Nachhaltigkeit ist voll im Trend - und damit auch ein gutes Verkaufsargument. Doch wie weit können sich Unternehmen vorwagen? Eine Upcycling-Marke versucht es jetzt fernab der Naturkosmetik-Ecke.
Kerne von Limetten und Aprikosen, Kaffeesatz und Reiskleie oder der Trester aus der Produktion von Himbeermarmelade: Was nach Rückständen, Überresten und Abfall klingt, nutzt das Bielefelder Start-up No Planet B, um daraus Shampoos, Conditioner oder feste und flüssige Duschprodukte zu machen.
Upcycling nennen sie das. Aus den Produktionsresten werden etwa Öle hergestellt, die für Duschgel und Co. gebraucht werden. «Wir müssen acht Milliarden Menschen ernähren. Da sollten wir nicht noch für Kosmetik anbauen», sagt Sebastian Wölke, der die Marke vor ein paar Jahren mit seiner Frau Jessie gegründet hat. «Kosmetik ist Luxus.»
Ziel des Paares ist es, Ausrangiertes zu wertvollen Inhaltsstoffen zu machen. Kosmetika herzustellen, die mit der Konkurrenz mithalten können, ohne dass Nutzerinnen und Nutzer Kompromisse machen müssen. Und die Produkte möglichst erschwinglich an die Kundschaft zu bringen. Dabei hilft die Karlsruher Drogeriemarktkette dm, die die Produkte ab Montag in den Filialen und im Onlineshop anbieten will. Die bei dm für Produktmanagement und Nachhaltigkeit zuständige Geschäftsführerin Kerstin Erbe erklärte, No Planet B sei die einzige dm-Marke, die sich dem Upcycling-Konzept vollständig verschrieben habe.
Voll im Trend oder gewagtes Manöver?
Mit ihrem Ansatz - es gibt keine zweite Erde, keinen Planeten B - treffen die Wölkes einerseits den Zeitgeist. Das belegt auch die jüngste Studie des Umweltbundesamts zum Umweltbewusstsein. Umwelt- und Klimaschutz ist trotz Krieg, Krisen und Inflation demnach vor allem für jüngere Menschen und solche ab 65 Jahren ein wichtiges Thema.
Andererseits könnte man sagen, dass sich Unternehmen auf dünnem Eis bewegen, wenn sie mit Nachhaltigkeitsargumenten werben. Gerade dm kann ein Lied davon singen, hatte der Konzern erst vergangenes Jahr einen Rechtsstreit mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) über die Begriffe «klimaneutral» und «umweltneutral» für Eigenmarken verloren. Für das Wort «umweltneutral» ist dm am Bundesgerichtshof in Berufung gegangen. Dort wird schon im April zum Fall des Süßwarenherstellers Katjes über das Label «klimaneutral» verhandelt - denn anders als bei dm hatte das Gericht in der Vorinstanz hier die Verwendung erlaubt.
In den vergangenen Jahren seien vermehrt derartige Begriffe - von «biobasiert» bis «recycelbar» - auf Produkte gedruckt worden, sagt Professor Mario Schmidt, der an der Hochschule Pforzheim zu ökologischer Unternehmensführung lehrt. Zudem sitzt er in der Jury Umweltzeichen (Blauer Engel). «Oft sind die Aussagen vage und irreführend», sagt Schmidt. Es handle sich häufig um sehr allgemeine Behauptungen, die nicht nachgeprüft würden.
Greenwashing nennt man es, wenn Produkte umweltfreundlicher dargestellt werden als sie sind. Solche Vorwürfe können Unternehmen erheblich schaden, wie Gunter Lescher von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC betont - von der Reputation bis zu hohen Geldbußen oder strafrechtlichen Sanktionen. Auch beim Marketing sollten Firmen das im Blick haben.