Druckartikel: Bundeswahlleiterin widerspricht Söder-Forderung zu Neuwahlen - "hohe Gefahr"
Bundeswahlleiterin widerspricht Söder-Forderung zu Neuwahlen - "hohe Gefahr"
Autor: Julia Gebhardt, Alexander Milesevic, Agentur dpa, Nadine Wüste, Robert Wagner, Strahinja Bućan, Daniel Krüger
Berlin, Samstag, 09. November 2024
Markus Söder (CSU) und Friedrich Merz (CDU) pochen auf möglichst schnelle Neuwahlen. Doch diese Forderung kommt bei den Organisatoren der Wahlen gar nicht gut an.
Update vom 09.11.2024: Scholz gibt sich zu Neuwahltermin verhandlungsbereit - doch Bundeswahlleiterin warnt
Immer wieder hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in den vergangenen Tagen schnelle Neuwahlen gefordert. Einer Umfrage zufolge unterstützt dies auch eine Mehrheit der Bevölkerung. "Donald Trump hat die US-Wahlen überzeugend gewonnen. Das wird uns wirtschaftlich herausfordern.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass unser Land schnell wieder eine stabile Regierung bekommt. Es ist wichtig, dass es nun schnell zu Neuwahlen kommt und die Wählerinnen und Wähler entscheiden", schrieb Söder am Freitag (8. November 2024) nach einem Kino-Auftritt in Fürth in den sozialen Medien.
Man wolle nicht das "Leben von Kanzler Scholz verlängern", hatte Söder zuvor bei Maischberger geäußert. Die CSU sei "echt in Sorge um die Demokratie", ließ er verlauten. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich entgegen seines ersten Vorschlags am Freitag in Brüssel überraschend gesprächsbereit über den Zeitpunkt einer Vertrauensfrage und der folgenden Neuwahl gezeigt.
"Grundpfeiler der Demokratie verletzt": Organisatorin widerspricht CSU-Argumenten
"Über den Termin sollten wir möglichst unaufgeregt diskutieren", betonte Scholz mit Blick auf die angestrebte Neuwahl. Der Wahltermin sei kein rein politisch festzusetzendes Datum. Er müsse auch den Anforderungen der Bundeswahlleiterin genügen, um eine ausreichende Zeit für die Organisation einer fairen und demokratischen Wahl zu berücksichtigen.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand selbst warnt vor früheren Neuwahlen - und widerspricht damit den Forderungen von Söder und Merz deutlich. Aus organisatorischen Gründen sei eine Neuwahl im Januar oder Februar riskant, schrieb sie in einem Brief an den Kanzler, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuerst hatte der Spiegel über das Schreiben berichtet.
"Insgesamt sehe ich in diesem Fall eine hohe Gefahr, dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden könnte", warnte die Wahlleiterin. Für eine ordnungsgemäße Wahl müsse der Zeitraum von 60 Tagen ab Auflösung des Bundestags voll ausgeschöpft werden.
Update vom 08.11.2024, 6.15: Merz macht Druck auf Scholz - Bürger wollen frühere Neuwahlen
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) rechnet bis zu einer Neuwahl nicht mit größeren politischen Beschlüssen. "Wir werden mit der Regierung keine Reformen mehr hinbekommen. Wir werden mit dieser Regierung keinen Aufschwung mehr hinbekommen, sondern wir werden allenfalls ein paar Restbestände noch weggeräumt bekommen", sagte der Kanzlerkandidat der Union in einem ARD-"Brennpunkt".
Merz wiederholte, vor einer Vertrauensfrage werde die Union mit der Minderheitsregierung von Olaf Scholz (SPD) nicht über mögliche gemeinsame Beschlüsse sprechen. "Wir werden uns hier vom Bundeskanzler nicht vorführen lassen. Wir lassen uns auch nicht für das Versagen dieser Regierung in die Mitverantwortung nehmen."
