Bis zum Jahreswechsel will die Ampel eigentlich noch die Cannabis-Freigabe durchs Parlament bringen. Eine Expertenanhörung macht deutlich, wie kontrovers das Thema weiterhin ist.
Knapp zwei Monate vor der geplanten Cannabis-Freigabe in Deutschland machen Stellungnahmen von Fachleuten aus Polizei, Justiz, Suchthilfe und Medizin noch einmal deutlich, wie umstritten die Pläne weiterhin sind. An diesem Montag kommen Expertinnen und Experten bei einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Parlaments zu Wort. Ihre Stellungnahmen lagen vorab vor.
25 Gramm, drei Pflanzen und Anbau in Clubs erlaubt
Der Gesetzentwurf der Ampel sieht vor, Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Für Volljährige ab 18 Jahren soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Pflanzen angebaut werden dürfen. In Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.
Mächtige Verbände stemmen sich dagegen
Mächtige Verbände wie die Bundesärztekammer, der Deutsche Richterbund, die Gewerkschaft der Polizei und medizinische Fachgesellschaften stemmen sich weiterhin gegen das Gesetz. Der Richterbund äußert «erhebliche Bedenken» und rechnet wie auch Vertreter von Polizeigewerkschaften mit mehr Arbeit für Strafverfolgungsbehörden und Justiz, da die Vorgaben für die künftigen Cannabis-Clubs und zu Anbau und Abgabe der Droge auch überwacht und Verstöße geahndet werden müssen. Befürchtet wird auch, dass der Schwarzmarkt nicht kleiner, sondern größer wird, da Besitz und Erwerb von bis zu 25 Gramm Cannabis straffrei werden, egal ob es auf dem Schwarzmarkt oder legal erworben wurde.
Mediziner rechnen mit Zunahme des Konsums
Medizinerverbände warnen vor allem vor Gesundheitsgefahren. Die Bundesärztekammer sieht «eine relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen der jungen Generation in Deutschland». Sie rechnet mit einer Zunahme des Cannabiskonsums und damit zusammenhängenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Problemen. Verbände und Fachgesellschaften der Kinder- und Jugendmedizin und Kinder- und Jugendpsychiatrie warnen ebenfalls.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie hält die geplante Altersgrenze für den Zugang zu Cannabis mit 18 Jahren für zu niedrig, «da die Gehirnentwicklung in der Regel bis Mitte 20 noch nicht abgeschlossen ist». Bis dahin solle die Droge unter anderem wegen eines erhöhten Psychoserisikos nicht konsumiert werden, so der Verband.
Befürworter argumentieren mit Entkriminalisierung
Auf der anderen Seite stehen Befürworter des Vorhabens. «Eine Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum ist nicht mehr zu rechtfertigen», heißt es etwa von der «Neuen Richtervereinigung», einem reformorientierten Verband von Richtern und Staatsanwälten. Der Konsum sei trotz aller Verbotsbemühungen weit verbreitet. Der Deutsche Anwaltverein begrüßt die Cannabis-Freigabe «ausdrücklich», er sieht dadurch das Strafrecht entlastet. Vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Uni Hamburg heißt es, das Gesetz erkenne in erster Linie «gesellschaftliche Realitäten» an. 2021 habe etwa jeder zehnte im Alter von 18 bis 59 mindestens einmal im Jahr Cannabis konsumiert.
Der von der SPD eingeladene Sachverständige und Strafrechtsprofessor Mustafa Temmuz Oğlakcioğlu weist die Zweifel des Richterbundes bezüglich einer Entlastung der Behörden zurück. «Allein die schiere Anzahl von zuletzt über 180.000 (!) konsumbezogenen Cannabis-Verfahren pro Jahr bindet offenkundig erhebliche Ressourcen», schreibt er in seiner Stellungnahme.