«Regional betrachtet kommen wir in Mitteleuropa vergleichsweise glimpflich beim Klimawandel weg», sagt Gößling. Im Mittelmeerraum sei die Lage schon brenzliger mit Hitze und Trockenheit. «Man darf sich die Situation bei uns nicht schön reden», warnt Gößling. Der Chef der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, verweist auf die trockenen Sommer und die verheerende Überschwemmung im Ahrtal 2021. «Solche Ereignisse werden häufiger, und sie werden auch Deutschland betreffen», sagt er der dpa. «Dazu kommt der Migrationsdruck aus Afrika, wo die Herausforderungen viel größer sind.»
Es bleibt über Jahrzehnte schwierig
Die schlechte Nachricht: Mehr Extremereignisse sind auf Jahrzehnte hinaus vorprogrammiert - auch wenn die Treibhausgasemissionen rasch reduziert würden. «Der negative Trend wird sich bis in die 2060er Jahre fortsetzen», sagt Taalas. Das liegt an den bereits ausgestoßenen Treibhausgasen, die noch so lange in der Atmosphäre wirken. «Und bei den Berggletschern haben wir den Kampf schon verloren», sagt er. «Wir erwarten, dass sie bis Ende des Jahrhunderts völlig geschmolzen sind.» Der schädliche Treibhausgasausstoß müsse aber jetzt dringend so gedrosselt werden, damit die heutigen Kinder und ihre Nachkommen ab den 2060er Jahren ein besseres Klima erleben.
Was zu tun ist
Das Ende der klimaschädlichen fossilen Energie - Kohle, Öl, Gas - ist der größte Hebel gegen den Klimawandel. Unterschätzt werde aber der große andere Hebel, der Umgang mit Landflächen, sagt Gößling. «Es ist ja krass, dass 75 Prozent der Agrarflächen der Welt entweder als Weidefläche oder um Futterpflanzen für Tiere anzubauen genutzt werden», sagte er. Mehr pflanzenbasierte Nahrung brauche weniger Fläche für die gleiche Menge Proteine und Kalorien. Wald kann mehr CO2 aufnehmen als Weiden. «Zurück zu mehr naturbelassenen Flächen hätte neben einer deutlich besseren Klimabilanz auch den extrem wichtigen Effekt, dass es entscheidend gegen den Verlust der Artenvielfalt hilft.»
Wenn die Länder sich in Dubai wie erhofft deutlich stärkere Klimaschutzmaßnahmen auferlegen, sieht Taalas in den 2030er Jahren im günstigsten Fall eine andere Welt: «Dann nutzen wir keine Kohle mehr als Energiequelle, die Mehrheit der Autos weltweit fährt elektrisch, wir nutzen mehr öffentliche Verkehrsmittel, wir essen weniger Fleisch und Reis, der große Methan-Emissionen verursacht, wir stoppen die Abholzung der tropischen Regenwälder und beschleunigen den Technologietransfer, mit dem aufstrebende Länder klimaneutral wachsen können.»
Was kurzfristig zu erwarten ist: 2024
Ob der nächste Sommer in Deutschland heiß oder trocken wird, kann jetzt noch niemand voraussagen. Global könnte es aber noch wärmer werden als in diesem Jahr. «Ich schätze die Chancen auf 50:50», sagt Gößling. Das liegt am Wetterphänomen El Niño, das dieses Jahr begann. Es heizt alle paar Jahre den Pazifik auf und erhöht die globale Mitteltemperatur um rund 0,2 Grad. In der Regel schlägt sich das erst im Jahr nach dem Auftreten nieder, das wäre dann 2024.
Dieses Mal könnte es aber auch anders sein. 2023 gab es Zufallsschwankungen beim Wetter im Frühling, sagt Gößling. Schwache Passatwinde führten zu einer starken Erwärmung der Meeresoberfläche, vor allem im Nordatlantik, was die globale Durchschnittstemperatur erheblich nach oben drückte. «Die schwachen Passatwinde haben nicht zwangsläufig etwas mit dem Klimawandel zu tun» sagt er. Deshalb ist es nicht gesagt, dass der Atlantik 2024 wieder so warm wird wie 2023.