Calderón-Spiele in Bamberg: Premiere im Regen

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Stefan Hartmann spielt den "Diener zweier Herren", Truffaldino. Foto: Martin Kaufhold
Stefan Hartmann spielt den "Diener zweier Herren", Truffaldino. Foto: Martin Kaufhold
 
Bertram Maxim Gärtner als Silvio
Bertram Maxim Gärtner als Silvio
 
 
Anna Döing als Clarice
Anna Döing als Clarice
 

Unter erschwerten Bedingungen startete die Komödie "Diener zweier Herren" von Carlo Goldoni.

Das war keine leichte Premiere am Samstagabend, für beide Seiten nicht, nicht für die Schauspieler, nicht fürs Publikum. Pünktlich um 20 Uhr, als die ersten Zuschauer bereits vorgenässte Plastiksitze in der Alten Hofhaltung trockenwischten, setzte Regen ein, so ein feiner, ekelhafter. Die Salzburger sagen Schnürlregen dazu, zum Abbruch zu wenig, zum unbeschwerten Spielen zu viel.

Umso bewundernswürdiger, dass alle durchhielten. Die Schauspieler auf der glitschigen Bühne in durchnässten Kostümen, das Publikum in Regenjacken und unter Plastikplanen. Auch nach der Pause kehrten die allermeisten wieder zurück auf die kühlen Plätze. Und das hatte sich gelohnt, denn so richtig Effet gewinnt Carlo Goldonis Komödie aus der Mitte des 18. Jahrhunderts erst in der zweiten Hälfte. Es ist dieser "Diener zweier Herren" ja recht eigentlich ein Vorläufer des Boulevardtheaters, das erst 100 Jahre später in Frankreich Fahrt aufnahm. Alle Ingredienzien des Genres sind in dieser oft als Musterbeispiel der Commedia dell'Arte gehandelten viel gespielten Komödie vorhanden: Verwechslungen von Briefen, karikierte Sozialcharaktere, umherhastende Figuren, Lautstärke, Geschwindigkeit, Burleske und schließlich Happy End.

All diesem wird der Bamberger "Diener" in der Inszenierung der Volkstheater-Spezialistin Susi Weber gerecht. Sie tut das einzig Richtige: Sie setzt auf Tempo. Die turbulente Geschichte um den bauernschlauen Truffaldino "aus Bergamo", der sich doppelt verdingt, um doppelten Lohn einzustreichen, lebt von der Rasanz, der Lautstärke, der Situationskomik. Natürlich waltet im Subtext eine Art Sozialkritik, denn es geht auch im Venedig des 18. Jahrhunderts ums Geld, um Heiratspolitik, um die Überformung der Erotik durch die Ökonomie.

Doch das steht nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht zunächst Truffaldino (Stefan Hartmann), stets hungrig, gewitzt ohne jede Bildung. Nun ist die Gefräßigkeit des Bedienten in einer Zeit, in der mindestens die Hälfte der Bevölkerung dem Diätenwahn verfallen ist, allenfalls metaphorisch zu verstehen, so wie der Degen als Konfliktlösungsinstrument heißblütiger junger Männer ebenfalls ziemlich aus der Mode gekommen ist. Regisseurin und Dramaturg (Olivier Garofalo) verzichten auf grelle Modernisierungen - nur die Kostüme (Ausstattung Luis Graninger) verweisen auf ein poppig buntes, bonbonfarbenes Italien der 1960er Jahre. Graninger hat auch eine Bühne mit dem Bamberger Dom im Hintergrund gebastelt, die mit Campanile, dem Markusdom, einem Masken-Verkaufsstand Venedig-Flair atmet. Und schön symmetrisch gebaut ist, damit die Familien Pantalone (in seiner vermutlich letzten Bamberger Rolle Volker Ringe) und Lombardi (Eckhart Neuberg) als Antagonisten auch deutlich herausgearbeitet werden.

Das Ensemble gab auch unter verschärften Bedingungen alles, vom tumb-schlauen Truffaldino über die beiden erwähnten Alten, Beatrice (Ronja Losert) in einer Hosenrolle, einer schrillen Clarice (Anna Döing) im 50er-Jahre-Tupfenkleid, die besonders gefiel, einem schön selbstbewusst agierenden Vollweib Brighella (Iris Hochberger), einem Silvio (von Bertram Maxim Gärtner zu überspannt gegeben) bis zu einem etwas blass bleibenden Florindo (Pascal Riedel, der aussieht wie Hape Kerkelings Horst Schlämmer) und der Zofe Smeraldina (Pina Kühr).

Höhepunkt des Spektakels ist die Szene, als Truffaldino seinen beiden Herren alternierend Speisen servieren muss und dabei selber kräftig nascht. Das ist Situationskomik, von der die Inszenierung allerdings - mit Absicht - nicht strotzt. Goldonis Stück ist eine Blaupause für viele, viele Epigonen, und manches wirkt halt arg abgearbeitet. Wehmütig auch denkt man an Zeiten, als zu den Calderón-Spielen Pferdefuhrwerke in der Alten Hofhaltung fuhren oder ein Drache Feuer spie. Heute ist alles wie drinnen, nur dass man nass werden kann. Dennoch bleiben zwei Stunden Unterhaltung, die auch mit kräftigem Premierenapplaus belohnt wurden. Immerhin gab der Regen findigen Schauspielern die Gelegenheit, übers Nasswerden zu extemporieren.

Termine und Karten

Weitere Vorstellungen
5., 11.-15., 18., 20.-22. 7. Die Vorstellung am 16. 7. ist exklusiv für Abonnenten der MGO-Zeitungen reserviert. Karten Tel. 0951/87303, E-Mail kasse@theater.bamberg.de sowie in allen MGO-Geschäftsstellen. Dauer ca. 110 Min., eine Pause, Catering