Merz fordert rasche Vertrauensfrage - Umfrage deutet auf klaren Wahlausgang hin
Selbst im Bundestag ein konstruktives Misstrauensvotum anzustoßen und sich selbst zum Kanzler wählen zu lassen, sei für ihn "zurzeit keine Option", sagte Merz. "Ich sehe nicht, dass die Grünen sich bereiterklären könnten, einen solchen Weg zu gehen." Die persönliche Abrechnung von Scholz mit Lindner bezeichnete Merz als "unwürdig". "Das wäre nicht mein Stil", sagte er. "Und das gibt einen kleinen Vorgeschmack auf das, was wir von der SPD und von Olaf Scholz auch im Bundestagswahlkampf erwarten dürfen."
Deutschlands Bürger haben indes eine klare Meinung zu der Frage. Bei einer Umfrage von Infratest-Dimap für den ARD-Deutschlandtrend sprachen sich am Donnerstag 65 Prozent für eine möglichst schnelle Neuwahl des Bundestags aus. Auch der Ausgang der Wahlen wäre eindeutig - wobei eine der Ampelparteien ordentlich um einen Wiedereinzug in den Bundestag zittern müsste.
Update vom 07.11.2024, 14.20: Nach Ausstieg aus der FDP - Wissing bekommt weiteres Ministerium
Verkehrsminister Volker Wissing wird in der Minderheitsregierung von Kanzler Olaf Scholz nach dem Ampel-Aus auch das Justizressort übernehmen und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) das Bildungsministerium. Sie springen für Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) ein, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Zuvor hatte der Stern berichtet.
Damit ist die rot-grüne Minderheitsregierung komplett. Zuvor war bereits bekanntgeworden, dass der bisherige Wirtschaftsberater von Scholz (SPD), Jörg Kukies, Nachfolger des entlassenen Finanzministers Christian Lindner (FDP) wird.
Der Sozialdemokrat Kukies ist derzeit Staatssekretär im Kanzleramt und gilt als einer der wichtigsten Berater von Kanzler Scholz. Er ist sein Mann für Wirtschaft und Finanzen und verhandelt für ihn die Abschlussdokumente der G7- und G20-Gipfel.
Scholz hatte am Mittwoch nach einem beispiellosen Zerwürfnis Lindner entlassen, der in diesen Minuten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue seine Entlassungsurkunde erhalten soll. Kukies erhält dann seine Ernennungsurkunde. Scholz, der Lindner mehrfachen Vertrauensbruch und Kleinkariertheit vorgeworfen hat, wird wohl dabei sein - jedenfalls ist das so üblich.
Von den bisherigen vier FDP-Ministern hatte nur Wissing erklärt, trotz des Bruchs der Ampel-Koalition bis zur geplanten Neuwahl im Amt bleiben zu wollen. Er tritt aber aus der FDP aus.
Update vom 07.11.2024, 14.10 Uhr: Habeck hofft auf Zusammenarbeit mit CDU und CSU
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) würde nach dem Scheitern der Ampel eine Zusammenarbeit mit der Union bei Vorhaben von SPD und Grünen begrüßen. "Ich würde mich darüber freuen und bin natürlich jederzeit bereit, dazu den Weg zu suchen", sagte Habeck in Berlin. "Ob es gelingt, punktuell, wo es Interessenüberschneidungen mit der Union und Grünen und SPD gibt, zu Einigungen zu kommen, bleibt abzuwarten. Ich würde das begrüßen." Mit Blick auf die Union sagte Habeck, er glaube nicht, dass ihr das im Wahlkampf schaden würde. Es gehe darum, konkrete Probleme zu lösen.
Habeck nannte die Sicherheitslage in Deutschland. Verschiedene Gesetze würden es erleichtern, Cyberangriffe oder Sabotagen zu erschweren. Er könne nicht sehen, dass es dort ein großes parteipolitisch unterschiedlich gelagertes Interesse gebe.
SPD und Grüne haben nach dem Ende der Ampel mit der FDP keine Mehrheit mehr im Bundestag. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte gesagt, er wolle in den verbleibenden Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die aus seiner Sicht "keinerlei Aufschub" duldeten. Scholz nannte etwa steuerliche Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Hilfen für die Industrie.
