Manche sprechen von Aprilscherz, lustig finden es Bayerns Behörden allerdings nicht: Am 1. April startet das vom Freistaat abgelehnte Cannabisgesetz - mit vielen Vorgaben und teils unklaren Regeln.
Unvermeidbar: Auch in Bayern darf gekifft werden. Die Staatsregierung will zwar einen strengen Vollzug der Regeln - gibt aber selbst zu: Mit der Kontrolle wird es schwierig. In Polizeikreisen kam die Linie von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) deshalb nicht gut an. "Söder bringt dadurch die Behörden und die Polizei in eine Position, in der sie ganz genau kontrollieren müssen", sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Jürgen Köhnlein. Dazu aber fehlten zum einen genaue Verwaltungsvorschriften, zum anderen die Personalstärke und die Instrumente.
Cannabis-Freigabe in Bayern steht bevor: Ab wann könne die Anbauvereinigungen legal ernten?
"Es ist insbesondere auch eine Zumutung für die Polizei, diesen undurchdachten Regelungswust kontrollieren zu müssen, soweit das überhaupt kontrollierbar ist", sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Dennoch verspricht er, die Regelungen würden so streng wie möglich kontrolliert. Als Schwerpunkt nennt Herrmann den Straßenverkehr. Unter anderem hier sieht die Polizei praktische Probleme, zumal nun mehr Menschen nach Cannabiskonsum am Steuer sitzen könnten. Es gebe keine gerichtsverwertbaren Schnelltests, Urintests seien schwieriger durchzuführen als Atemkontrollen. Bei jedem Drogenverdacht müsse am Ende Blut abgenommen werden.
Das könnte Herbst werden. Anbauvereinigungen werden nicht gleich zum 1. Juli starten können. "Die Anträge für Anbauvereinigungen werden nicht vor dem 1. Juli geprüft, weil sie vorher auch gar nicht zugelassen werden können", sagt Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Der Genehmigungsprozess soll laut Gesetz nach drei Monaten abgeschlossen sein. Damit wird die Verfügbarkeit von legal angebauten Cannabis noch länger eingeschränkt bleiben.
Auch wenn unklar ist, ob nun mehr Menschen zum Joint greifen, warnt die Ministerin: Mit dem Start des Konsums ohne legal angebautes Cannabis werde in den kommenden Monaten dem Schwarzmarkt Vorschub geleistet: "Eigentlich kann vor dem Juli kein legales Cannabis im Umlauf sein, denn erst dann dürfen die Anbauvereinigungen nach dem Gesetz zugelassen werden." Auch privat ab Montag angebaute Pflanzen bräuchten Fachleuten zufolge je nach Sorte und Düngung mindestens acht Wochen, um zu wachsen.
Gerichtlicher Stopp des Cannabis-Gesetzes? Bayern prüft Spielräume für Klage
Ob Bayern gegen das Gesetz klagen wird, ist nach einigem Hin und Herr immer noch offen. Die Chancen für einen gerichtlichen Stopp des ungeliebten Gesetzes scheinen nicht groß. Trotzdem will Gesundheitsministerin Gerlach den Klageweg nun erneut prüfen. "Nach der Bundesratssitzung liegt nun die finale Fassung des Konsum-Cannabisgesetzes sowie die neue Protokollerklärung der Bundesregierung vor", sagte die CSU-Politikerin. "Bayern prüft die Dokumente eingehend, ob sich Spielräume für eine Klage ergeben."
Vor gut zwei Wochen hatte Gerlach noch gesagt, sie sehe nach einer Prüfung durch ihr Ministerium keinerlei Klagemöglichkeiten für den Freistaat - weder vor dem Bundesverfassungsgericht noch irgendwo sonst, etwa auf europäischer Ebene. Innenminister Herrmann hatte vor der Bundesratsentscheidung den grundsätzlichen Willen der Unions-Innenminister zur Klage bekräftigt. Er räumte ein, es sei keine ganz einfache Frage, wie das Ganze am Ende vor Gericht gebracht werden könnte.
Grundsätzlich gelten ab Ostermontag im Freistaat dieselben Regeln für das Kiffen wie im Rest der Republik. Erwachsene - also alle über 18 Jahren - dürfen zum eigenen Gebrauch bis zu 50 Gramm Cannabis daheim haben, mit bis zu 25 Gramm unterwegs sein - und sie dürfen das Gras auch in der Öffentlichkeit rauchen.
