So ist Deutschland ist nach Einschätzung Industrie nicht in der Lage, die eigene Infrastruktur effektiv vor feindlichen Drohnen zu schützen. Es fehle an technologischen Lösungen ebenso wie an einem passenden rechtlichen Rahmen, schrieb der Bundesverband der Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) im Juli in einem Brandbrief an die Bundesregierung.
Die Zusammenarbeit der verschiedenen zuständigen Institutionen sei unzureichend und komplex. So sei es über Wochen nicht gelungen, illegale Drohnen-Überflüge am Militärflughafen Manching aufzuklären oder gar zu unterbinden. «Dass feindliche Spionagedrohnen oftmals die Polizei-Flugsysteme abhängen, entspricht doch nicht unserem Selbstverständnis als wehrhafter Rechtsstaat», sagte dazu BDLI-Hauptgeschäftsführerin Marie-Christine von Hahn.
Wie schützt die Nato den Luftraum?
Wird ein verdächtig anfliegendes Flugzeug bemerkt, steigen Alarmrotten zu einem Alarmstart («alpha scramble») auf. In der Regel sind es in Deutschland zwei Eurofighter, die nach Nato-Standard binnen 15 Minuten in der Luft sein müssen. «Bei Alarmierung rennen zwei Piloten zu ihren Kampfflugzeugen», schreibt die Bundeswehr dazu. Über den baltischen Staaten, die keine eigenen Jagdflugzeuge haben, übernehmen Nato-Partner die Aufgabe in Rotation.
Zudem halten Verbündete nach den jüngsten Zwischenfällen Verstärkung bereit. So stellt die Bundeswehr künftig vier statt nur zwei Kampfjets, um sich an bewaffneten Schutzflügen über Polen zu beteiligen. Sie sind auf dem Fliegerhorst in Rostock-Laage stationiert. Frankreich stellt drei Rafale-Kampfjets für die Überwachung des Luftraums an der Ostflanke, Dänemark zwei F-16.
Welche militärischen Handlungen sind denkbar?
Die Piloten der Abfangjäger sind zur Selbstverteidigung autorisiert. Allerdings sind bisher beide Seiten darauf bedacht, schon den Anschein eines versuchten Angriffs zu vermeiden.
Die Luftwaffe des Nato-Staates Türkei hatte 2015 ein russisches Kampfflugzeug Suchoi Su-24 abgeschossen, weil es nach türkischen Angaben aus Syrien in den Luftraum der Türkei eingedrungen war. Es folgte eine politische Eiszeit zwischen Ankara und Moskau. Allerdings birgt der Ostsee-Raum ein erheblich größeres Eskalationspotenzial.
Denkbar ist, dass Nato-Flugzeuge eingedrungene russischen Maschinen abdrängen, also einen Richtungswechsel bewirken. Die von Estland veröffentlichte Flugroute zeigt eine gerade Linie als eine Art Abkürzung durch den Nato-Luftraum und wieder hinaus. Dabei handelt es sich aber augenscheinlich um eine vereinfachte Grafik.
Könnte die Nato nicht auch deutlicher werden und sagen: Bei der nächsten Luftraumverletzung durch Kampfjets wird geschossen?
Theoretisch wäre das möglich, und Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat am Dienstag nochmal ausbuchstabiert, was es dabei abzuwägen gilt. Allerdings: Ein Abschuss könnte es Putin erlauben, selbst über eine militärische Verschärfung des Konflikts zu entscheiden.
So könnte er etwa russische Piloten eine vergleichsweise harmlose Luftraumverletzung begehen lassen und den folgenden Abschuss dann nutzen, um den Konflikt in seinem Sinne zu eskalieren oder um die Ereignisse kommunikativ für sich zu nutzen.
Zugleich bestünde die Gefahr, dass Nato-Staaten wie Italien ihre Kampfjets aus dem Nato-Überwachungseinsatz an der Ostflanke zurückziehen, weil sie nicht wollen, dass ihre Piloten auf Befehl des zuständigen Nato-Befehlshabers ein russisches Flugzeug abschießen.