Habeck: Lösung wäre möglich gewesen
Der Minister sagte erneut, der Bruch der Ampel sei vermeidbar gewesen. Es habe verschiedene Optionen gegebenen, Lücken im Haushalt zu schließen, ohne eine Notlage bei der Schuldenbremse auszurufen. Man solle nun aber nicht zu lange und zu tief und zu viel zurückschauen. "Für die Bürgerinnen und Bürger möchte ich sagen, dass wir keine geschäftsführende Regierung sind. Wir sind im Amt. Wir können Entscheidungen treffen, und wir werden weiter Entscheidungen treffen."
Habeck hatte mit Blick auf die Lage in der Ukraine, den Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl und die schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland vor einem Ampel-Scheitern gewarnt.
Update vom 07.11.2024, 10.45 Uhr: Wissing tritt aus FDP aus
Einer der letzten großen Ampel-Fans in der FDP zieht nach dem Koalitionsbruch Konsequenzen: Bundesverkehrsminister Volker Wissing will bis zur geplanten Neuwahl im Amt bleiben und tritt aus der FDP aus. Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe ihn gefragt, ob er bereit sei, das Amt unter den neuen Bedingungen fortzuführen, sagte Wissing in Berlin. Er habe darüber nachgedacht und dies Scholz gegenüber bejaht.
Wissing hatte zuletzt im Gegensatz zu vielen Parteifreunden für einen Verbleib der FDP in der Ampel-Koalition geworben. Er will der Regierung nun als Parteiloser angehören, wie er weiter mitteilte. "Ich möchte keine Belastung für meine Partei sein." Daher habe er Parteichef Christian Lindner seinen Austritt aus der FDP mitgeteilt. "Ich distanziere mich damit nicht von den Grundwerten meiner Partei und möchte nicht in eine andere Partei eintreten." Dies sei eine persönliche Entscheidung, die seiner Vorstellung von Verantwortung gerecht werde. "Ich möchte mir selbst treu bleiben."
Wissing wollte FDP-Verbleib
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte am Vorabend noch angekündigt, alle Minister seiner Partei wollten ihren Rücktritt geschlossen beim Bundespräsidenten einreichen. Die Ampel war am Mittwoch zerbrochen. Nach einem erbitterten Richtungsstreit vor allem über den künftigen Kurs in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik kündigte Kanzler Olaf Scholz (SPD) an, Finanzminister Lindner aus dem Kabinett zu schmeißen. Die Wählerinnen und Wähler können sich nun voraussichtlich im März auf Neuwahlen einstellen.
Der Minister sprach von schwierigen Zeiten. Er sei der Auffassung, dass die Regierung mehr Chancen gehabt hätte, wenn sie gemeinsam stärker zusammengearbeitet hätte. Um erfolgreich zu sein, müsse es Kompromissbereitschaft geben.
In der Ampel hat es wiederholt öffentliche Streitigkeiten gegeben. Beim Koalitionsausschuss gipfelte der Streit in der Frage, ob die Schuldenbremse ausgesetzt werden soll, vor allem für Hilfen für die Ukraine. Scholz wollte dies, Lindner lehnte ab. Wiederholt hatte der frühere FDP-Generalsekretär auf den Erfolg der Ampel in Rheinland-Pfalz verwiesen.
Minister will Bahn-Sanierung vorantreiben
Der Verkehrsminister, der auch für Digitales zuständig ist, hatte sich Anfang November in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für einen Verbleib der Liberalen in der Koalition ausgesprochen. Am selben Tag war ein Lindner-Papier bekanntgeworden, in dem er eine grundlegende Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik forderte - was den schon lange schwelenden Koalitionsstreit weiter anfeuerte.
Wissing nannte als eine wichtige Aufgabe als Minister bis zu Neuwahlen die sogenannte Korridorsanierung bei der Bahn. Bis 2030 sollen besonders belastete Strecken grundlegend saniert werden - Mitte Juli hatte die Sanierung der ersten Strecke begonnen, die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Sie wird dafür bis Mitte Dezember komplett gesperrt. Ziel der Sanierungen ist es, dass die Bahn pünktlicher wird.
