Kinderwerk schlägt Alarm: Die ersten Familien werden bald hungern - "einfach nur ein Horrormonat"
Autor: Teresa Hirschberg
Berlin, Freitag, 23. Dezember 2022
Die Lebensmittelpreise sind im Laufe des Jahres teilweise enorm angestiegen. Das hat besonders für finanziell schwache Familien drastische Folgen. Das Kinder- und Jugendwerk Arche warnt bereits: Viele Familien stoßen bald an ihre Belastungsgrenze.
2022 war ein Jahr der Preissteigerungen, Einschränkungen und Sparmaßnahmen - vor allem die Kosten für Lebensmittel sind an vielen Stellen enorm in die Höhe geschossen. Das Kinder- und Jugendwerk Arche zieht daraus eine beunruhigende Prognose: Die Einrichtung geht davon aus, dass viele sozial benachteiligte Familien in Deutschland bald sogar hungern müssen.
Die Kostenexplosionen machen mehr Menschen abhängig von sozialer Hilfe, beispielsweise in Form von Tafeln oder Essensausgaben wie bei der Arche. Dort bemerken die Mitarbeiter kurz vor Weihnachten noch einmal einen verstärkten Andrang: "Ich habe so etwas in 20 Jahren noch nie erlebt und ich bin mir sicher, dass in den nächsten Wochen die ersten Familien hungern werden", macht Wolfgang Büscher im Interview mit RTL deutlich. Der Arche-Sprecher habe bereits miterlebt, wie vor allem alleinerziehende Mütter und deren Kinder von Armut betroffen sind. Es komme immer wieder vor, dass Mütter selbst Mahlzeiten auslassen, damit mehr Essen für ihre Kinder übrigbleibt.
Arche warnt: Mehr Familien von Hunger betroffen
Doch auch vielen Familien werde es laut Büscher bald so ergehen, wenn die finanzielle Belastung zu groß wird – und das könnte schon in wenigen Wochen der Fall sein. Um dies zu verhindern, setzt die Arche beispielsweise auf das Verteilen von Lebensmittelspenden, damit sich bedürftige Kinder "in den nächsten Tagen wirklich auch mal satt essen können", erzählt Büscher.
Video:
Daran schuld ist eine fatale Kombination: Während die Lebensmittelpreise steigen, wachsen auch die Fälle von Kinderarmut in Deutschland. Derzeit sei jedes fünfte Kind davon betroffen, berechnet der Paritätische Wohlfahrtsverband. Der Tagessatz für die Grundversorgung eines Kindes, dessen Familie von Hartz IV lebt, sehe lediglich drei bis vier Euro vor, dröselt Geschäftsführer Ulrich Schneider auf. Davon betroffen seien rund 1,5 Millionen Kinder. Dies führe zu ungesunder und unausgewogener Ernährung, weil Eltern aus Not auf Lebensmittel zurückgreifen, die billiger sind und schnell satt machen. Diese Mangelernährung kann auf Dauer zu gesundheitlichen Langzeitschäden führen.
Vor allem in der Weihnachtszeit, die von Geschenken, Familienfeiern und Besuchen auf dem Adventsmarkt geprägt ist, werde die finanzielle Notlage deutlich: Für arme Menschen mit kleinen Kindern sei der Dezember "einfach nur ein Horrormonat", verdeutlicht Schneider im RTL-Interview.
Sowohl er als auch Arche-Sprecher Büscher zweifeln daran, dass das Bürgergeld ab 2023 etwas an der Situation ändern werde, dazu seien die Preise bereits zu stark angestiegen. Schneiders Berechnung nach müssten die Regelsätze auf 725 Euro erhöht werden, um armen und armutsgefährdeten Familien zu helfen. Tatsächlich liegen sie aber nur bei 502 Euro.
Mehr zum Thema: "Ganz schön heuchlerisch!" Söder nach Tafel-Auftritt heftig in der Kritik