"Hoffnungslos": Emotionales Interview deutscher Hamas-Geisel - Tochter gelang spektakuläre Flucht

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Angst und Hoffnungslosigkeit bestimmten ihren Alltag: Die ehemalige deutsche Hamas-Geisel Yarden Romann hat einem US-Sender ein bewegendes Interview.

Die islamistisch-terroristische Hamas hat Israel vom Gazastreifen aus massiv aus der Luft, am Boden und von See aus angegriffen. "Bürger Israels, wir sind im Krieg", teilte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aus dem Militärhauptquartier mit. Die Attacken auf beiden Seiten dauern nun schon seit mehreren Wochen an.

Nach der Entführung etlicher Menschen durch die Hamas ist das Schicksal vieler Geiseln noch immer ungewiss. Wie sich der Nahost-Konflikt auf Deutschland auswirkt, liest du in unserem separaten Artikel.

Update vom 18.12.2023, 8 Uhr: Deutsche Hamas-Geisel gibt emotionales Interview

In der Gefangenschaft der Terrororganisation Hamas haben laut Angaben einer befreiten deutsch-israelischen Geisel vor allem Frauen besondere Ängste durchzustehen. "Als Frau hast du nie die Angst ganz aus dem Kopf bekommen, vergewaltigt oder Teil einer Reihe von Taten zu werden, niemals", sagte Yarden Romann in einem Interview dem US-Sender CBS.

"Es ist einfach keine Option, weil du so lange du da bist, hoffnungslos bist. Du hast keinen Schutz, du kannst nie widersprechen, es könnte dich dein Leben kosten", sagte Romann in einem am Sonntag bei der Plattform X vorab veröffentlichten Ausschnitt der Sendung 60 Minutes. Die Angst sei nicht immer extrem gewesen, aber nie verschwunden, sagte sie.

Romann war Ende November von der Hamas im Rahmen eines Abkommens mit der israelischen Regierung freigelassen worden. Sie war nach Angaben ihrer Familie zu Besuch bei ihren Schwiegereltern im Kibbuz Beeri im Grenzgebiet, als sie, ihr Mann und ihre kleine Tochter dort beim Massaker am 7. Oktober von Terroristen in einen Wagen gezerrt wurden. Den dreien gelang es zunächst, auf dem Weg in den Gazastreifen zu fliehen, sie wurden jedoch auf der Flucht getrennt. Ihr Mann und ihre Tochter versteckten sich im Gebüsch und entkamen.

Auch Wochen nach dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober kommen weiter neue Berichte über brutale sexuelle Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen ans Licht. Die israelische Polizei hat wegen der Berichte über massenhafte sexuelle Verbrechen an Frauen an dem Tag Ermittlungen aufgenommen. Eine unabhängige Expertenkommission sammelt zudem ebenfalls Augenzeugenberichte, forensisches und anderes Beweismaterial. Die Berichte schüren auch die Sorge um junge Frauen, die sich noch in der Gewalt der Terrororganisation befinden und deren Freilassung die Hamas bisher verweigert hat.

Update vom 24.11.2023, 19.10 Uhr: Erste Hamas-Geiseln frei - darunter wohl vier Deutsche

Eine Gruppe von 24 aus Israel verschleppten Menschen konnte den Gazastreifen verlassen, wie ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf mitteilte. Israel bestätigte später die Ankunft der Geiseln auf seinem Staatsgebiet. Nach Angaben des Vermittlers Katar waren unter den Freigelassenen 13 Israelis, zehn Thailänder und ein philippinischer Staatsbürger.

Unter den im Gazastreifen freigelassenen Geiseln sind auch mehrere Menschen, die nach Angaben ihrer Familien auch über eine deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu veröffentlichte am Freitagabend eine Namensliste der israelischen Freigelassenen. Darunter waren auch die Namen von vier Personen, deren Familien sie als Deutsche benannt hatten. Darunter waren eine 34-Jährige sowie ihre beiden Töchter im Alter von zwei und vier Jahren sowie eine 77-Jährige.

Im Gegenzug zu den nun freigelassenen Geiseln sollte Israel noch am Abend 39 palästinensische Häftlinge freilassen, die Haftstrafen verbüßten. Nur Stunden zuvor war eine Feuerpause in Kraft getreten, mit deren Beginn auch die Ausweitung humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen anlief.

