Im Prozess gegen Verena Becker geht der Streit um Dokumente des Verfassungsschutzes weiter. Jetzt soll der Bundesinnenminister über eine Herausgabe entscheiden. Nebenkläger Buback fordert eine Ortsbegehung, um der Erinnerung nachzuhelfen.
Im Prozess um den Mordfall Buback hat der Verfassungsschutz die Herausgabe weiterer Dokumente abgelehnt. Das teilte der Vorsitzende Richter am Dienstag in der Verhandlung gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit. Nun müsse Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) über die Freigabe entscheiden. Unterdessen wird deutlich, dass sich die bisher vernommenen Zeugen 33 Jahre nach dem Anschlag meist nur noch bruchstückhaft erinnern. Der Nebenkläger Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, fordert deshalb eine Ortsbegehung.
Nach Angaben der Verteidiger Beckers hatte das Gericht beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beantragt, Vernehmungsunterlagen aus den 80er-Jahren zur gerichtlichen Verwertung freizugeben. Außerdem solle die Identität der damaligen Quelle der Verfassungsschützer enthüllt werden. Alle mit dem Vorgang befassten Verfassungsschützer sollen die Genehmigung zur Aussage vor Gericht erhalten.
Nach Informationen aus Sicherheitskreisen handelt es sich bei der Quelle um Verena Becker selbst, die während ihrer Haftzeit 1981 mit dem Verfassungsschutz gesprochen hat. Dabei habe sie das ehemalige RAF-Mitglied Stefan Wisniewski als Mittäter beim Anschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback am 7. April 1977 genannt. Erst nach langen Hin und Her waren im Frühjahr zwei BfV-Vermerke für die Prozessbeteiligten freigegeben worden, in denen aber keine Quelle genannt wird.
Becker muss sich derzeit in Stuttgart-Stammheim als mögliche Mittäterin des Mordanschlags vor Gericht verantworten. Die Anklage geht allerdings nicht davon aus, dass die damals 24-Jährige selbst auf dem Motorrad saß, von dem aus Buback erschossen wurde, sondern eine maßgebliche Rolle bei der Organisation des Attentats gespielt hat. Bubacks Sohn Michael hält Becker hingegen für die Schützin. Er glaubt, dass sie bei den Ermittlungen geschützt wurde, weil sie schon vor ihrer Festnahme mit Geheimdiensten kooperiert haben könnte. Hierfür allerdings gibt es bislang keine Belege.
Die bisherigen Zeugenaussagen geben auch kaum Anhaltspunkte für die These, dass eine Frau auf dem Rücksitz saß: "Ich habe zwei Personen auf dem Motorrad gesehen - nicht männlich, nicht weiblich - mehr nicht", sagte ein angesichts der vielen Nachfragen zunehmend verzweifelt wirkender Augenzeuge in seiner Vernehmung am Dienstag. Auch Eine andere Zeugin sagte: "Ich konnte nicht erkennen, ob es Männer oder Frauen waren."
Bislang sind es nur zwei Aussagen inzwischen verstorbener Zeugen, die auf eine Frau hindeuten könnten. Sie wurden im Prozess verlesen. Bei den lebenden Zeugen, die im Prozess aussagen, erschweren zudem Erinnerungslücken die Aufklärung - nicht überraschend nach mehr als 33 Jahren. Auch wenn der Vorsitzende Richter ihnen ihre früheren Aussagen vorhält, kehren meist nur Bruchstücke zurück.
Der Anwalt des Nebenklägers Michael Buback beantragte deshalb eine Ortsbegehung. Dort könnten sich die Zeugen "im Anblick des Tatorts weit besser an die Einzelheiten ihrer Beobachtungen erinnern", sagte Anwalt Ulrich Endres zur Begründung. Wann das Gericht über den Antrag entscheidet, ist unklar.
dpa