"Dieser Konflikt macht uns alle ärmer": Phänomen der Stagflation könnte Preisschock auslösen
Autor: Redaktion
Berlin, Donnerstag, 31. März 2022
Der Ukraine-Krieg führt dazu, dass die Energiepreise auch in Deutschland rasant ansteigen und die Wirtschaft stark unter Druck gerät. Das werde auch ganz konkrete Auswirkungen auf den Energieverbrauch der Kunden haben, sagen die "Wirtschaftsweisen".
Wie stark werden die Deutschen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges tatsächlich zu spüren bekommen? Die "Wirtschaftsweise" Monika Schnitzer geht davon aus, dass der russische Angriffskrieg noch länger massive wirtschaftliche Folgen haben wird: "Dieser Konflikt macht uns alle ärmer", betonte Schnitzer in einem Interview, das müsse man "ehrlicherweise sagen".
Schnitzer ist Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage. Aus ihrer Sicht sei es gut möglich, dass die Inflation - aktuell liegt sie bei 7,3 Prozent - noch steigen wird. Das hänge neben der Corona-Lage vor allem von der weiteren Entwicklung des Ukraine-Krieges ab, erklärte Schnitzer im BR24-Format "Thema des Tages".
Importstopp aus Russland würde Lage drastisch verschlimmern
Sie verwies auch darauf, dass Deutschland rund die Hälfte seiner Gaslieferungen aus Russland bezieht, außerdem rund die Hälfte seiner Kohle und etwa ein Viertel seines Öls: "Wir müssen einfach sagen, wir sind abhängig." Sollte Moskau den Gashahn zudrehen oder ein Embargo vonseiten des Westens kommen, würde das die Preise weiter nach oben schrauben: "Dann wird es nochmal deutlich schlimmer", warnte Schnitzer.
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Auch eine Stagflation hält sie für eine reale Gefahr. Darunter versteht man eine Lage, in der zwar die Wirtschaftsleistung stagniert, gleichzeitig aber die Preise nach oben gehen. "Man muss an der Stelle sagen, die Unternehmen werden durch den Kostendruck sehr in Schwierigkeiten kommen." Schnitzer unterstrich, Deutschland müsse alles tun, um so schnell wie möglich unabhängig von Russland zu werden.
Das werde aber kurzfristig nicht gelingen. Außerdem appellierte sie an die Verbraucher, Energie zu sparen - etwa, indem sie seltener Auto fahren oder die Heizung niedriger stellen. Bedürftige müssen nach ihren Worten gezielt unterstützt werden, damit sie sich die hohen Energiekosten noch leisten können.
Höchste Inflation seit Jahrzehnten steht Deutschland bevor
2022 droht Verbraucherinnen und Verbrauchern die höchste Inflation seit der Wiedervereinigung. Die "Wirtschaftsweisen" warnten daher: "Die große Abhängigkeit von russischen Energielieferungen birgt das erhebliche Risiko einer geringeren Wirtschaftsleistung und höherer Inflation." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzte am Mittwoch (30. März) die erste von drei Krisenstufen des Notfallplans Gas in Kraft.
Der Sachverständigenrat rechnet für das Gesamtjahr 2022 mit 6,1 Prozent Inflation in Deutschland. "Die Inflationswerte der kommenden Monate werden noch sehr starke Nerven erfordern", prognostizierte Friedrich Heinemann vom ZEW-Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. "Die Botschaft muss lauten: Ein Kaufkraftverlust ist ökonomisch unvermeidbar."