Wer sind eigentlich die "Sonstigen"? Diese "Exoten" treten bei der Landtagswahl 2023 an

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Manche Politiker erleben alle paar Jahre ein Sisyphos-Schicksal. Nach einem zeitraubenden Wahlkampf landen sie am Wahlabend in der anonymen "Sonstigen"-Kategorie. Wofür dann der Kampf?

Wie immer im Wahlkampf sind auch dieser Tage auf Bayerns Straßen zahllose Plakate mit lächelnden Politikern zu sehen. Neben bekannten Gesichtern wie CSU-Chef Markus Söder oder der Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze gibt es auch viele Plakate von Unbekannten und Parteien wie der V-Partei³ oder den Humanisten. Doch was steckt hinter den "Exoten", deren Kandidaten kaum jemand kennt und die am Wahlabend in den Ergebnissen fast immer nur unter "Sonstige" auftauchen? Und was motiviert sie, sich im Wahlkampf zu engagieren?

Die meisten "Exoten" seien intrinsisch motiviert, "es liegt häufig an dem Idealismus einer relativ kleinen Gruppe, die wirklich von dem überzeugt ist, was sie tut", erklärt Ulrich Sieberer, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bamberg. "Der Wahlkampf ist wichtiger als das Wahlergebnis". Dabei geht es vielen nicht um einen Sitz im Parlament, der wegen der Fünf-Prozent-Hürde in unerreichbarer Ferne liegt. Vielmehr nutzen sie die Gelegenheit, im Wahlkampf auf ein Thema aufmerksam zu machen. So wirbt die V-Partei³ für eine vegane Lebensweise auch fernab von Lebensmitteln.

Teilnahme ist alles - darum kandidieren "Exoten" für den Landtag

Zugleich hoffen die Parteien und Personen mit ihrer Kandidatur auf eine gewisse Sichtbarkeit, erklärt Martin Gross, Professor für Politikwissenschaft an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. "Auf diese Weise sind sie in den Köpfen der Wähler präsent", was wiederum bei anderen Gelegenheiten wie den Kommunalwahlen helfe. Wie nahe man einer der "Exoten"-Parteien steht, kann man unter anderem beim Wahl-o-mat für die Landtagswahl testen.

Im konservativen Lager hätten CDU und CSU "jahrzehntelang kleinere Parteien aufgesaugt, um als die Volkspartei dazustehen", sagt Gross. Auf der linken Seite des politischen Spektrums sei schon immer die Bereitschaft größer, eine neue Partei zu gründen. So gibt es beispielsweise im grünen Spektrum verschiedene Angebote wie die ÖDP, die Tierschutzpartei oder besagte V-Partei³. Die vegane Partei beschäftigt sich mit der Landwirtschaft und setzt sich unter anderem für eine Umstellung auf Bio-Produkte sowie das Ende der Massentierhaltung ein. Dies seien durchaus unpopuläre Themen, sagt Roland Wegner, Bundesvorsitzender der V-Partei³. "Bei uns geht es um Inhalte, bei den anderen Parteien um Stimmen."

Im Wahlkampf verwendet die Partei nach eigenen Angaben nur nachhaltige Materialien, Plakate werden wiederverwendet, Plastikkugelschreiber gibt es nicht. Wegner ist allerdings mit der Darstellung als "Sonstige" unzufrieden: "Unter den sechs bis acht Prozent sind insgesamt nur sieben andere Parteien. Die haben alle einen Namen und am Platz kann es nicht liegen, dass diese Parteinamen nie dargestellt werden." 

Sollte man Spaßparteien wählen? Experte mit klarer Meinung

Ein weiterer "Exot" ist die Partei der Humanisten. Sie definiert sich selbst als "rational, liberal und fortschrittlich" und will die EU als Föderalstaat ausbauen. Die jetzige Bundes- und Landespolitik sei "sehr viel von Ideologie getrieben", sowohl in den Zielen als auch in der Umsetzung, sagt Landtagskandidat Jörg Hannig. Die Partei der Humanisten wolle dagegen eine faktenbasierte Politik, ohne Angst und Weltuntergangsstimmung. "Wir wollen nationalstaatliche, religiöse und auch kulturelle Differenzen beiseitelegen", ergänzt Frederic Forkel, der auch für die akademisch geprägte Partei kandidiert. Generell präsentieren sich aber auch die "Exoten" meist nüchtern im Wahlkampf. Lediglich von der "Partei" stechen die Plakate ein wenig hervor. Als eine "reine Satirepartei" sei sie trotzdem in der Lage, den Unmut vieler Wähler aufzufangen und habe es bis ins Europäische Parlament geschafft, betont Gross.

Andere durchaus bekanntere "Exoten" wie die Piraten wurden wegen fehlender Formalitäten in diesem Jahr in Bayern nicht zur Wahl zugelassen. Auch die anarchistische Pogo-Partei, die sich in den sozialen Medien als "Partei des Pöbels und der Sozialschmarotzer" bezeichnet, hatte nicht die erforderlichen Unterschriften gesammelt. Solche Parteien zu wählen, sei kritisch, sagt Gross. "Das ist ein Wegwerfen von Stimmen, die man hat." Das Angebot sei groß genug und es gebe genügend Alternativen, wenn man mit den etablierten Parteien unzufrieden sei. "Man muss nicht die Spaßpartei wählen."

Auch andere Kleinparteien sind in Bayern an mangelnden Unterschriften an der Zulassung gescheitert. Die Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung ist eine davon. Die Ein-Themen-Partei setzt sich für die Zukunftsmedizin ein, damit die Menschen durch Verjüngung länger leben können. "In Bayern sind die Hürden für kleine Parteien unfair im Vergleich zu den anderen Bundesländern", klagt Peter Schippl, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern.

Weit unter der 5-Prozent-Hürde - Kleinstparteien mit Titel "Sonstige" unzufrieden

"Der Verdacht liegt nahe, dass die etablierten Parteien auf diese Weise potenzielle Konkurrenz fernhalten wollen", sagt Sieberer. Selbst wenn es schwieriger wäre, in Bayern auf den Stimmzettel zu kommen, sollte man darauf keinen Schwerpunkt setzen: "Eine Partei, die diese Stimmen nicht sammeln kann, hat keine Chance, in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde zu kommen", betont er.

Unter der Fünf-Prozent-Hürde zu landen, droht nicht nur den Exoten: Laut Umfragen könnten auch die im Bundestag sitzende Linkspartei und die FDP das gleiche Schicksal erleiden. Eine fehlende Erfolgschance am Wahltag kann Parteien übrigens zusätzlich schaden: "Viele Wahlberechtigte verhalten sich jedoch strategisch und stimmen anders ab als in den Umfragen angegeben", erklärt Gross. Viele würden sich, so Politologe Gross, am Ende dann doch für Parteien mit Gewinnchancen entscheiden: "Jeder will auf der Seite der Gewinner sein."

Wie stehen die Parteien kurz vor der Landtagswahl 2023 am kommenden Sonntag? Hier findest du die aktuellen Umfragen zum Urnengang.

Vorschaubild: © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)