Da geht es aber schon los mit den Einschränkungen: Im Umkreis von etwa 100 Metern zum Eingangsbereich von Spielplätzen, Schulen, Sportstätten - auch Fußballstadien - sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen darf man sich keinen Joint anstecken. Das gilt auch anderswo in unmittelbarer Gegenwart von Kindern und Jugendlichen unter 18, selbst wenn es der eigene Nachwuchs ist. Fußgängerzonen sind zwischen 7 Uhr und 20 Uhr ebenfalls jointfreie Zonen.
In Aschheim - von der Bild-Zeitung schon zum möglichen "Hasch-Heim" erhoben - will ein Geschäftsmann bei seinem Hanfladen eine Anbaugemeinschaft etablieren und Cannabis anbauen. Die Gemeinde trat dem mit Plänen zu einem Spielplatz in der Nähe vor dem Rathaus entgegen - für Eltern, die mit ihren Kindern Behördengänge erledigen müssten, hieß es. Grundsätzlich könnten auch andere Kommunen diesen Weg beschreiten. Weitere Fälle seien aber derzeit nicht bekannt, heißt es beim Bayerischen Städtetag wie auch beim Bayerischen Landkreistag.
Experten bleiben in ihren Antworten vorsichtig, ob man im Garten oder auf dem Balkon rauchen darf, wenn ein Spielplatz in der Nähe ist. Die Unverletzlichkeit der Wohnung gelte auch für den Sperrradius, heißt es. "Wie damit umgegangen wird, wenn am Zaun des Kindergartens beispielsweise gekifft wird, weil man als direkter Nachbar sich zwangsläufig in der Sperrzone befindet, wird sich herausstellen müssen", sagt der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bayern, Florian Leitner.
Polizei erwartet zusätzliche Arbeit durch Cannabis-Legalisierung
Der DpolG-Landesvorsitzende Jürgen Köhnlein geht davon aus, dass man auf dem eigenen Balkon oder im eigenen Garten rauchen darf, auch wenn Spielplatz oder Kindergarten weniger als 100 Meter entfernt sind - nur eben nicht unmittelbar vor den Augen der Kinder. Der Rauch dürfe auch nicht dort hinüberziehen. "Dann ruft eine Mutter die Polizei und sagt: 'Mein Kind ist in der Dampfwolke drin, das will ich nicht' - und dann?"
Von der in Berlin beschworenen Entlastung könne bei bayerischen Behörden und der Polizei keine Rede sein, heißt es im Freistaat unisono. Die Polizei erwartet einen Berg zusätzlicher Arbeit, Ärger mit Konsumenten - und Menschen, die das Kiffen stört. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lehne Umfragen zufolge die Legalisierung ab, sagt DpolG-Landeschef Köhnlein. "Diese Leute werden die Polizei anrufen, wenn sie einen Verstoß wittern", prognostiziert er. Mehr Einsätze also. Zudem gebe es nun neue Ordnungswidrigkeiten und deutlich mehr Straftaten als bisher.
Laut dem Präsidenten des Bayerischen Landkreistags, der Fürstenfeldbrucker Landrat Thomas Karmasin (CSU), wird auch den "ohnehin überlasteten Behörden ein irrsinniger Verwaltungs- und Vollzugsaufwand" beschert. Gerade auf Jugendämter kämen erhebliche Mehraufgaben etwa bei der Prävention zu. "Wie unsere Leute dieses Aufgabenpaket stemmen sollen, lässt die Ampel unbeantwortet."
Gras auf der Wiesn, Joint zum Bier - Was gilt auf dem Oktoberfest?
Welche Regeln für das Oktoberfest gelten werden, sind ebenfalls unklar. Das Wirtschaftsreferat der Stadt München als Veranstalter des größten Volksfestes der Welt enthielt sich konkreter Aussagen. Der Wirtschaftsreferent und Festleiter Clemens Baumgärtner sagte der Bild-Zeitung, man müsse das Gesetz erst genau ansehen. Er habe aber zumindest ein ungutes Gefühl, wenn er sich vorstelle, dass in den Wirtsgärten der Wiesn Joints herumgereicht würden.
Experten zufolge wären beschränkte Cannabis-Verbote unter Umständen möglich, wenn Sicherheitsfragen oder Regeln des Gesetzes grundlegend berührt sind. Der Konsum von Cannabis sei grundsätzlich in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen verboten, betonte Ministerin Gerlach. Das gelte auch auf Volksfesten. Ein Ministeriumssprecher warnte zudem vor einem Mischkonsum von Cannabis und Alkohol: "Studien zeigen, dass Cannabis die Alkoholwirkung verstärkt."
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