Update vom 22.11.2023, 11.30 Uhr: Feuerpause zwischen Israel und der Hamas festgelegt

Über Wochen versuchte Katar, im Gaza-Krieg zumindest einen mehrtägigen Waffenstillstand und die Freilassung von Geiseln zu vermitteln - mit Erfolg. Die islamistische Hamas und Israel haben sich auf eine viertägige Feuerpause geeinigt. Vor allem um einen Austausch von 50 Geiseln gegen palästinensische Gefangene zu ermöglichen. Der Beginn der Kampfpause soll nach Angaben des vermittelnden Katars innerhalb von 24 Stunden bekannt gegeben werden.

Die Hamas soll dem Deal zufolge 50 Frauen und Minderjährige unter den rund 240 Geiseln freilassen, die beim Terrorangriff am 7. Oktober aus Israel verschleppt wurden. Im Gegenzug soll eine nach Angaben Katars noch unbestimmte Zahl an weiblichen und minderjährigen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen entlassen werden. Laut Hamas handelt es sich um 150 Häftlinge, die freikommen sollen. Bei den freizulassenden Geiseln soll es sich israelischen Medien zufolge um 30 Kinder, acht Mütter sowie zwölf ältere Frauen handeln.

In Israel wird erwartet, dass die schrittweise Freilassung der 50 Geiseln bereits am Donnerstag beginnen könnte. An jedem Tag der Kampfpause sollen Medienberichten zufolge zwischen zehn und 13 Geiseln freikommen. Zudem soll über sechs Stunden die Luftüberwachung des Militärs über dem Gazastreifen eingestellt werden.

Lichtblick im Gaza-Krieg? Baerbock spricht von Durchbruch

Die Vereinbarung ist ein möglicher Lichtblick im seit sechs Wochen anhaltenden Krieg zwischen Hamas und Israel. Sie gibt ein wenig Hoffnung für einige der Geiseln, die beim verherrenden Überraschungsangriff der Hamas verschleppt wurden. Und sie könnte der notleidenden Zivilbevölkerung im Gazastreifen  zumindest einige Tage ohne Kampfhandlungen verschaffen.

Die Ankündigungen aus dem Kriegsgebiet sind nach Auffassung der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ein Durchbruch. "Die angekündigte Freilassung einer ersten größeren Gruppe von Geiseln ist ein Durchbruch - auch wenn nichts auf der Welt ihr Leid ungeschehen machen kann", schrieb die Grünen-Politikerin auf X. Es sei zudem wichtig, dass man die "humanitäre Pause" nutzt, um lebensnotwendige Hilfslieferungen zu den Menschen in Gaza zu bringen, so die Außenministerin weiter in ihrem Post.

Bei dieser Geiselbefreiung handelt es sich um die erste größere Befreiung seit Kriegsbeginn. Von den knapp 240 Verschleppten des Hamas-Angriffs Anfang Oktober wurden bislang nur vier weibliche Geiseln freigelassen. Unter den Entführten sind zahlreiche Ausländer und Doppelstaatsbürger, darunter auch mehrere Deutsche. Wie viele noch am Leben sind, ist unklar.

Update vom 04.11.2023, 16.20 Uhr: Israel sieht Krankenwagen-Missbrauch der Hamas - Ausreisestopp aus Gaza nach Angriff

Nach einem israelischen Angriff auf einen Krankenwagen sind Ausreisen aus dem Gazastreifen vorerst gestoppt worden. Betroffen sind verletzte Palästinenser ebenso wie Ausländer und Palästinenser mit doppelter Staatsbürgerschaft. Aus Sicherheitskreisen in Gaza hieß es, dass Ausländer den Gazastreifen nicht verlassen könnten, ehe nicht die Verwundeten nach Ägypten gebracht werden können.

Auch eine dem Ägyptischen Roten Halbmond nahestehende Quelle bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, Mitarbeiter des Palästinensischen Roten Halbmonds seien von den Behörden angewiesen worden, den Transport verwundeter Palästinenser vorerst einzustellen. Es müssten zunächst sichere Wege für die Durchfahrten von Krankenwagen aus dem Gazastreifen zum Grenzübergang Rafah zu Ägypten geschaffen werden.

Die Aussagen der Kriegsparteien zum Beschuss

Israels Armee hatte bei ihrem Vormarsch im Norden des Gazastreifens nach eigenen Angaben einen von der islamistischen Hamas benutzten Krankenwagen angegriffen. Dabei seien mehrere Terroristen getötet worden, teilte das Militär am Freitag mit.

Laut Palästinensischem Roten Halbmond und dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium sollten Verwundete zum Grenzübergang Rafah gebracht werden, damit sie in Ägypten behandelt werden können. Der Rote Halbmond verurteilte den Angriff auf den Konvoi von Krankenwagen. 15 Menschen sollen demnach bei dem Raketenangriff vor den Toren des Krankenhauses getötet und weitere 60 verletzt worden sein. Alle Angaben sind derzeit nicht unabhängig überprüfbar.

