"Ausdruck politischen Versagens": Haushalten darf bald Strom gedrosselt werden - Maßnahme erntet Kritik

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Netzbetreiber dürfen ab Januar 2024 Strom drosseln
Die Bundesnetzagentur garantiert eine Mindestleistung an Strom - auch während Engpässen.
Netzbetreiber dürfen ab Januar 2024 Strom drosseln
Federico Gambarini/dpa

Netzbetreiber dürfen ab Januar 2024 bei Engpässen den Strombezug einschränken. Die Betroffenen sollen in Form eines Rabatts entschädigt werden. Kritiker warnen mit Blick auf die neue Regelung derweil vor einem Scheitern der Energiewende.

Stromnetzbetreiber dürfen künftig den Strombezug von neuen steuerbaren Wärmepumpen oder Ladestationen zeitweise einschränken, wenn eine Überlastung des Stromnetzes droht. "Dabei muss eine Mindestleistung immer zur Verfügung stehen, sodass Wärmepumpen betrieben und Elektroautos weiter geladen werden können", teilte die Bundesnetzagentur am Montag (27. November 2023) in Bonn mit.

Die Verteilnetzbetreiber dürfen dabei den Bezug für die Dauer der Überlastung auf bis zu 4,2 Kilowatt senken. "Damit können Wärmepumpen weiter betrieben und E-Autos in aller Regel in zwei Stunden für 50 Kilometer Strecke nachgeladen werden." Der reguläre Haushaltsstrom sei davon nicht betroffen, betonte die Behörde.

Stromdrosselung ab 2024 im Notfall erlaubt - Betroffene erhalten finanzielle Entschädigung

Im Gegenzug bekommen die Betreiber der steuerbaren Geräte, also etwa Haushalte, eine Ermäßigung. Entweder als jährliche Pauschale beim Netzentgelt oder als Reduzierung des Netzentgelt-Arbeitspreises um 60 Prozent für die jeweiligen Geräte. Dieser "Rabatt" betrage laut Netzagentur gegenüber der Bild-Zeitung bis zu 190 Euro im Jahr.

Wer sich für die Pauschale entscheidet, kann sich ab 2025 auch noch für ein zeitvariables Netzentgelt entscheiden. Verbraucher zahlen dann bei Strombezug in Zeiten schwacher Netzauslastung weniger Netzentgelt. Die Netzbetreiber dürfen zudem den Anschluss von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen nicht mehr mit Verweis auf mögliche Engpässe verweigern.

Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass Eingriffe der Netzbetreiber nur in Ausnahmefällen erfolgen müssen und ohne wesentliche Komforteinbußen verbunden sein werden. "Vollständige Abschaltungen der steuerbaren Verbrauchseinrichtungen sind nicht mehr zulässig", hieß es. Die Netzbetreiber müssen solche Steuerungseingriffe außerdem in gemeinsamen Internetplattformen veröffentlichen. Damit sei auch für eine breite Öffentlichkeit nachvollziehbar, wenn in einzelnen Netzbereichen Überlastungsprobleme aufträten und der Netzbetreiber sein Netz besser ausstatten müsse.

"Ausdruck politischen Versagens": FDP-Energie-Experte übt heftige Kritik an neuer Regelung

In einem Gespräch mit der Bild erklärt Michael Kruse, ein Energie-Experte der FDP, die neue Regelung zu einem "Ausdruck politischen Versagens." Der angestrebte Umstieg auf Elektromobilität könne nicht gelingen, "wenn man befürchten muss, nur gelegentlich Strom für sein Auto zu bekommen." Eine Zurückhaltung und große Unsicherheit sei nachvollziehbar, wenn die Drosselung häufig geschehe. Dann "wird die Begeisterung für die Energiewende in Deutschland endgültig verpuffen."

Die neuen Regeln gelten ab Januar 2024. Bei bestehenden Anlagen, für die bereits eine Vereinbarung zur Steuerung durch den Netzbetreiber besteht, gibt es langjährige Übergangsregelungen. Bestandsanlagen ohne eine solche Vereinbarung bleiben dauerhaft ausgenommen, können aber freiwillig mitmachen. Nachtspeicherheizungen sollen dauerhaft nicht unter die neuen Regeln fallen.

Auf einen schnellen Hochlauf von Wärmepumpen und privaten Ladeeinrichtungen sei der größte Teil der Niederspannungsnetze noch nicht ausgelegt, erklärte die Behörde. Die Netze müssten daher in einem hohen Tempo optimiert, digitalisiert und ausgebaut werden. Wo diese Netzoptimierung noch nicht stattgefunden habe, sorgten die Regelungen für eine Beschleunigung der Verkehrs- und Wärmewende und die Gewährleistung von Versorgungssicherheit auch in der Niederspannung.

CDU/CSU-Sprecher warnt vor Scheitern der Energiewende - "muss absolutes Notfallinstrument bleiben"

Der energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Mark Helfrich, mahnte gegenüber Bild: "Die Stromdrosselung für Privathaushalte muss ein absolutes Notfallinstrument bleiben. Ohne schnell vollgeladene E-Autos und warme Häuser wird die Mobilitäts- und Wärmewende scheitern."