In einer Mitteilung des Forums der Geiselangehörigen hieß es am Donnerstag: «Ganz Israel sehnt sich nach einer Sache: der Umsetzung des Witkoff-Vorschlags im Rahmen einer umfassenden Vereinbarung, die alle 48 Geiseln nach Hause bringt und diesen Krieg beendet.» Der Vorschlag sah eine 60-tägige Waffenruhe vor, während der zunächst zehn lebende Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen.
Netanjahu beharrt jedoch inzwischen auf einem umfassenden Deal, bei dem alle Geiseln auf einen Schlag freigelassen werden, nicht wie bei früheren Vereinbarungen nach und nach in mehreren Gruppen. Von den 48 Geiseln, die sich in Gaza befinden, sind nach israelischen Informationen noch 20 am Leben. Bei den anderen geht es demzufolge um die Überstellung ihrer sterblichen Überreste.
Zudem pocht Netanjahu auf eine Kapitulation und Entwaffnung der Hamas – was die Islamisten ablehnen. Ob sie bereit wären, alle verbliebenen Geiseln auf einmal freizulassen, ist nach den jüngsten öffentlichen Äußerungen unklar. Ein weiterer Streitpunkt: Israel will die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen behalten, während die Hamas den Abzug der israelischen Truppen fordert.
Israels Armeechef warnt vor Einnahme der Stadt Gaza
Generalstabschef Zamir hatte laut dem Nachrichtenportal «net» bei der Sitzung des Sicherheitskabinetts gewarnt, dass eine Einnahme der Stadt Gaza zu einer israelischen Militärverwaltung führen würde. Der Grund sei, dass die politische Führung keine Alternative für die Zeit nach dem Krieg vorbereite. Eine Militärverwaltung durch Israel würde Hoffnungen auf eine Zweistaatenlösung einen weiteren Dämpfer verpassen. Frankreich und andere Staaten wollen bei der nächsten UN-Vollversammlung in diesem Monat einen Staat Palästina anerkennen.
Israel: Kein Macron-Besuch ohne Kurswechsel Frankreichs
Israels Regierung lehnt eine solche Anerkennung kategorisch ab. Deswegen erteilte sie einem möglichen Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Israel eine Absage. Außenminister Gideon Saar ließ wissen, er habe in einem Telefonat mit seinem französischen Kollegen Jean-Noël Barrot gesagt, er sehe «keinen Raum» für einen solchen Besuch, solange Frankreich an seinem Vorstoß festhalte. Offizielle Pläne für einen möglichen Besuch Macrons in Israel sind nicht bekannt.
Die Anerkennung eines Staates Palästina wäre aus Sicht der israelischen Regierung eine «Belohnung für die Hamas» nach dem Massaker im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 und eine existenzielle Bedrohung für den jüdischen Staat. Bei dem Terrorüberfall waren rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt worden.
Das Massaker war der Auslöser des Gaza-Krieges. Seither wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 64.200 Palästinenser in dem dicht besiedelten Küstengebiet getötet. Die unabhängig kaum überprüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
Israel weist Genozid-Vorwurf zurück
Den nun von EU-Kommissarin Ribera geäußerte Vorwurf, Israel begehe im Gazastreifen einen Genozid, weist Israels Regierung - wie auch die deutsche Regierung - zurück. Der Begriff Genozid (Völkermord) bezeichnet laut UN-Konvention die Absicht, eine Bevölkerungsgruppe zu zerstören.
Das israelische Außenministerium erklärte zu Riberas Äußerungen: «Anstatt die von der Hamas verbreitete "Völkermord"-Legende nachzuplappern, hätte Ribera die Freilassung aller Geiseln und die Niederlegung der Waffen durch die Hamas fordern sollen, damit der Krieg beendet werden kann.» Die für Wettbewerbspolitik und grünen Wandel zuständige EU-Kommissarin hatte den Begriff in einer Rede an der Pariser Eliteuniversität Sciences Po verwendet.