Bericht: Mehr als 700 Menschen warteten am Samstag auf Ausreise

Der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf ägyptische Behörden, dass am Samstag rund 730 Menschen aus dem Gazastreifen ausreisen sollten, unter ihnen 386 US-Bürger und 151 Deutsche. Dem Ägyptischen Roten Halbmond zufolge haben seit Ausbruch des Gaza-Kriegs bisher 1102 Ausländer und Palästinenser mit einem zweiten Pass den Gazastreifen verlassen.

Führende UN-Vertreter nach Beschuss entsetzt und schockiert

Die Bilder von auf der Straße liegenden Leichen vor dem Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza seien erschütternd, schrieb UN-Generalsekretär António Guterres am späten Freitagabend. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Ghebreyesus, schrieb auf der Plattform X (vormals Twitter): "Wir sind zutiefst schockiert über die Berichte über Angriffe auf Krankenwagen, die Patienten in der Nähe des Al-Schifa-Krankenhauses in Gaza evakuieren, die zu Todesfällen, Verletzungen und Schäden geführt haben." Er fügte hinzu: "Wir wiederholen: Patienten, medizinisches Personal, Einrichtungen und Krankenwagen müssen jederzeit geschützt werden. Immer." Der WHO-Chef forderte auch einen sofortigen Waffenstillstand.

Israel wirft Hamas Missbrauch von Gesundheitseinrichtungen vor

Israel wirft der Hamas seit langem vor, ihre Kommandozentren, Waffenlager und Raketenabschussrampen gezielt in zivilen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Schulen zu platzieren oder in Tunneln darunter - damit sie nicht aus der Luft bombardiert werden.

Von Israels Armee hieß indes, bei dem beschossenen Gebiet handele es sich um eine "Kampfzone". Das Schifa-Krankenhaus dient nach israelischer Darstellung auch als Hamas-Kommandozentrum. Man habe Informationen, die belegten, dass die "Vorgehensweise der Hamas darin besteht, Terroristen und Waffen in Krankenwagen zu transportieren", hieß es. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf Sicherheitskreise, die Hamas habe rund 30 000 Menschen im Umkreis der Klinik als "menschliche Schutzschilde" konzentriert.

Update vom 31.10.2023, 10.30 Uhr: Mutter von Shani Louk: "Wenigstens hat sie nicht gelitten"

Die Deutsche Shani Louk wollte wie Tausende andere junge Menschen beim Supernova-Festival im Süden Israels feiern und tanzen. Doch das Fest endete am 7. Oktober in einem Blutbad, als Hamas-Terroristen aus dem Gazastreifen Israel überfielen. Mindestens 260 Menschen wurden auf der Party in der Negev-Wüste getötet - darunter auch Shani Louk. Über den Tod der jungen Frau informierte die israelische Armee die Familie in der Nacht zum Montag, wie die Mutter Ricarda Louk der Deutschen-Presse-Agentur sagte. Die Familie dachte bisher, Shani Louk sei in den Gazastreifen verschleppt worden.

Die Nachricht sei zwar schrecklich, sagte Ricarda Louk. Es sei aber gut, nun Gewissheit zu haben. "Wenigstens hat sie nicht gelitten." Mit zahlreichen Interviews in internationalen Medien hatte sich Ricarda Louk für die Freilassung ihrer Tochter und der anderen Geiseln eingesetzt.

Terroristen hatten im Auftrag der islamistischen Hamas im Gazastreifen am 7. Oktober Massaker an Zivilisten in Israel angerichtet. Dabei und in den folgenden Tagen wurden mehr als 1400 Menschen in Israel getötet. Militante verschleppten nach Angaben des israelischen Militärs mindestens 239 Menschen in das Gebiet am Mittelmeer, darunter auch mehrere Deutsche.

