Merz kritisiert Umgang und Sozialverhalten von Scholz
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sagte am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Neubrandenburg, es habe ihn "wirklich sprachlos gemacht", als er von dem Vorfall erfahren habe. "Das ist der Bundeskanzler, der immer Respekt beansprucht, offensichtlich aber nur für sich selbst." Scholz müsse selbst entscheiden, ob er sich entschuldigt. Der Vorfall "wirft ein Licht auch auf seinen Umgang und sein Verhalten, auch auf sein Sozialverhalten."
Schärfer wurde Unions-Fraktionsvize Jens Spahn: "Das ist eine unsägliche Entgleisung des Kanzlers, das ist geschmacklos und damit das Gegenteil von Respekt. Als Freund von Joe erschüttern mich diese Beleidigungen", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. "Olaf Scholz sollte sich umgehend persönlich bei ihm entschuldigen. Es ist der traurige Schlusspunkt einer katastrophalen Kanzlerschaft."
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schrieb auf der Plattform X: "Anständig wäre es, wenn der Bundeskanzler sich jetzt bei Joe Chialo entschuldigen würde."
Fränkische CSU-Politikerin Dorothee Bär äußert sich - und bekommt Gegenwind
Auch die fränkische CSU-Politikerin und stellvertretenden Parteivorsitzende Dorothee Bär äußerte sich auf ihrem offiziellen Instagram-Account zu dem Vorfall. "Joe ist seit vielen Jahren ein ganz enger Freund von mir. Ein feiner Mensch, ein toller Unternehmer, ein Kulturpolitiker, einfach ein Freund und Mitstreiter. Die rassistische Entgleisung, die sich @bundeskanzler Olaf Scholz gegen ihn geleistet hat, ist unentschuldbar", schrieb sie dort und postete eine gemeinsame Aufnahme von sich und Chialo. Die gebürtige Bambergerin wird dieses Jahr zum ersten Mal als Rolle im Singspiel am Nockherberg in München dargestellt. Geschauspielert wird sie dabei von einem - ebenfalls fränkischen - Tatort-Star.
Zudem sprach sie von einer "Doppelmoral", die "unerträglich" sei, im Bezug auf Chialos Position: "Was sagt eigentlich die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung zu diesem Vorfall? Oder ist das völlig ok, weil ja „nur“ einer der Union rassistisch beleidigt wurde?" Sie frage sich, wann die "sogenannten Anständigen" auf die Straße gehen würden, um Solidarität zu zeigen.
Ihr Beitrag erhielt über tausend Likes, sowie einige Kommentare - viele, aber nicht alle davon waren positiv. Ein Nutzer schreibt: "Hätte Scholz doch bloß alle Migrant schon Jungen `kleiner Pascha´ genannt oder alle Ukrainer in Deutschland `Asyltouristen´ ..." und spielt damit auf Äußerung des CDU-Kanzlerkandidaten Merz an. Mehrere User werfen der Politikerin zudem eine Instrumentalisierung der Debatte vor: "Erst wird er als Hofnarr bezeichnet - dann für den Wahlkampf benutzt", heißt es da, sowie "Und jetzt instrumentalisieren Sie Herrn Chialo... auch keine feine Art".
Scholz nennt Chialo eine "wichtige liberale Stimme in der Union"
Scholz erläuterte, er habe auf der Feier vor zehn Tagen das gemeinsame Abstimmungsverhalten von CDU/CSU und AfD im Bundestag kritisiert. Auf den Hinweis, dass es auch liberale Stimmen in der CDU gebe, habe er entgegnet, dass sich nur sehr wenige Parteivertreter gegen das Verhalten von Parteichef Merz gestellt und kritisch zu Wort gemeldet hätten. "Persönlich schätze ich Joe Chialo gerade als eine wichtige liberale Stimme in der Union", erklärte Scholz.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warf dem "Focus" eine "gezielte Kampagnenarbeit im Sinne der CDU" vor. Zur Kritik der CDU hieß es in einer Mitteilung: "Die CDU inszeniert hier eine Empörungswelle, die zehn Tage nach dem angeblichen Vorfall losgetreten wird. (...) Die Partei, deren Vorsitzender Menschen als "kleine Paschas" und "Sozialtouristen" diffamiert, sollte sich mit unhaltbaren Anschuldigungen gegen Olaf Scholz zurückhalten."
Gastgeber Christ nimmt Scholz in Schutz
Gastgeber Christ sagte dem "Tagesspiegel" und der dpa, es seien etwa 300 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Journalismus eingeladen gewesen. Es sollte offen miteinander geredet und über persönliche Gespräche nicht öffentlich berichtet werden. Beim Dialog zwischen Scholz und Chialo sei er nicht dabei gewesen. "Ich kenne Olaf Scholz aber lange und gut genug, um zu sagen: Es ist absurd, den Bundeskanzler in die Ecke eines Rassisten zu rücken."
Der Unternehmer Christ war früher einmal SPD-Mitglied gewesen, trat 2019 aber aus der Partei aus und wechselte zur FDP. Dort war er zwei Jahre lang Bundesschatzmeister. Inzwischen hat er auch der FDP wieder den Rücken gekehrt.