Kommentar nach Anschlag in Berlin: Besonnenheit in Zeiten des Terrors

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Wichtige Botschaft nach dem Anschlag von Berlin. Foto: Rainer Jensen/dpa
Wichtige Botschaft nach dem Anschlag von Berlin. Foto: Rainer Jensen/dpa

Die Ereignisse von Paris bis Berlin verändern auch unsere Kommunikation. Wir alle haben eine neue Verantwortung im Umgang mit den Medien.

Es geht um Aufmerksamkeit - und um die unheilvolle Verkettung von Terrorismus und Medien. Denn der mediale Widerhall ist wie Sauerstoff für die, die mit Hass und Gewalt brandstiften gehen. Nichtberichten geht nicht, Nichtreagieren auch nicht. Was ist aber das Maß, wenn das Feige wieder zuschlägt, wenn Menschen sterben, nur weil sich der Wahnsinn wieder Bahn bricht? Welches Tempo ist nötig, um über das Unbegreifliche zu berichten? Es gibt hier keine Standards, keine echten Leitplanken. Nur das Korrektiv des Anständigen, um Hast und Hysterie zu bändigen, wenn Berichterstattung gefordert ist.

Schnell stand die Rüge im Raum, dass die Öffentlich-Rechtlichen am Montagabend zu spät eingestiegen seien in den Wettstreit um Bilder, Live-Schalten und Expertenrunden zur Tragödie von Berlin. Andere wiederum empfanden das unmittelbare Draufhalten von N24 auf die Opfer als obszöne Zumutung. Parallel wurde das Getöse in den sozialen Medien immer lauter. Nichtwissen, Halbwissen, Spekulation und Vermutung fanden in Facebook und Twitter die bekannten Durchlauferhitzer. Und auch die Online-Redaktion dieser Zeitung hatte ihre Mühe, die immer länger werdenden Kommentarspalten zu moderieren, Unsägliches auszusortieren und an die Regeln des halbwegs zivilisierten Umgangs zu erinnern.

Was dennoch auffiel: Seit den Anschlägen von Paris hat sich etwas verändert. Bei aller Kakophonie ist der Ton ruhiger geworden. Die Souveränität, mit dem die Münchner Polizei den Amoklauf in der Landeshauptstadt begleitete, hat den Berliner Kollegen eine andere Kommunikationsstrategie ermöglicht. Transparent und nüchtern wurde der jeweilige Sachstand bekanntgegeben. In der Folge konnten auch die Vertreter der Hauptstadt-Politik in Klarheit vor die Kameras treten.


Kein Lifestyle für die Timeline

Der Veitstanz des Vulgären hat also eine Mäßigung erfahren. Das ist gut so. Es ist eben nicht mit Abstumpfung zu verwechseln, wenn wir uns um Sachlichkeit bemühen. Egal ob klassische Medien oder soziale Kanäle - die Bestandsaufnahme des Terrors muss professionalisiert werden. Das ist nicht herzlos, sondern entzieht dem banalen Bösen die Energie, die es braucht, um sich erfolgreich fortzupflanzen.
Dürfen wir Angst haben? Natürlich. Weil uns die Angst vorsichtig macht. Weil sie uns vor Gefahren warnt. Weil sie Schlimmes verhindern helfen kann. Angst ist aber etwas anderes als Panik, die ziellos um sich greift und uns kopflos werden lässt.

Mediale Besonnenheit wird indes zur Bürgerpflicht; weil wir heute alle ein Teil der Medien sind - nicht nur die Tageszeitungen, Radiostationen und Fernsehsender. Wir alle sind im Zweifel Lautsprecher oder Verstärker, können aber auch leise und behutsam die Berichterstattung verfolgen, sie teilen, liken, kommentieren. Wir müssen uns gerade in Zeiten des Terrors dieser neuen Verantwortung bewusst werden. Terror ist kein Lifestyle für die Timeline, kein Anlass für Betroffenheitspoesie. Es geht zuerst um Information, dann noch um ehrliche Anteilnahme. Punkt. Oder um es drastischer zu formulieren: Im Zweifelsfall lieber mal die Klappe halten, wenn man doch nichts zu sagen hat.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es geht nicht um einen Maulkorberlass. Wir müssen lediglich die technischen Möglichkeiten mit einer neuen Kommunikationskultur in Einklang bringen. Heißt: Nicht alles, was heute geht, muss auch sein. Was uns mit nervigen Klingeltönen bereits gelungen ist, sollte schlicht Konsens in der Mediennutzung werden.