Leiche von Shani Louk noch nicht gefunden

Die Leiche ihrer Tochter sei bislang zwar nicht gefunden worden, sagte Ricarda Louk. Man habe aber einen Splitter eines Schädelknochens gefunden und damit eine DNA-Probe gemacht. Wenn man an diesem inneren Schädelknochen verletzt sei, könne man nicht mehr leben, sagte die Mutter. Das erforderliche DNA-Vergleichsmaterial hätten die Eltern den Behörden schon vor längerer Zeit zur Verfügung gestellt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Ermordung von Shani Louk als "furchtbare" Tat und "Barbarei". "Hier ist ein Mensch auf brutale Weise ermordet worden", sagte er während seiner Afrika-Reise im nigerianischen Lagos. "Das zeigt welch Geistes Kind diese Täter sind. Das ist etwas, das wir als Menschen nur verachten können." Der Mord zeige "die ganze Barbarei, die hinter diesem Angriff der Hamas steckt", betonte Scholz. Deshalb müssten die von der EU als Terrororganisation eingestuften Islamisten zur Rechenschaft gezogen werden. Israel habe das Recht, sich zu verteidigen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte der Mutter: "Die Grausamkeit der Mordtat an Ihrer Tochter entsetzt uns alle", schrieb Steinmeier. "Überall in Deutschland fühlen die Menschen mit Ihnen. Gemeinsam stellen wir uns dem Hass und dem Terror entgegen."

Zu Aussagen des israelischen Präsidenten Izchak Herzog in der "Bild"-Zeitung, Shani Louk sei enthauptet worden, erklärte sein Sprecher auf Nachfrage: "Die Tatsache, dass ein erheblicher Teil ihres Schädels gefunden wurde, löste die Angst aus, dass sie geköpft wurde."

Die Mutter geht davon aus, dass ihre Tochter bereits seit dem 7. Oktober tot ist - möglicherweise sei die 22-Jährige auf dem Supernova-Festival durch einen Schuss in den Schädel getötet worden. Bilder und Videos, die im Internet kursierten, zeigten demnach damals den Körper der jungen Frau auf einem Pick-up der Angreifer. Unklar ist, ob die Terroristen die Leiche der Frau letztlich mit in den Gazastreifen genommen haben.

Ihre Familie hatte die junge Frau nach eigenen Angaben auf den Aufnahmen erkannt und sich schon kurz darauf mit der Bitte um Hilfe an die Öffentlichkeit gewandt. Zunächst ging Shani Louks Familie, von der ein Teil in Baden-Württemberg lebt, davon aus, dass die junge Frau bei dem Überfall schwer am Kopf verletzt wurde, aber am Leben war und sich im Gazastreifen befand. Diese Informationen hatte die Familie nach eigenen Angaben von einer "vertrauten Person im Gazastreifen" erhalten.

Orly Louk, die Tante von Shani Louk, schilderte die dramatischen Szenen bei dem Musikfestival damals so: "Sie war auf einer Party, in der Wüste, im Niemandsland. Dort tanzte sie mit einer Gruppe von Menschen. (...) Es wurde geschossen, die Partybesucher wurden gejagt. Die jungen Menschen rannten, versteckten sich, soweit ich weiß. In den Videos kann man sehen, was passiert ist."

Der 19-jährige Israeli Noam Cohen überlebte das Massaker auf dem Festivalgelände nur knapp, wie er kurz danach erzählte. Gemeinsam mit rund zwei Dutzend Festival-Besuchern habe er sich in einem Schutzbunker bei einer Bushaltestelle versteckt. Doch die Terroristen hätten mehrere Granaten in den Bunker geworfen. Er erinnere sich an Schüsse, Blut und Leichenteile. "Ich sah, wie Menschen neben mir explodierten, immer und immer wieder, Leichenteile überall." Von den mehr als 20 Festivalbesuchern im Bunker seien höchsten drei oder vier lebend rausgekommen.

Ein weiterer Überlebender berichtete davon, wie Menschen von den Angreifern lebendig in ihren Autos verbrannt wurden. Er selbst sei von zwei Terroristen an Gleitschirmfliegern aus der Luft beschossen worden.

Die Terroristen begingen zudem Massaker in zahlreichen Orten im Grenzgebiet. Auf Bildern, die die israelische Regierung später von den Gräueltaten präsentierte, waren grausam ermordete und verbrannte Kinder und enthauptete Menschen zu sehen.

Nach Militärangaben gelten seit dem Terrorüberfall immer noch 40 Menschen als vermisst. Wegen des schlimmen Zustands vieler Leichen ist auch die Identifikation noch nicht abgeschlossen.

Israel fliegt als Reaktion auf die Massaker Luftangriffe im Gazastreifen und greift auch mit Bodentruppen an. Dabei kamen laut dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium in Gaza mehr als 8000 Menschen ums Leben.

Ricarda Louk hatte nach dem Terrorangriff auch die Bundesregierung um Hilfe gebeten - auch bei einem Treffen mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Israel. Die Familie beklagte, dass sie von den deutschen und israelischen Behörden kaum Informationen erhalten hatte.