Der Minister hatte im September gesagt, er habe die Bahn zu seinem Amtsantritt 2021 in einem schwierigen Zustand vorgefunden, die Infrastruktur sei desolat gewesen. Der Bund habe der Bahn zusätzliche Milliarden zur Verfügung gestellt, gesetzliche Reformen zur Finanzierung des Schienennetzes umgesetzt. Es sei außerdem eine neue Infrastruktursparte gegründet worden.
Deutschlandticket und Kritik von der Union
In die Amtszeit Wissings fällt auch die Einführung des Deutschlandtickets im Nahverkehr. Das Ticket soll vom kommenden Jahr an 58 Euro pro Monat kosten und damit 9 Euro mehr als bisher, wie die zuständigen Verkehrsminister der Länder entschieden hatte. Die Länder fordern vom Bund seit langem generell mehr Geld für den Nah- und Regionalverkehr.
Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange sagte der dpa: "Wissing muss weg." Wissing habe bisher in seinem Bereich nichts auf die Beine gestellt, nur eine Bilanz des Scheiterns. "Die Bahn ist seit Jahren im Chaos, die Digitalisierung hängt, Automobilindustrie und Luftverkehr kehren Deutschland den Rücken. Es ist eine bodenlose Frechheit, dass Wissing in dieser Lage Minister bleiben will. Mal abgesehen von seinem Versagen als Verkehrsminister ist es auch ein charakterloser Loyalitätsbruch gegenüber seiner ihn tragenden FDP."
Ähnlich sehen das scheinbar auch seine drei Staatssekretäre Daniela Kluckert, Oliver Luksic und Gero Hocker: Sie wollen nicht Teil der Bundesregierung bleiben. Wie Kluckert auf der Plattform X mitteilte, baten die drei FDP-Politiker den Minister, ihre Entlassung beim Bundespräsidenten zu veranlassen. "Wir haben nach seiner einsamen Entscheidung kein Vertrauen mehr in Volker Wissing", schrieb Kluckert dazu auf X. Auch Luksic kritisierte Wissings Schritt. Der "Rheinischen Post" sagte er: "Verantwortung heißt für mich, sich nicht an ein Amt zu klammern, der Souverän muss jetzt schnell entscheiden."
Wissing erklärt sich: Der Verkehrsminster im Wortlaut
Seinen Schritt erklärte Wissing selbst wie folgt: "Ich habe vergangene Woche meine Position zur Verantwortung in einer Regierungskoalition in einem Beitrag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" öffentlich gemacht, damit alle meine Position in dieser wichtigen Frage kennen. Parteiintern war meine Haltung allen seit langem bekannt. Nach dem gestrigen Koalitionsausschuss hat Herr Bundeskanzler mich in einem persönlichen Gespräch gefragt, ob ich bereit sei, das Amt des Bundesministers für Digitales und Verkehr unter den neuen Bedingungen fortzuführen. Ich habe darüber nachgedacht und dies gegenüber Herrn Bundeskanzler Scholz bejaht.
Ich möchte mit dieser Entscheidung keine Belastung für meine Partei sein und habe deshalb heute Herrn Christian Lindner meinen Austritt aus der FDP mitgeteilt. Ich distanziere mich damit nicht von den Grundwerten meiner Partei und möchte auch nicht in eine andere Partei eintreten. Die Entscheidung ist eine persönliche Entscheidung von mir, die meiner Vorstellung von Übernahme von Verantwortung entspricht. Ich möchte mir selbst treu bleiben."
Update vom 07.11.2024, 9.00 Uhr: Kukies wird neuer Finanzminister
Der derzeitige Wirtschaftsberater des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), Jörg Kukies, wird die Nachfolge des entlassenen Finanzministers Christian Lindner (FDP) antreten. Diese Information wurde der Deutschen Presse-Agentur aus Regierungskreisen zugetragen. Zuvor hatten ARD und "Bild" darüber berichtet.
Jörg Kukies, Sozialdemokrat und momentan Staatssekretär im Kanzleramt, gilt als einer der bedeutendsten Berater von Kanzler Scholz. Er ist verantwortlich für wirtschaftliche und finanzielle Angelegenheiten und übernimmt die Verhandlungen über die Abschlussdokumente der G7- und G20-Gipfel für Scholz.
