Geheime Vertreibungspläne: Beliebte Gastro-Kette schmeißt nach AfD-Treffen Co-Eigentümer raus

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Ein Zahnarzt lud zu einem exklusiven Treffen in Potsdam, das AfD-Politiker mit dem Kopf der Identitären Bewegung zusammenbrachte. So hat es zumindest das Medienhaus "Correctiv" recherchiert. Der Inhalt des Gesprächs soll brisant sein.

Update, 10.01.2024, 19.10 Uhr: Gastro-Kette schmeißt Co-Eigentümer raus - AfD reagiert nach Geheim-Treffen

Die Restaurantkette Hans im Glück und ihr Mitgesellschafter Hans-Christian Limmer haben sich nach Unternehmensangaben mit sofortiger Wirkung getrennt. Hintergrund seien Vorwürfe, Limmer habe zu einer Veranstaltung zum Thema Remigration mit eingeladen, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens vom Mittwoch.

Gemeint ist offenbar ein Treffen im November in Potsdam, über das das Medienhaus Correctiv berichtet hatte. Daran hatten neben AfD-Politikern auch der Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, teilgenommen und seine Ideen zur Remigration vorgetragen. Unter der Einladung zum Treffen, in die die Deutsche Presse-Agentur Einblick hatte, steht auch Limmers Name. Er nahm aber laut Correctiv nicht selbst am Treffen teil.

"Die Geschäftsführung der Hans im Glück Franchise GmbH, der Inhaberkreis und das gesamte Team sind zutiefst schockiert über diese Vorwürfe", heißt es in der Erklärung. "Als Unternehmen Hans im Glück Franchise GmbH distanzieren wir uns klar von rechtsextremen Ansichten, sie stellen das genaue Gegenteil unserer Grundwerte dar." Limmer habe das Unternehmen vor der Medienberichterstattung darüber informiert, dass entsprechende Vorwürfe gegen ihn erhoben würden, hieß es weiter.

Der Gastro-Unternehmer habe betont, er habe sich gegenüber dem anfragenden Medium unmissverständlich von den genannten Remigrationsforderungen distanziert. An der Veranstaltung habe er selbst nicht teilgenommen. Limmer sei "bestürzt über die dort erhobenen Forderungen». Um Schaden von Hans im Glück abzuwenden, habe Limmer angeboten, seine Gesellschafterstellung sofort aufzugeben. "Dieses Angebot hat der Gesellschafterkreis angenommen."

Ursprungsmeldung: Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland - strickten AfD-Politiker an geheimem "Masterplan" mit?

Es ist eine brisante Recherche: AfD-Politiker sollen nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November in Potsdam an einem Treffen teilgenommen haben mit dem bekanntesten Vertreter der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner. Damit bahnt sich ein weiterer Skandal für die Partei an: Erst im vergangenen Jahr waren Rechtsextremismus-Vorwürfe gegen den bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Halemba laut geworden.

Bei dem Treffen in Potsdam soll über einen "Masterplan" zur Migrationspolitik gesprochen worden sein. Sellner wolle laut Correctiv, dass drei Zielgruppen Deutschland verlassen sollten: "Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und 'nicht assimilierte Staatsbürger'" - de facto eine Millionenvertreibung. Ziel könne ein "Musterstaat" in Nordafrika werden, zitiert Correctiv Sellner. Von AfD-Seite sei unter anderen Roland Hartwig bei dem Treffen dabei gewesen, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und heute Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, meldete Correctiv am Mittwoch (10. Januar 2024).

Treffen mit rechtsextremen Vordenker - planten AfD-Politiker die "millionenfache Remigration"?

. Ein Sprecher Weidels bestätigte Hartwigs Teilnahme an dem Treffen, betonte jedoch gleichzeitig, von einem Auftritt Sellners dort überrascht worden zu sein. Er teilte auf Anfrage mit: Frau Weidel "hatte aber keinerlei Kenntnis von den Teilnehmern. Auch Hartwig wusste vorab nichts von Sellner". Ein Sprecher der Partei teilte mit: "Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik, die im Parteiprogramm nachzulesen ist, nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern." 

Hartwig habe dort lediglich auf Einladung ein Social-Media-Projekt vorgestellt, welches er im Aufbau mitbegleite. Correctiv erhielt nach eigenen Angaben auf Nachfrage von einem Düsseldorfer Zahnarzt die Bestätigung, dass er "alleiniger Veranstalter" des Treffens gewesen sei. Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Siegmund bestätigte Correctiv dem Bericht zufolge seine Teilnahme: Er sei als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen.

In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der Correctiv vorliegt und in den auch die Deutsche Presse-Agentur Einblick hatte, heißt es, bei der Veranstaltung werde ein "Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans" vorgestellt. Für die Teilnahme werde eine "Mindestspende von 5000 Euro" erhoben. Correctiv berichtete unter Berufung auf Teilnehmer, Thema bei dem Treffen sei ein Vortrag Sellners zur "Remigration" gewesen.

Alle Migranten abschieben - AfD betont Distanz zur Identitären Bewegung

Unter dem Begriff verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. AfD-Politiker vertreten diese Forderung auch öffentlich. So sagte etwa der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio im November im Bundestag: "Was wir jetzt brauchen, ist nicht nur der sofortige Stopp der illegalen Migration. Wir brauchen die wirkliche, tatsächliche Rückführung, die komplette Abschiebung. Wir brauchen, meine Damen und Herren, endlich die wirkliche Remigration."

Remigration: Das steckt hinter dem Begriff

Der Begriff wird oft nicht klar umrissen. Bisweilen wird er im Zusammenhang mit Menschen ohne Aufenthaltsrecht genannt. Bei dem Potsdamer Treffen soll die Dimension jedoch größer gewesen sein. Auch eine "Remigration" in großem Umfang wird in der AfD bereits seit längerem diskutiert: Auf dem AfD-Europaparteitag 2023 forderte die Delegierte Irmhild Boßdorf öffentlich eine "millionenfache Remigration".

Kontakte von AfD-Politikern zu dem Österreicher Sellner sind nicht neu, auch wenn die AfD offiziell auf Distanz zur Identitären Bewegung geht, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch gewertet wird. Der Schweriner AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer hatte sich Ende 2023 für seinen persönlichen Podcast mit Sellner unterhalten und dafür Kritik eingesteckt.

Vorschaubild: © Jens Kalaene (dpa)