Orly Louk und ihr Mann Wilfried Gehr sahen das Treffen Mitte Oktober sehr kritisch: "Leider bleibt das Gefühl, dass die deutsche Außenministerin, der Botschafter und auch der Kanzler uns und alle Familien wirklich nicht unterstützt haben, die betroffenen Familien nur für ihre egoistischen Medienauftritte benutzt haben", teilten sie in einer Stellungnahme mit. Aber es bringe nichts, sich darüber zu beklagen. "Wir hoffen, dass dieser sinnlose Krieg in Israel und alle anderen Kriege bald aufhören."

Update vom 30.10.2023, 9.30 Uhr: Shani Louk ist laut Angaben ihrer Mutter tot

Die seit dem Hamas-Terrorüberfall auf Israel vermisste Deutsche Shani Louk ist nach Angaben ihrer Mutter tot. Das sei ihr vom israelischen Militär in der Nacht zum Montag mitgeteilt worden, sagte Shanis Mutter Ricarda Louk der Deutschen Presse-Agentur. Zunächst hatte RTL/ntv darüber berichtet.

Die Leiche ihrer Tochter sei bislang zwar nicht gefunden worden, sagte Ricarda Louk. Man habe aber einen Splitter eines Schädelknochens gefunden und daran eine DNA-Probe gemacht. Das erforderliche Vergleichsmaterial hätten die Eltern schon vor längerer Zeit zur Verfügung gestellt. Die Mutter geht davon aus, dass ihre Tochter bereits seit dem 7. Oktober tot ist - möglicherweise sei sie bei dem Terrorüberfall durch einen Schuss in den Schädel getötet worden.

Die 22 Jahre alte Shani Louk wurde nach Angaben ihrer Familie bei einem Musikfestival in der israelischen Negev-Wüste von der islamistischen Hamas getötet. Bilder und Videos, die im Internet kursierten, zeigten demnach den Körper der jungen Frau auf einem Pick-up. Zunächst ging Shani Louks Familie, von der ein Teil in Baden-Württemberg lebt, davon aus, dass die junge Frau schwer verletzt wurde, aber am Leben war und sich im Gazastreifen befand. Die Familie sich seit dem Überfall für die Freilassung aller Geiseln eingesetzt.

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben 239 Familien informiert. Nach Militärangaben gelten 40 Menschen seit dem Terroranschlag der Hamas weiter als vermisst. Wegen des schlimmen Zustands vieler Leichen ist auch die Identifikation noch nicht abgeschlossen. Die Nachricht sei zwar schrecklich. Es sei aber gut, nun Gewissheit zu haben. "Wenigstens hat sie nicht gelitten", sagte Ricarda Louk.

Update vom 22.10.2023: Selbstgebaute Bombe vor israelischer Botschaft in Nikosia gezündet 

Nahe der israelischen Botschaft in Zyperns Hauptstadt Nikosia ist ein kleiner Sprengsatz explodiert, der keinen Schaden anrichtete. Die Polizei nahm vier Männer im Alter zwischen 17 und 21 Jahren in Gewahrsam, wie der zyprische Rundfunk unter Berufung auf die Behörden berichtete.

Der Sprengsatz sei von geringer Leistung gewesen. Er explodierte demnach am frühen Samstagmorgen rund 30 Meter vom Eingang der Botschaft entfernt.

Der Sprengsatz bestand aus einem metallischen Gegenstand, der mit Material gefüllt war, das auch für Feuerwerk benutzt wird, wie es in Berichten zyprischer Medien hieß. Die vier in Gewahrsam genommenen Männer sollen aus Syrien stammen, berichteten örtliche Medien weiter.

Update vom 21.10.2023, 13.15 Uhr: "Werden die Führung der Hamas eliminieren" - Israelischer Botschafter äußert sich zur Lage im Gaza-Streifen

Der isrealische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, hat ein weiterhin hartes Vorgehen gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas angekündigt. "Wir werden die Infrastruktur der Hamas völlig zerstören. Wir werden die Führung der Hamas eliminieren", sagte Prosor am Samstag (21. Oktober 2023) in Braunschweig. Es stehe ein langer Krieg bevor, für den einzig die Hamas verantwortlich sei, sagte er beim Deutschlandtag der Jungen Union.

Prosor bezeichnete den 7. Oktober als "dunkelsten Tag in der Geschichte des Staates Israel". Die islamistische Hamas war am 7. Oktober mit Hunderten Terroristen in israelische Grenzorte eingedrungen und hatte ein Massaker mit 1400 Todesopfern angerichtet. Seither bombardiert Israel Hamas-Stellungen im Gazastreifen, wo Hunderttausende Palästinenser in den Süden geflüchtet sind.