Nach einem beispiellosen Zerwürfnis entließ Scholz am Mittwoch Lindner (FDP), der heute um 14.00 Uhr von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue seine Entlassungsurkunde in Empfang nehmen wird. Zugleich wird Kukies seine Ernennungsurkunde überreicht bekommen. Scholz, der Lindner mehrfachen Vertrauensbruch und Kleinkariertheit vorgeworfen hat, wird voraussichtlich anwesend sein - jedenfalls ist dies üblich.
Trotz des Bruchs der Ampel-Koalition hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing von den bisherigen vier FDP-Ministern die Absicht, bis zur geplanten Neuwahl im Amt zu bleiben, obwohl er aus der FDP austreten wird. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur werden die Positionen von Justizminister Marco Buschmann und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger wahrscheinlich von Ministern übernommen, die bereits im Kabinett vertreten sind.
Update vom 07.11.2024, 6.15 Uhr: Nach Ampel-Aus - was Scholz noch durchboxen will
Die Ampelkoalition ist Geschichte, jedoch plant Kanzler Olaf Scholz, bedeutende Vorhaben weiterhin durch das Parlament zu bringen. In den verbleibenden Sitzungswochen des Bundestages bis Weihnachten wolle er alle Gesetzesentwürfe zur Abstimmung bringen, die laut seiner Ansicht "keinerlei Aufschub" dulden, erklärte der SPD-Politiker nach dem Zerbrechen der Koalition.
Der Kanzler benannte konkrete Pläne, steht jedoch im Bundestag ohne Mehrheit, da die FDP nicht mehr an seiner Seite ist. Der 20. Dezember ist angesetzt als letzter regulärer Sitzungstag des Parlaments in diesem Jahr. Neuwahlen könnten dann im März folgen. Zuvor möchte Scholz folgende Themen abschließen:
Steuerliche Entlastungen: Scholz strebt an, dass die Auswirkungen der Inflation auf die Einkommensteuer abgemildert werden – ein Vorhaben, das ursprünglich der nun ehemalige Finanzminister Christian Lindner vorangetrieben hatte. "Damit alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 1. Januar mehr Netto vom Brutto haben", betonte der Kanzler seinen Wunsch, die bestehende Kaltprogression zu beseitigen.
Die Kaltprogression beschreibt eine Situation, bei der Bürger durch steigende Steuertarife mehr an den Staat abgeben müssen, obwohl ihre Gehaltsanpassungen nur die Inflation ausgleichen. Lindner plante, den Grundfreibetrag und weitere Eckwerte des Steuertarifs so zu anpassen, dass höhere Steuersätze später greifen. Die Grenze der Reichensteuer, die über dem Spitzensteuersatz liegt, sollte unverändert bleiben, um die sehr wohlhabenden Bürger weniger zu entlasten. Der FDP-Vorsitzende warf den Grünen vor, diese Pläne zu blockieren.
Rentenpaket: Für die SPD ist dies wohl der bedeutsamste Punkt: die Sicherung der gesetzlichen Rente. Ende September befasste sich der Bundestag in erster Lesung mit dem seit langem geplanten Rentenpaket 2. Es zielt darauf ab, ein stabiles Rentenniveau zu sichern, wobei die Renten im Einklang mit der Lohnentwicklung angepasst werden sollen. Aufgrund der alternden Bevölkerung nimmt dies jedoch an Kosten zu, was jüngeren Generationen höhere Beiträge abverlangen könnte. Diese absehbaren Beitragserhöhungen sollen durch Investitionen am Aktienmarkt und die daraus erzielten Renditen kompensiert werden. Die Reform ist mit dem Ampel-Aus auch gescheitert.
Asylpolitik: Ein weiteres Vorhaben des Kanzlers ist die zügige Umsetzung der Reformen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Deutschland wolle diese schnell umsetzen. Noch am Mittwochvormittag hatte die Koalition dazu zwei Gesetzesänderungen verabschiedet. Diese Reform sieht unter anderem eine verpflichtende Identitätsprüfung bei Ankommenden vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von weniger als 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen.
