Die Gründerin zieht sich aus der allerersten Reihe des Bündnisses Sahra Wagenknecht zurück. Ihre Partei trifft das in einer schwierigen Phase. Fünf Probleme des BSW.
Vor weniger als zwei Jahren hat Sahra Wagenknecht ihre eigene Partei gegründet - jetzt zieht sich die 56-Jährige aus der allerersten Reihe zurück. Wagenknecht gibt den Vorsitz des BSW ab, wie sie am Montag in Berlin bestätigte. Stattdessen will sie Chefin einer «Grundwertekommission» in der Partei werden. «Ich möchte in Zukunft den Kopf wieder freihaben für die Dinge, mit denen ich dem BSW wirklich helfen kann, wo meine Stärken liegen», sagte Wagenknecht
Die neue Doppelspitze sollen ihre bisherige Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali (45) und der Europaabgeordnete Fabio De Masi (ebenfalls 45) bilden. Auch aus dem Namen der Partei verschwindet die Gründerin bald, das ist bereits angekündigt. Die Entscheidungen sollen beim Parteitag in Magdeburg am 6. und 7. Dezember besiegelt werden. Aber eine Wagenknecht-Partei, bei der Wagenknecht nicht mehr ganz vorn steht - hat die eine Zukunft?
Der Potsdamer Politikwissenschaftler und BSW-Spezialist Jan Philipp Thomeczek hält das für möglich. «Ich denke, die Chance ist da», sagte Thomeczek der Deutschen Presse-Agentur. Sein Argument: Die Partei füllt mit ihrem Rechts-Links-Profil zwischen Protest gegen Aufrüstung, harter Migrationspolitik und starkem Sozialstaat eine Leerstelle. Trotzdem dürfte es nicht leicht werden. Fünf Probleme des BSW:
Wagenknecht wird fehlen
Wagenknecht ist in der deutschen Politik ein Ausnahmetalent. Sie führt oft das Wort «Vernunft» im Mund, sie gibt sich volksnah, sie spitzt zu - und sie mobilisiert damit viele Menschen. Die Ankündigung «Sahra kommt» zog schon Massen für die Linke, der Wagenknecht bis 2023 angehörte. Bisher erfüllt sie für ihre Anfang 2024 gegründete Partei BSW dieselbe Funktion: Wagenknecht sei ein «Identifikationsfels in der Brandung», so formulierte es zuletzt die Thüringer BSW-Landeschefin Katja Wolf. Steht Wagenknecht nicht mehr an der Spitze, ist das für ihre Partei zumindest ein tiefer Einschnitt.
Wagenknecht spielte das herunter. «Ich werde heute keinen Rückzug verkünden», beteuerte sie bei der Vorstellung des neuen Personalpakets. Mit dem neuen Amt als Vorsitzende einer geplanten Grundwertekommission säße sie immer noch in Präsidium und Parteivorstand. Sie könnte also weiter Einfluss nehmen, ohne sich im Tagesgeschäft der Parteiorganisation aufzureiben. Und sie machte klar, was ihr eigentliches Wunschamt ist: Sollte das BSW doch noch in den Bundestag kommen, will sie Fraktionschefin werden.
Wagenknecht könnte stören
Wagenknecht hatte schon vor der Parteigründung gesagt, sie wolle eigentlich lieber nicht Vorsitzende sein - Organisation sei nicht ihre größte Stärke. Darauf weisen ihre Getreuen hin. Im BSW hoffen sie, dass sie sich in den wichtigen Wahlkämpfen im nächsten Jahr einbringt, vielleicht stärker als je zuvor. Das sagte Wagenknecht jetzt auch öffentlich zu.
Nur: Statt ihrer wird es ja bald eine neue Parteiführung geben. Die kann sich entweder damit abfinden, dass Wagenknecht ohne Vorsitz weiter die Richtung vorgibt. Oder die neue Spitze versucht selbst, Akzente zu setzen. De Masi hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er gerne sein Profil schärft. Bei der Pressekonferenz in Berlin sprach er lang und detailliert, bisweilen kleinteilig. Kann das gutgehen mit zwei Machtzentren? De Masi versicherte: «Wir beißen uns überhaupt nicht, sondern wir arbeiten sehr gut zusammen.» Reibereien sind dennoch nicht ausgeschlossen.