Die Bevölkerung müsse von der Hamas befreit werden, sagte Prosor. "In verschiedenen Fällen ist die Hamas schlimmer als der Islamische Staat, damit ist es eine Gefahr für uns alle, nicht nur für Israel", sagte er weiter. "Die Hamas hat diesen Krieg gewollt und ihn uns aufgezwungen", sagte Prosor. Israel traf zuletzt weiter Vorbereitungen für eine Bodenoffensive in den Landstrich am Mittelmeer.

Mit Blick auf Ausschreitungen bei pro-palästinensischen Kundgebungen auf den Straßen sagte Prosor: "Hamas-Anhänger sind das trojanische Pferd der deutschen Demokratie. Sie missbrauchen sie jeden Tag". Dagegen müsse jetzt etwas getan werden.

Update vom 18.10.2023, 7.50 Uhr: Raketeneinschlag in einem Krankenhaus im Gazastreifen

Nach dem Raketeneinschlag in einem Krankenhaus im Gazastreifen mit mutmaßlich Hunderten von Toten und Verletzten wächst die Sorge vor einer Eskalation des Konflikts im Nahen Osten. Während die von der islamistischen Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen sowie auch mehrere arabische Staaten Israel die Verantwortung für den Raketeneinschlag gaben, wies die israelische Armee dies entschieden zurück. "Das Krankenhaus wurde durch eine fehlgeschlagene Rakete der Terrororganisation Islamischer Dschihad getroffen", erklärte die Armee in der Nacht auf Mittwoch. Sie kündigte an, Beweise für die Annahme öffentlich machen zu wollen. Die Ereignisse lösten spontane Proteste in der arabischen Welt und auch in einigen deutschen Städten aus.

Israel weist Verantwortung zurück

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies unterdessen die Verantwortung für den Raketeneinschlag zurück. "Die ganze Welt sollte es wissen: Es waren barbarische Terroristen in Gaza, die das Krankenhaus in Gaza angegriffen haben", sagte Netanjahu am Dienstag. Israels Präsident Izchak Herzog kritisierte Medien, die in ihrer Berichterstattung Israel für den Raketeneinschlag verantwortlich machen. "Schande über die Medien, die die Lügen der Hamas und des Islamischen Dschihad schlucken und eine Blutverleumdung des 21. Jahrhunderts rund um den Globus verbreiten", schrieb Herzog auf X.

Eine Überprüfung der operativen und nachrichtendienstlichen Systeme habe ergeben, dass das israelische Militär das Krankenhaus Al-Ahli in Gaza "nicht getroffen" habe, erklärte Militärsprecher Daniel Hagari. Das Gesundheitsministerium im Gazastreifen hatte dagegen mitgeteilt, dass bei einem israelischen Luftangriff auf das Krankenhaus "mehrere Hundert" Menschen getötet und verletzt worden seien. Eine genaue Zahl wurde dabei nicht genannt. Unabhängig war dies nicht zu überprüfen.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte eine lückenlose Aufklärung. Er rief die Staaten mit Einfluss in der Region auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Ereignisse dort zum Ende zu bringen. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte den Raketeneinschlag. "Nichts kann einen Angriff auf ein Krankenhaus rechtfertigen", schrieb er auf X.

Scholz jetzt in Ägypten

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) traf bereits in der Nacht zum Mittwoch aus Israel kommend in der ägyptischen Hauptstadt ein, nachdem sich der Abflug wegen Raketenalarms verzögert hatte. Am Morgen will Scholz Ägyptens Staatschef treffen. Am selben Tag soll sich der Weltsicherheitsrat mit dem Raketeneinschlag beschäftigen.

Update vom 18.10.2023, 7.04 Uhr: "Nur Scholz kann Shani retten" - Gespräche im Schutzraum der Botschaft wegen Raketenalarm

Dass es ein Besuch im Kriegsgebiet ist, bekommt der Kanzler in Tel Aviv ganz unmittelbar zu spüren. Wegen Raketenalarms muss er sich in einem Schutzraum verschanzen. Auch sonst ist es für ihn eine denkwürdige Visite bei einem ganz besonderen Verbündeten.

Zehn Tage nach dem Terrorangriff der Hamas hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Israel bei einem Besuch in Tel Aviv die volle Solidarität Deutschlands versichert. "Die Sicherheit Israels und seiner Bürgerinnen und Bürger ist deutsche Staatsräson", sagte er am Dienstag nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Tel Aviv. "Unsere aus dem Holocaust erwachsene Verantwortung macht es zu unserer Aufgabe, für die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel einzustehen."

