GDL setzt ebenfalls auf kurzfristige Vorwarnung
Auf den inzwischen fünften Streik der Lokführergewerkschaft GDL hatten sich Bahn und Fahrgäste heute weitgehend eingestellt. Rund jeder fünfte Fernzug war im Einsatz, die Bahnhöfe bleiben weitgehend leer. Viele Reisende hatten ihre Fahrt vorgezogen oder auf einen späteren Tag verschoben. Bereits am Montag hatte die Gewerkschaft den Ausstand angekündigt, nachdem in den Wochen zuvor erneut vergeblich hinter verschlossenen Türen verhandelt worden war. 35 Stunden Dauer sollen an die zentrale Forderung einer 35-Stunden-Woche im Schichtdienst erinnern.
Doch mit dieser Planbarkeit dürfte es bald ebenfalls vorbei sein. Erstmals in einem Bahntarifkonflikt will GDL-Chef Claus Weselsky künftig auf sogenannte Wellenstreiks setzen. Bahnstreiks werde die Gewerkschaft dann mit deutlich weniger Vorlauf ankündigen, sagte er vor wenigen Tagen. Ob der Bahn dann genug Zeit bleibt, um wie bisher einen provisorischen Rumpffahrplan auf die Beine zu stellen, ist fraglich. Weselskys erklärtes Ziel: für noch mehr Unzuverlässigkeit auf der Schiene zu sorgen.
Selbst über Ostern können sich Fahrgäste nicht sicher sein, ob sie dann mit der Bahn zu ihren Familien reisen können. Auf einen Osterfrieden im feststeckenden Bahntarifkonflikt ließ sich Weselsky bisher jedenfalls nicht ein. «Ostern ist ja durchaus noch ein paar Tage, eigentlich Wochen hin und deswegen kann ich das nicht beantworten», sagte er im RBB-Inforadio.
Hohe Kosten für Unternehmen und Wirtschaft
Der Ausstand bei der Bahn trifft nicht nur den Personen-, sondern erneut auch den Güterverkehr. Bereits seit Mittwochabend wird die Bahntochter DB Cargo bestreikt, die immerhin rund 40 Prozent des Güterverkehrsmarkts auf der Schiene kontrolliert. Fachleute fürchten angesichts der Arbeitskämpfe bei Bahn und Lufthansa erhebliche Auswirkungen auf die Deutsche Wirtschaft. «Das ist eine zusätzliche Belastung, die wir eigentlich nicht gebrauchen können», sagte etwa Clemens Fuest, Leiter des Münchner Ifo-Instituts, im ZDF-Morgenmagazin. «Die Wirtschaft schrumpft, und wenn so etwas noch dazu kommt, dann fehlen ja plötzlich Teile in der Produktion, die nicht geliefert werden können, oder es können Menschen nicht zu Meetings kommen, vielleicht auch nicht zur Arbeit.»
Laut Konjunkturexperte Michael Grömling vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kann allein ein eintägiger bundesweiter Bahnstreik bis zu 100 Millionen Euro am Tag an Wirtschaftsleistung kosten, sofern die Produktion und die Geschäftstätigkeit der Unternehmen branchenübergreifend gestört werden. «Das hängt auch von der konjunkturellen Lage und dem allgemeinen Funktionieren der Lieferketten ab. Die Kosten steigen bei einem mehrtägigen Streik möglicherweise nicht linear, sondern stärker.
Großunternehmen wie die BASF haben sich auf die wiederholten Bahnstreiks eingestellt, indem sie ihre Güter von verschiedenen Bahnen fahren lässt. «Die Konzepte sind so gestaltet, dass sie weitestgehend auch bei Streik betrieben werden oder kurzfristig alternative Eisenbahnverkehrsunternehmen eingesetzt werden können», sagt eine Firmensprecherin. Im Nahverkehr setze priorisiere man Bahntransporte, setze bei Bedarf eigene Lokführer ein und sei auch mit den Containerlagern so aufgestellt, Verzögerungen weitgehend auffangen zu können.
Wie es bei der Bahn weitergeht ...
Der Streik bei der Bahn soll am Freitag um 13.00 Uhr offiziell enden. Doch den ganzen Tag über müssen Fahrgäste noch mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen. Erst am Samstag kann der Konzern eigenen Angaben zufolge wieder das volle Angebot auf die Schiene bringen. Angesichts der Ankündigungen Weselskys beginnt die große Unsicherheit aber ohnehin erst nach Streikende. Eine Lösung im Tarifstreit ist derzeit nicht in Sicht.
Knackpunkt der Verhandlungen ist die Forderung der GDL nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter ohne finanzielle Einbußen. Selbst einen Vorschlag externer Vermittler, die eine Absenkung auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich ins Spiel gebracht hatten, lehnte Weselsky ab.
... und wie bei der Lufthansa
Auch bei der Lufthansa läuft der aktuelle Arbeitskampf noch bis Freitag. Ein Kompromiss ist im Tarifstreit ebenfalls nicht in Sicht. Verdi fordert unter anderem 12,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die nächsten Verhandlungen sind für den 13. und 14. März angesetzt. Die Passagiere müssen in naher Zukunft auch mit Streiks einer weiteren Berufsgruppe rechnen. Wenige Wochen vor Beginn der Osterferien haben am Mittwoch die Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen der Lufthansa und ihrer Regionaltochter Lufthansa Cityline bei einer Urabstimmung der Gewerkschaft Ufo für Streiks gestimmt. Eine Annäherung beider Seiten zeichnete sich zuletzt nicht ab, so dass ein Streik in der kommenden Woche wahrscheinlicher wurde.