scholz weiter. 

Im "Spiegel"-"Spitzengespräch" sagte Scholz, er sei "aus allen Wolken gefallen", als er die Berichterstattung gesehen habe. "Alles kann man mir vorwerfen, aber ganz sicher nicht, dass ich ein Rassist bin." Nie habe er die "Hofnarr"-Äußerung in Verbindung mit Chialos Hautfarbe gebracht. Der Vorwurf mache ihn "persönlich sehr betroffen". Er schätze Chialo und bedauere es, wenn dieser die Aussage auf sich bezogen habe. "Nur gesagt habe ich das, was da gemeldet worden ist, eben nicht." 

Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr, telefonierte Scholz noch am Abend mit Chialo. Zum Inhalt des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.

Kanzler beauftragt Medienanwalt Christian Schertz 

Zunächst hatte der "Focus", dessen Chefredakteur auch Gast bei der Party war, über die Aussagen berichtet. Der Vorfall ereignete sich bei einer Geburtstagsfeier des Unternehmers und ehemaligen FDP-Bundesschatzmeisters Harald Christ in Berlin

Der Kanzler beauftragte den Medienanwalt Christian Schertz damit, rechtliche Schritte gegen das Magazin einzuleiten, dessen Formulierung den Eindruck einer rassistischen Beleidigung hatte aufkommen lassen. 

Chialo wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Kultur bestätigte, dass es bei einer Veranstaltung, an der Scholz und Chialo teilgenommen hätten, einen "Vorfall" gegeben habe. "Der Senator äußert sich nicht weiter dazu." 

Merz kritisiert Umgang und Sozialverhalten von Scholz

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sagte am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Neubrandenburg, es habe ihn "wirklich sprachlos gemacht", als er von dem Vorfall erfahren habe. "Das ist der Bundeskanzler, der immer Respekt beansprucht, offensichtlich aber nur für sich selbst." Scholz müsse selbst entscheiden, ob er sich entschuldigt. Der Vorfall "wirft ein Licht auch auf seinen Umgang und sein Verhalten, auch auf sein Sozialverhalten." 

Schärfer wurde Unions-Fraktionsvize Jens Spahn: "Das ist eine unsägliche Entgleisung des Kanzlers, das ist geschmacklos und damit das Gegenteil von Respekt. Als Freund von Joe erschüttern mich diese Beleidigungen", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. "Olaf Scholz sollte sich umgehend persönlich bei ihm entschuldigen. Es ist der traurige Schlusspunkt einer katastrophalen Kanzlerschaft."

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schrieb auf der Plattform X: "Anständig wäre es, wenn der Bundeskanzler sich jetzt bei Joe Chialo entschuldigen würde."

Fränkische CSU-Politikerin Dorothee Bär äußert sich - und bekommt Gegenwind

Auch die fränkische CSU-Politikerin und stellvertretenden Parteivorsitzende Dorothee Bär äußerte sich auf ihrem offiziellen Instagram-Account zu dem Vorfall. "Joe ist seit vielen Jahren ein ganz enger Freund von mir. Ein feiner Mensch, ein toller Unternehmer, ein Kulturpolitiker, einfach ein Freund und Mitstreiter. Die rassistische Entgleisung, die sich @bundeskanzler Olaf Scholz gegen ihn geleistet hat, ist unentschuldbar", schrieb sie dort und postete eine gemeinsame Aufnahme von sich und Chialo. Die gebürtige Bambergerin wird dieses Jahr zum ersten Mal als Rolle im Singspiel am Nockherberg in München dargestellt. Geschauspielert wird sie dabei von einem - ebenfalls fränkischen - Tatort-Star.

Zudem sprach sie von einer "Doppelmoral", die "unerträglich" sei, im Bezug auf Chialos Position: "Was sagt eigentlich die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung zu diesem Vorfall? Oder ist das völlig ok, weil ja „nur“ einer der Union rassistisch beleidigt wurde?" Sie frage sich, wann die "sogenannten Anständigen" auf die Straße gehen würden, um Solidarität zu zeigen.

Ihr Beitrag erhielt über tausend Likes, sowie einige Kommentare - viele, aber nicht alle davon waren positiv. Ein Nutzer schreibt: "Hätte Scholz doch bloß alle Migrant schon Jungen `kleiner Pascha´ genannt oder alle Ukrainer in Deutschland `Asyltouristen´ ..." und spielt damit auf Äußerung des CDU-Kanzlerkandidaten Merz an. Mehrere User werfen der Politikerin zudem eine Instrumentalisierung der Debatte vor: "Erst wird er als Hofnarr bezeichnet - dann für den Wahlkampf benutzt", heißt es da, sowie "Und jetzt instrumentalisieren Sie Herrn Chialo... auch keine feine Art".

Scholz nennt Chialo eine "wichtige liberale Stimme in der Union"

Scholz erläuterte, er habe auf der Feier vor zehn Tagen das gemeinsame Abstimmungsverhalten von CDU/CSU und AfD im Bundestag kritisiert. Auf den Hinweis, dass es auch liberale Stimmen in der CDU gebe, habe er entgegnet, dass sich nur sehr wenige Parteivertreter gegen das Verhalten von Parteichef Merz gestellt und kritisch zu Wort gemeldet hätten. "Persönlich schätze ich Joe Chialo gerade als eine wichtige liberale Stimme in der Union", erklärte Scholz.

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf dem "Focus" eine "gezielte Kampagnenarbeit im Sinne der CDU" vor. Zur Kritik der CDU hieß es in einer Mitteilung: "Die CDU inszeniert hier eine Empörungswelle, die zehn Tage nach dem angeblichen Vorfall losgetreten wird. (...) Die Partei, deren Vorsitzender Menschen als "kleine Paschas" und "Sozialtouristen" diffamiert, sollte sich mit unhaltbaren Anschuldigungen gegen Olaf Scholz zurückhalten."

Gastgeber Christ nimmt Scholz in Schutz

Gastgeber Christ sagte dem "Tagesspiegel" und der dpa, es seien etwa 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Journalismus eingeladen gewesen. Es sollte offen miteinander geredet und über persönliche Gespräche nicht öffentlich berichtet werden. Beim Dialog zwischen Scholz und Chialo sei er nicht dabei gewesen. "Ich kenne Olaf Scholz aber lange und gut genug, um zu sagen: Es ist absurd, den Bundeskanzler in die Ecke eines Rassisten zu rücken."

Der Unternehmer Christ war früher einmal SPD-Mitglied gewesen, trat 2019 aber aus der Partei aus und wechselte zur FDP. Dort war er zwei Jahre lang Bundesschatzmeister. Inzwischen hat er auch der FDP wieder den Rücken gekehrt.