Auch Netanjahu erinnerte mit harschen Worten an den Holocaust und verglich die Morde der Hamas mit den Massakern der Nazis: "Die Hamas sind die neuen Nazis", sagte er. Zwei Mal wurde der Besuch von Raketenalarm unterbrochen. Der Kanzler musste sich jeweils für mehrere Minuten in einem Schutzraum verschanzen.

Netanjahu vergleicht Hamas-Morde mit Nazi-Massaker

Scholz und Netanjahu trafen sich wegen des Ausnahmezustands im ganzen Land nicht wie sonst üblich im Büro des Ministerpräsidenten in Jerusalem sondern im Verteidigungsministerium in Tel Aviv. In der Eingangshalle stehen dieser Tage Dutzende Reservisten an, um sich zum Kriegsdienst zu melden. Dass Netanjahu nach dem Gespräch überhaupt mit Scholz vor die Presse trat, war eine Seltenheit. Seit den Terrorattacken hat es das nicht mehr gegeben. Fragen der Journalisten wurden aber nicht zugelassen.

Netanjahu sagte, die Gräueltaten der Hamas seien die schlimmsten Verbrechen an Juden seit dem Völkermord der Nazis. Er verglich sie mit dem Massaker in der Schlucht von Babyn Jar bei Kiew, wo 1941 etwa 33 000 Juden innerhalb kurzer Zeit hingerichtet und verscharrt wurden.

"Dies ist eine Grausamkeit, die wir nur von den Nazi-Verbrechen während des Holocaust erinnern", sagte Netanjahu zu den Hamas-Verbrechen. Er verglich die Organisation auch mit dem Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS). Die Welt müsse Israel dabei helfen, die Hamas zu zerstören, forderte Netanjahu.

Gespräch mit Oppositionsführer im Schutzraum der Botschaft

Während die beiden Regierungschefs die Journalisten informierten, wurde der Großraum Tel Aviv zwei Mal mit Raketen beschossen. Im Stadtzentrum selbst waren zunächst keine Warnsirenen zu hören, aber zwei laute Explosionen. Als die Kolonne des Kanzlers das Verteidigungsministerium verließ, waren Abschüsse von Abwehrraketen des Schutzschirms Iron Dome (Eisenkuppel) zu hören, der die Metropole vor den Angriffen der Hamas schützen soll.

Anschließend kam es zu den Raketenalarmen in der Botschaft. Der erste erfolgte während eines Gesprächs mit dem Oppositionspolitiker Benny Gantz, das dann im Schutzraum fortgesetzt wurde. Der zweite kurz vor einem EU-Videogipfel, an dem Scholz von Tel Aviv aus teilnahm.

Kein Zögern: Diesmal ist Scholz ist der Erste

Scholz ist einer der ersten Regierungschefs, der Israel nach den Attacken der Hamas besuchte - noch vor US-Präsident Joe Biden, der am Mittwoch in Tel Aviv erwartet wird. Das kommt nicht von ungefähr.

Schon 2008 hatte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Sicherheit Israels in einer Rede vor dem israelischen Parlament, der Knesset, zur Staatsräson erklärt. Scholz hat sich das zu eigen gemacht. Jetzt gilt es zu zeigen, was Staatsräson bei einem konkreten Angriff bedeutet.

Und da will sich Scholz auch nicht wieder Zögerlichkeit vorwerfen lassen wie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Damals dauerte es fast vier Monate, bis er sich mit dem Zug nach Kiew aufmachte. Zu diesem Zeitpunkt waren schon etliche Staats- und Regierungschefs und selbst Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) dort gewesen. Jetzt gehört Scholz zu den Allerersten seines Rangs, der seine Solidarität vor Ort zeigt.

Deutsche Rückendeckung für Militärschläge gegen die Hamas

Dass Israel von ihm vor allem Rückendeckung für seine Militärschläge gegen die Hamas erwartet, machte Netanjahu bei dem Treffen sehr deutlich. Scholz hat diese in den vergangenen Tagen auch immer wieder versprochen - und zwar ohne Einschränkungen oder Verweise auf das Völkerrecht. "Es ist völlig klar, Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen diesen Terror zu wehren", sagt er auch in Tel Aviv wieder. "Jeder Staat hat die Pflicht, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen."

Militärische Unterstützung erwarten die Israelis von Deutschland dagegen bisher kaum. Zwei geleaste israelische Drohnen, die auch bewaffnet werden können, wurden von der Bundeswehr zurückgegeben. Einen Antrag auf Lieferung von Munition für Kriegsschiffe hat Israel nach Angaben der Bundesregierung inzwischen wieder zurückgestellt.

