Während Trumps Leute den Demokraten die Schuld an der Eskalation geben, werfen diese dem Präsidenten und seinem Lager vor, mit ihrer Sprache selbst den Boden für Gewalt zu bereiten.
Miller spricht von «inländischer Terrorbewegung»
Auch in der von Vance moderierten Podcastfolge gab es Schuldzuweisungen. Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller sprach von einer «organisierten Kampagne» linker Gruppen, die zu der Tat geführt habe, und nannte sie eine «inländische Terrorbewegung». Man werde umfassende Ressourcen der US-Regierung nutzen, um diese Bewegung «im Namen von Charlie» zu zerschlagen.
Vance selbst erklärte, er sei dankbar für die Beileidsbekundungen vieler Demokraten und wünsche sich Einheit. Diese könne es jedoch nur geben, wenn anerkannt werde, dass politisch motivierte Gewalt kein Problem beider Seiten sei, sondern primär das einer «mächtigen Minderheit am linken Rand».
Beobachter warnen, eine solche Rhetorik könne nicht nur als Rechtfertigung für Vergeltung dienen, sondern auch als Vorwand genutzt werden, um demokratische Strukturen und politische Gegner zu schwächen. Sie werten dies als weiteren Beleg für den autoritären Regierungsstil unter Trump.
Privatpersonen und Journalisten im Fokus von Kirk-Anhängern
Welche Dynamik solche Worte entfalten können, zeigt sich schon jetzt: Seit dem Attentat gerieten etliche Privatpersonen in den Fokus von Kirk-Anhängern - teils, weil sie seine Ermordung verharmlosten, teils aber auch lediglich, weil sie auf umstrittenen Äußerungen von Kirk hingewiesen hatten. Mehrere wurden bei ihren Arbeitgebern gemeldet. Das US-Außenministerium drohte zudem Ausländern mit dem Entzug ihrer Visa, sollten sie im Internet die Tat rechtfertigen.
In diesem Klima geriet auch ZDF-Journalist Elmar Theveßen in die Kritik, unter anderem, nachdem er in einem Podcast Trumps stellvertretenden Stabschef Miller mit Überzeugungen aus dem Dritten Reich in Verbindung gebracht hatte. Der frühere US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, griff dies auf, bezeichnete Theveßen auf X als «linksradikal» und forderte, ihm das US-Visum zu entziehen.
Das ZDF teilte knapp mit, man nehme die Aussagen zur Kenntnis. «Die Arbeit von Elmar Theveßen ist durch die Pressefreiheit geschützt.» Sie sei ein hohes Gut, in Deutschland und in den USA.
Spendenaufrufe für Kirks Organisation
Kirks Tod entfaltet in den USA eine enorme politische Schlagkraft. Er galt als prägende Stimme der US-Rechten und erreichte ein Millionenpublikum, vor allem junge Männer. 2012 gründete er die Jugendorganisation Turning Point USA, die heute an zahlreichen Highschools und Hochschulen aktiv ist.
Seit dem Attentat haben Kirks Ehefrau Erika und Weggefährten wie der ultrarechte Publizist Steve Bannon Kirks Reichweite und Plattformen genutzt, um die Anhänger weiter anzusprechen. Sie bezeichneten Kirk unter anderem als «Amerikas größten christlichen Märtyrer». Turning Point USA verschickte zudem Spendenaufrufe, in denen der Tod des 31-Jährigen in drastischen Worten als Aufruf zum politischen Engagement dargestellt wurde.
Auch im von Vance moderierten Podcast wurde Kirks Vermächtnis stark religiös gerahmt. Die Runde - neben Vance und Miller nahmen auch Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. und Trumps Sprecherin Karoline Leavitt teil - leitete daraus den Auftrag ab, Kirks Netzwerk fortzuführen und auszubauen. Vor allem junge Konservative sollten sich demnach offen zum Christentum bekennen und Kirks Botschaften in Politik und Gesellschaft weitertragen.