Hilfen für die Industrie: Die deutsche Wirtschaft steckt aktuell in einer Schwächephase, wobei es besonders der Industrie schlecht geht. Kanzler Scholz veranstaltete Ende Oktober einen Industriegipfel mit Vertretern aus Wirtschaft und Gewerkschaften. Er verkündete daraufhin einen "Pakt für die Industrie", der konkrete Maßnahmen beinhalten soll, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wirtschaftsverbände kritisieren insbesondere die hohen Energiepreise im internationalen Vergleich.
Bis zum Jahresende möchte Scholz unbedingt "Sofortmaßnahmen" für die Industrie umsetzen. Genannt wurden konkret die Begrenzung der Netzentgelte für Unternehmen sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie und den zahlreichen Zuliefererbetrieben. Neue Fördermaßnahmen, wie die Förderung des Absatzes von Elektroautos, sind denkbar. Allerdings würden solche Maßnahmen Milliarden kosten.
Der Kanzler kündigte an, umgehend das Gespräch mit dem Oppositionsführer, CDU-Chef Friedrich Merz, zu suchen. Er möchte ihm eine Zusammenarbeit in zwei entscheidenden Punkten, "gern auch mehr", vorschlagen. Scholz nennt die schnelle Stärkung der Wirtschaft und die Verteidigung als Prioritäten. "Unsere Wirtschaft kann nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, und wir brauchen jetzt Klarheit darüber, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen." Die Frage bleibt, ob Merz diesen Vorschlag annehmen wird.
Der Bundestag muss für das laufende Jahr noch einen Nachtragshaushalt beschließen. Andernfalls droht eine Haushaltssperre. Im Sommer hatte die Koalition angekündigt, dass sie zusätzliche Milliarden aus Krediten benötigt, um geringere Steuereinnahmen, höhere Ausgaben für das Bürgergeld und gestiegene Kosten zur Förderung erneuerbarer Energien auszugleichen. Aufgrund der unerwartet schwachen Konjunktur in Deutschland erlauben die Regeln zur Schuldenbremse eine höhere Kreditaufnahme.
Ohne die zusätzlichen Mittel könnte für bestimmte Vorhaben schlicht kein Geld mehr verfügbar sein. Bei einer Haushaltssperre müssen alle Ausgaben durch das Finanzministerium genehmigt werden. Dies schafft Unsicherheit, insbesondere für viele Angestellte auf Projektbasis oder mit befristeten Verträgen.
Auch der Haushalt für 2025 ist noch nicht festgelegt. Wahrscheinlich beginnt das Jahr mit einer vorläufigen Haushaltsführung, bei der nur unerlässliche und dringende Ausgaben getätigt werden können. Abschließend lässt sich sagen, dass eine scheidende Regierung kaum eine zukünftige auf einen Haushaltsplan verpflichten kann.
Update vom 06.11.2024, 21.48 Uhr: Neuwahlen könnten bis Ende März stattfinden
Bundeskanzler Olaf Scholz will die Vertrauensfrage stellen. Der Bundestag solle am 15. Januar über eine Vertrauensfrage abstimmen, verkündete der SPD-Politiker in Berlin. Erwartet wird, dass er diese verliert. In diesem Fall kann der Kanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Scholz fügte hinzu: "So können die Mitglieder des Bundestages entscheiden, ob sie den Weg für vorgezogene Neuwahlen frei machen." Die Wahl könnte dann "unter Einhaltung der Fristen, die das Grundgesetz vorsieht, spätestens bis Ende März stattfinden". Die reguläre Bundestagswahl ist im September 2025 vorgesehen.
Zuvor hatte Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen, nachdem dieser vorgeschlagen hatte, den Bundestag neu zu wählen. In seiner Rede kritisierte Scholz Lindner scharf und warf ihm vor, sein Vertrauen zu oft gebrochen zu haben.
Dem FDP-Politiker gehe es um die eigene Klientel und um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei, so Scholz. Die Unternehmen im Land bräuchten Unterstützung, sagte er mit Blick auf die schwache Konjunktur und hohe Energiepreise. Er verwies zudem auf die internationale Lage mit den Kriegen in Nahost und der Ukraine. "Wer sich in einer solchen Lage, einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden."
