Die Freie Universität steht unter Druck, seit ein jüdischer Student von einem propalästinensischen Kommilitonen verprügelt worden sein soll. Derweil gibt es erneut eine Pro-Palästina-Demo an der FU.
Wenige Tage nach dem Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin (FU) sind dort bei einer Kundgebung propalästinensische und proisraelische Demonstranten aufeinandergetroffen. Laut Polizei folgten rund 85 Menschen einem Aufruf zu der Demo vor der FU-Mensa unter dem Titel «Solidarität mit Palästina». Es habe etwa 20 Gegendemonstranten gegeben.
Im Verlauf beobachtete eine dpa-Reporterin eine zunehmend aufgeheizte Stimmung, es kam zu Wortgefechten zwischen Einzelpersonen. Vereinzelt ging die Polizei dazwischen. Körperliche Auseinandersetzungen blieben aus. Die Polizei meldete nach Abschluss der Demo, man habe vier Strafermittlungsverfahren wegen Beleidigung eingeleitet.
Vorfall am Wochenende
Am Wochenende war der 30 Jahre alte, jüdische FU-Student Lahav Shapira mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23 Jahre alter propalästinensischer, deutscher Kommilitone soll ihn im Ausgehviertel in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung, die Tat werde derzeit sowohl als antisemitisch eingestuft als auch im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt.
Nach der Gewalttat war die Leitung der Uni kritisiert worden, weil sie antisemitische Vorfälle und Ängste jüdischer Studenten nicht ernst genommen habe. Vom Studierendenverband RCDS kam eine Rücktrittsforderung. Uni-Präsident Günter Ziegler wies die Vorwürfe im «Tagesspiegel» jedoch zurück. «Die Darstellung mancher Medien, dass hier wochenlang ungehindert Antisemiten über den Campus laufen, beschreibt nicht die Wirklichkeit», sagte Ziegler der Zeitung. Antisemitische Vorfälle würden so schnell wie geahndet oder beendet.
Zu Forderungen, den mutmaßlichen Täter im Fall Shapira von der Uni zu werfen, sagte Ziegler: «Wir wollen mit der Politik darüber beraten, ob Exmatrikulationen in besonders extremen Fällen in Berlin ermöglicht werden sollten.» Wenn Straftäter eine Bedrohung für andere Studierende darstellen, sei es «eine wünschenswerte und notwendige Maßnahme, die Personen am Studieren zu hindern». Seine Meinungsbildung dazu sei aber noch nicht abgeschlossen.
Protest gegen Krieg und Uni-Leitungen
Die Uni hatte sich vorab von der Palästina-Demonstration distanziert, die bereits vor dem Angriff auf Shapira angemeldet worden war. Demonstranten standen anfangs ruhig vor der großen Mensa der FU in Dahlem und hielten Transparente und Schilder, etwa mit Aufschriften wie «Freiheit für Palästina!» und «Stoppt die Heuchelei!». Manche trugen Palästinensertücher, später gab es «Free Palestine»- und «FU shame on you»-Sprechchöre.
Ein 22-jähriger Student sagte, er sei extra von der Humboldt-Universität gekommen, um «gegen den Genozid» zu protestieren. Teilnehmer warfen den Uni-Leitungen vor, zu einseitig Position für Israel zu beziehen. Kritik an der israelischen Regierung werde mit dem Vorwurf des Antisemitismus unterdrückt. Teils war sachlicher, ruhiger Austausch zu beobachten. Das lautstarke Gebrüll von eigenen Demonstrierenden führe zu nichts, sagte der 21-jährige FU-Student Ahmed: «Du wirfst Hass rein und du kriegst Hass zurück.»