Conti-Chef Karl-Thomas Neumann droht nach weniger als einem Jahr an der Konzernspitze das Aus. In einer dramatischen Marathonsitzung des Aufsichtsrats hat er den Machtkampf mit Großaktionär Schaeffler offensichtlich verloren.
Nur der Widerstand der Arbeitnehmerseite verhinderte seine Absetzung. Grünes Licht gab der Aufsichtsrat aber für die von Neumann vorgeschlagene Kapitalerhöhung für den finanziell angeschlagenen Autzulieferer Conti von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Conti ist vom Übernahmekampf des vergangenen Jahres mit Schaeffler gebeutelt, hoch verschuldet und von der Autokrise schwer getroffen.
Als Nachfolger von Neumann werden in Aufsichtsratskreisen dem Schaeffler-Manager Elmar Degenhart die besten Chancen eingeräumt. Der Name sei bei der nächtlichen Sitzung bereits genannt worden. Der studierte Luft- und Raumfahrttechniker leitet bei Schaeffler die Autosparte.
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich nach einem Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ in den Machtkampf bei Conti eingeschaltet. Er habe die Vertreter der Schaeffler-Gruppe zur Einhaltung der Investorenvereinbarung gemahnt, die der Großaktionär im August 2008 mit Conti geschlossen hatte, schreibt das Blatt (Samstag). Der Ex-Kanzler ist in der Vereinbarung als Garant zur Wahrung der Interessen von Continental, ihrer Aktionäre und Arbeitnehmer genannt.
Conti teilte am Freitag in Hannover lediglich mit, in der Sitzung des Aufsichtsrates sei „über die einvernehmliche Aufhebung der Bestellung des Vorstandsvorsitzenden der Continental AG, Dr. Karl-Thomas Neumann“ abgestimmt worden. Dabei sei die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande gekommen. Auch ein Vermittlungsversuch sei zu keinem Ergebnis gekommen. Für den 12. August sei eine weitere Aufsichtsratssitzung einberufen, in der eine Entscheidung erwartet werde. Bei der zweiten Abstimmung ist nur noch eine einfache Mehrheit erforderlich. Der Conti-Chef selbst hatte nach der Sitzung von „ungewöhnlichen und sehr enttäuschenden Entwicklungen“ gesprochen. Diese machten es ihm „sehr schwer“, auf Dauer vertrauensvoll mit Schaeffler zusammenzuarbeiten. Der stellvertretende Conti-Aufsichtsratschef Werner Bischoff von der Gewerkschft IG BCE erklärte danach, das Vertrauensverhältnis zwischen Neumann und Schaeffler sei „stark in Mitleidenschaft“ gezogen worden. Er gehe davon aus, dass Neumann innerhalb der nächsten 14 Tage abberufen werde. Er zeigte sich enttäuscht: „Ein guter Mann geht von Bord.“
Der Schaeffler-Konzern lehnte eine Stellungnahme zum Gerangel um die Conti-Spitze ab. „Wir wollen die zahlreichen Spekulationen und Gerüchte rund um die Aufsichtsratssitzung bei der Continental AG nicht kommentieren“, sagte Schaeffler-Sprecher Detlef Sieverdingbeck. Die Vertreter der Schaeffler-Gruppe im Conti-Aufsichtsrat hielten sich an die Verschwiegenheitsverpflichtung der Aufsichtsräte. Eine Meldung der dpa von Freitagvormittag, Conti-Aufsichtratschef Rolf Koerfer solle Nachfolger von Neumann werden, beruhte auf einer Namensverwechslung bei der Übermittlung innerhalb der Redaktion und wurde mittags korrigiert.
Die Landesregierung in Niedersachsen stellte sich auf die Seite von Neumann. Sie sei davon überzeugt, dass Neumann und die von ihm vorgelegten Konzepte am besten geeignet seien, die Zukunft der Conti- Schaeffler-Gruppe und deren Beschäftigten langfristig zu sichern, erklärte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Im Ringen um die Zukunft der Autozulieferer hatte sich im Mai Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff auch offen für eine staatliche Bürgschaft gezeigt. Entscheidend sei aber, dass es sich um ein zukunftsfähiges, tragfähiges Konzept handle. Die IG Metall kritisierte den Umgang mit dem Conti-Chef heftig. „Es ist ein grober Fehler, dass die Familie Schaeffler und die Kapitalseite versuchen, Herrn Neumann als Vorstandsvorsitzenden abzusetzen“, sagte IG Metall-Bezirkschef Hartmut Meine der dpa in Hannover. „Neumann ist einer der besten Automobilmanager in Deutschland.“ Die Arbeitnehmervertreter hätten vollstes Vertrauen zu ihm.
Der Conti-Chef konnte sich aber mit seinem umstrittenen Plan einer Kapitalerhöhung durchsetzen, um dem klammen Autozulieferer Luft zu verschaffen. Parallel strebe Conti Refinanzierungsverhandlungen mit den Banken an. Im August 2010 wird ein Kredit von 3,5 Milliarden Euro fällig. Conti ist auch wegen der Übernahme der früheren Siemenstochter VDO hoch verschuldet und schwer von der Krise in der Autoindustrie getroffen worden. Schaeffler hatte eine Kapitalerhöhung zunächst skeptisch gesehen, weil dies den Anteil des fränkischen Familienunternehmens an Conti verwässern könnte.
Großaktionär Schaeffler hat vier Vertreter im Conti-Aufsichtsrat, darunter Eigentümerin Maria-Elisabeth Schaeffler und Geschäftsführer Jürgen Geißinger. Dazu kommt Schaeffler-Berater Rolf Koerfer als Aufsichtsratschef. Conti und Schaeffler verhandeln seit Monaten über die Zukunft der beiden hoch verschuldeten Konzerne. Schaeffler hält knapp die Hälfte der Conti-Aktien, weitere 40 Prozent sind bei Banken des Erwerbs der Mehrheit an Conti in eine finanzielle Schieflage geraten. Conti und Schaeffler drückt eine Schuldenlast von jeweils mehr als zehn Milliarden Euro. dpa