"Sie wollten mein Kind in Stücke schneiden": Schwangere Ukrainerin für Propaganda missbraucht
Autor: Melina Mark
Mariupol, Donnerstag, 19. Mai 2022
Ein Foto von einer schwangeren und verletzen Ukrainerin vor einer zerbombten Geburtsklinik in Mariupol ging um die Welt. Es wurde gewissermaßen zu einem Symbolbild für den Ukraine-Krieg. Russland missbrauchte das Bild von Marianna Vyshemirsky zu Propagandazwecken. Nun will die Betroffene ihre Geschichte richtigstellen.
Marianna Vyshemirsky ist in der Ukraine als Beauty-Influencerin bekannt geworden. Sie wirbt auf den sozialen Medien für Körperpflegeprodukte und Make-up. Auch ihre Schwangerschaft dokumentiert sie online. Diese heile Welt konnte sie vor dem Ukraine-Krieg ihr Leben nennen. Nachdem ein Bild von ihr, hochschwanger und verletzt vor einer zerbombten Geburtsklinik, um die Welt ging, änderte sich für sie einiges. Ihr Bild wurde von russischer Seite zu Propaganda-Zwecken missbraucht: Die Russen behaupteten, dass sie eine bezahlte Schauspielerin und das Blut in ihrem Gesicht nur Schminke sei. In einem Interview mit dem Britischen Nachrichtensender BBC erzählte sie ihre wahre Geschichte.
Auf dem Bild ist Vyshemirsky zu sehen, wie sie mit blutenden Wunden im Gesicht und in eine Decke gewickelt vor einer Geburtsklinik in Mariupol steht, die wegen eines Luftangriffs seitens Russland in Schutt und Asche liegt. Eigentlich wollte sie in sicherer Umgebung ihre kleine Tochter Viktoria auf die Welt bringen, doch sie war gezwungen, zuerst in eine andere Entbindungsklinik flüchten. Dort bekam sie drei Tage nach Aufnahme des Fotos ihren Nachwuchs.
Russland dichtet ihre Geschichte um - und die 29-Jährige bekommt es nicht einmal mit
Vyshemirskys Bild ging viral, landete auf Titelseiten von Zeitungen und wurde zu einem Symbolbild für die Schrecken des Ukraine-Krieges. Schließlich nutzte auch Russland das Foto. Nicht aber, um seriös zu berichten, sondern um Falschmeldungen zu verbreiten. Erstmals in Zusammenhang mit falschen Tatsachen tauchte das Foto in einem Pro-Kremlin Telegram-Kanal auf. Dort wurde die "Information" verbreitet, dass Vyshemirsky eine Schauspielerin und ihre Wunden nur geschminkt seien und ein Auftragsfotograf das Foto geschossen hat. Das begründeten die Russen mit der Tatsache, dass sie schließlich eine Beauty-Bloggerin sei und so mit Leichtigkeit in der Lage war, sich echt aussehende Verletzungen ins Gesicht zu pinseln.
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Russische Beamten bestätigten diese Meldung und verbreiteten sie weiter. Als das passierte, bekam Vyshemirsky es nicht einmal mit, denn sie musste von einer Geburtsklinik in eine andere fliehen und hatte in dieser Zeit keinen Zugriff auf das Internet. Ein paar Tage später, nachdem ihr kleines Mädchen geboren wurde, stellte sie schockiert fest, wie ihr Gesicht von Russland missbraucht worden ist. Instagram-Nutzer, die Russlands Informationen Glauben schenkten, überfluteten ihre Instagram-Seite mit Beschuldigungen und Drohungen. "Einige Menschen behaupteten, dass ich eine Schauspielerin wäre und andere, dass ich log und es gar keine Luftangriffe gegeben hatte", sagte Vyshemirsky.
Eigenen Aussagen zufolge glaubten ihr nicht einmal Menschen, die sie zu ihren Freunden zählte. "Ich bekam Drohungen, dass sie mich finden werden, dass sie mich umbringen werden, dass mein sie mein Kind in Stücke schneiden werden", sagte die 29-Jährige.
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