«Zum ersten Mal seit gut 20 Jahren wird die etablierte Macht in Den Haag aus der Mitte herausgefordert», sagt Sitalsing. Und nicht etwa von einem schillernden Rechtspopulisten, wie es in den vergangenen Jahren viele gab. Sondern es ist ein Ökonom, der die Steuergesetze auswendig kennt. «Omtzigt ist salonfähig, weil er anständig bleibt», sagt Kanne. Er habe keine radikalen Standpunkte. «Er ist nicht rassistisch und stößt keinen vor den Kopf».
Dilan Yesilgöz
Doch es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Denn als erste Frau könnte die jetzige rechtsliberale Justizministerin, Dilan Yesilgöz (46), ins «torentje» einziehen. Zumindest äußerlich ist sie das glatte Gegenteil von Omtzigt. Dilan, wie sie sich gerne vorstellt, balanciert gekonnt auf schwindelerregend hohen Absätzen oder zeigt sich in sozialen Medien kämpferisch im Boxring des Fitness-Studios.
«Pitbull auf Hacken», wird sie in Medien auch genannt. Das scheint ihr zu gefallen. Mit strahlendem Lächeln und gekonnt platzierten Onelinern liefert sie einen perfekten Wahlkampf und könnte Nachfolgerin ihres Parteifreundes Rutte werden.
Auch das ist für viele Beobachter ein Rätsel. Warum muss die bislang regierenden Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) keine Abstrafung des Wählers befürchten? Dabei wird doch gerade diese Partei für Skandale und Armut, Wohnungsnot sowie Probleme im Gesundheitssystem verantwortlich gemacht. Viele sind froh, dass Rutte weg geht, der Mann mit dem großen Talent, Probleme einfach weg zu lachen. «Vielen VVD-Wählern geht es aber wirtschaftlich gut», sagt Wahlforscher Kanne, «die wollen gar keine große Veränderung.»
Yesilgöz profiliert sich mit einem stramm rechten Kurs. Die Migration ist ihr großes Thema, und die will sie eindämmen. Das ist merkwürdig für jemanden, der als Kind mit den Eltern aus der Türkei in die Niederlande flüchtete.
Frans Timmermans
Der VVD gelang es, Migration zu einem Topthema dieser Wahl zu machen, und das verdrängt den Klimaschutz in den Hintergrund. Darunter leidet vor allem das Bündnis von Sozialdemokraten und Grünen. Sie hofften nach 13 Jahren Rutte auf einen Machtwechsel und treten erstmals gemeinsam an.
Spitzenkandidat Frans Timmermans (62) schien der ideale Mann für ein linkes Comeback. Er gab sein Amt als EU-Klimakommissar auf, um Premier zu werden. Doch die Umfragen sind enttäuschend. Er bleibt deutlich hinter Omtzigt und Yesilgöz zurück. Statt einem linken Comeback zeichnet sich ein deutlicher Rechtsruck ab.
Vermutlich sind vier Parteien nötig für eine Mehrheit der 150 Sitze zählenden Zweiten Kammer. Der gemäßigte Omtzigt und die rechtsliberale Yesilgöz würden wohl zusammen regieren und suchen Partner auf der rechten Seite.
Geert Wilders
Und da kommt erstmals seit langem der Rechtspopulist Geert Wilders (60) ins Spiel. Bisher hatten ihn fast alle Parteien wegen seiner Hetze gegen den Islam ausgeschlossen. Omtzigt hat zwar weiterhin Bedenken, doch die VVD ist offen für Zusammenarbeit. Wilders wittert seine Chance. Der Rechtsaußen startete eine Charme-Offensive und mottete sogar seinen Kampf gegen den Islam ein. «Das hat zur Zeit keine Priorität», sagt er - sein neuer Beiname: «Geert Milders».