Scholz mit schweren Vorwürfen
Scholz warf Lindner vor, in der gemeinsamen Regierungszeit Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit übertönt und Gesetze sachfremd blockiert zu haben. "Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen." Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. "So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich."
Angaben zufolge schlug Lindner vor, dass die Ampel-Parteien, ähnlich wie 2005, zügig Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben sollten, um "geordnet und in Würde" eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Die FDP wäre bereit, noch den Nachtragshaushalt 2024 gemeinsam zu beschließen und einer geschäftsführenden Bundesregierung anzugehören.
Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden lang beraten, um Lösungen für die Krise der Ampel-Koalition zu finden. Zentrale Themen waren die Schließung des Milliardenlochs im Haushalt 2025 und die Wiederbelebung der schwer angeschlagenen deutschen Wirtschaft.
Lindner rief "Herbst der Entscheidungen" aus
Lindner hat schon vor einiger Zeit den "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen.
Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Gegen solche Ideen gab es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck war Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich am Montag (4. November 2024) bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden.
Scholz schlägt Merz Zusammenarbeit vor - Habeck bedauert Ampel-Aus
Scholz will nun Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. "Ich werde nun sehr schnell auch das Gespräch mit dem Oppositionsführer, mit Friedrich Merz suchen", sagte der SPD-Politiker in Berlin. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, "die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung", sagte der Kanzler.
Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, ergänzte Scholz und fügte hinzu: "Und wir brauchen jetzt Klarheit, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen." Auch mit dem Blick auf die Wahlen in Amerika sei das "vielleicht dringender denn je". Der Kanzler sagte: "Es geht darum, jene Entscheidung zu treffen, die unser Land jetzt braucht. Darüber werde ich mit der verantwortlichen Opposition das Gespräch suchen."
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) bedauert den Bruch der Ampel-Koalition. Er betonte vor dem Kanzleramt, "dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt" Obwohl Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch lagen, habe man die Haushaltslücke nicht schließen können. "Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu gehen", sagte Habeck. Die Entlassung von Lindner sei letztlich so folgerichtig wie unnötig gewesen.
Ursprungsmeldung vom 06.11.2024, 20.46 Uhr: Ampel-Regierung trifft sich zu Krisengipfel
Nach mehreren Treffen zur Beilegung ihrer weitreichenden Differenzen im kleinen Kreis beraten Top-Vertreter der Ampel-Koalition seit 18 Uhr als Koalitionsausschuss. Gastgeber der Gespräche im Kanzleramt ist Olaf Scholz (SPD). Die Stimmung sei "ernst und durchaus angespannt", hieß es zunächst von einem der Koalitionspartner.
Wie um 20.42 Uhr bekannt wurde, hat Bundeskanzlerkanzler Olaf Scholz Finanzminister Christian Lindner entlassen. Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit der Deutschen Presse-Agentur mit. Wie die Bild aus Teilnehmerkreisen erfahren haben will, soll Lindner dem Kanzler zuvor Neuwahlen für Beginn des Jahres 2025 vorgeschlagen haben. Scholz wiederum hätte dem Vorschlag ablehnend gegenübergestanden.
Die Gespräche hätten gezeigt, dass keine ausreichende Gemeinsamkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik herzustellen sei, zitieren Teilnehmer Lindner. Es sei im Interesse des Landes, schnell Stabilität und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.
Lindner schlug Neuwahlen vor
Lindner schlug den Angaben zufolge vor, dass die Ampel-Parteien, wie 2005 gemeinschaftlich schnellstmöglich Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben sollten, um "geordnet und in Würde" eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Die FDP wäre bereit, noch den Nachtragshaushalt 2024 gemeinsam zu beschließen und einer geschäftsführenden Bundesregierung anzugehören.
Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden beraten, um Wege aus der Ampel-Krise zu finden. Im Kern ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Lindner hat schon vor einiger Zeit den "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Widerstand bei SPD und Grünen
Gegen solche Ideen gab es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck war Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich am Montag bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden.
Wie wir künstliche Intelligenz einsetzen
Ein Redakteur hat diesen Artikel unter der teilweisen Verwendung eines KI-Sprachmodells verfasst und/oder optimiert. Sämtliche Informationen wurden sorgfältig geprüft.