Konkret geht es nun vor allem um humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen, die von Israel vor einer möglichen Bodenoffensive zu Hunderttausenden zur Flucht aufgefordert wurden. Scholz betonte am Dienstag, dass Deutschland weiter solche Hilfe für die notleidenden Menschen in Gaza leisten werde. Und er sagte: "Wir setzen uns dafür ein, dass es einen humanitären Zugang zum Gaza-Streifen gibt." Das soll auch ein Schwerpunkt sein, wenn US-Präsident Biden am Mittwoch nach Israel kommt.

Bemühungen um Geiselbefreiung: "Nur Scholz kann Shani retten"

Nicht zuletzt geht es Scholz bei seiner Nahost-Mission um die Freilassung der rund 200 in den Gaza-Streifen verschleppten Geiseln der Hamas - darunter sind mehrere Deutsche, zu denen die Bundesregierung keinen Kontakt hat. Mit Angehörigen von ihnen traf sich Scholz in Tel Aviv. Vor der Botschaft standen Freunde der verschleppten Shani Louk mit einem Plakat: "Only Scholz can save Shani" - "Nur Scholz kann Shani retten".

Um die Geiseln wird es auch gehen, wenn Scholz am Mittwoch in Kairo, der zweiten Station seiner Nahost-Reise, mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi zusammentreffen wird. Der Kanzler setzt darauf, dass Ägypten seinen Einfluss auf die Hamas geltend machen kann.

Update vom 17.10.2023, 19.18 Uhr: Dumpfe Explosionen bei Kanzler-Besuch in Tel Aviv

Wegen eines Raketenalarms musste Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag während seines Besuchs in Tel Aviv in einen Schutzraum der deutschen Botschaft. Er habe sich dort wenige Minuten aufhalten müssen, hieß es aus seinem Umfeld. Im Zentrum der Stadt waren mehrere dumpfe Explosionen des Raketenabwehrsystems Eisenkuppel (Iron Dome) zu hören.

Scholz war am Nachmittag zu einem Solidaritätsbesuch in Israel gelandet. Neben Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kam er mit Präsident Izchak Herzog zusammen. Ein Treffen mit Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett, war wegen des zweiten Raketenalarms unterbrochen worden.

Hunderte von Terroristen waren am 7. Oktober im Auftrag der im Gazastreifen herrschenden Hamas in einem Überraschungsangriff über die Grenze nach Israel gekommen. Israel reagierte mit Luftangriffen im Gazastreifen.

Tel Aviv gilt als verhältnismäßig sicher. Es kommt jedoch auch hier täglich mehrmals zu Raketenalarm. Auch während des Besuchs von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der vergangenen Woche heulten die Sirenen.

Update vom 14.10.2023, 16 Uhr: Baerbock sichert Familie von Shani Louk Unterstützung zu

Im Fall der mutmaßlich von Hamas-Terroristen in den Gazastreifen verschleppten Deutschen Shani Louk hat Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) der Familie nach deren Angaben ihre Unterstützung zugesichert. Konkrete Ergebnisse habe es bei dem Treffen am Freitag in Israel jedoch nicht gegeben, sagte Wilfried Gehr am Samstag der dpa. Gehr ist der Lebensgefährte von Shanis Tante. Beide halten sich aktuell in Sulz am Neckar in Baden-Württemberg auf. Das Auswärtige Amt wollte sich zu dem Treffen nicht äußern.

Die 22-jährige Shani Louk soll beim Terrorangriff auf Israel am vergangenen Wochenende nach Überzeugung ihrer Familie verschleppt worden sein. Sie sei bei dem Musikfestival in der israelischen Negev-Wüste von der islamistischen Hamas als Geisel genommen worden. Shani Louks Familie, von der ein Teil in Ravensburg lebt und ein anderer Teil regelmäßig in Sulz am Neckar ist, geht davon aus, dass die junge Frau schwer verletzt, aber am Leben ist und sich im Gazastreifen befindet.

Shanis Mutter Ricarda hatte sich mit der Bitte um Hilfe an die Öffentlichkeit gewandt. Auch die Tante der jungen Frau hatte an die Behörden appelliert. Die Familien hätten bei dem Treffen mit Baerbock die Geschichten der Verschleppten erzählen dürfen, und bei der Außenministerin seien dabei auch ein paar Tränen geflossen, sagte Gehr. Shanis Mutter Ricarda habe durch das Treffen etwas beruhigt werden können.

Gehr dagegen kritisierte das Gespräch als Polit-Show: Man habe die Familien lediglich als "Statisten" benutzt, tue aber zu wenig, um die Gefangenen zu befreien, sagte er.

Update vom 13.10.2023, 14 Uhr: Massaker in Israel - Überlebende sprechen über den Horror

Der 19-jährige Israeli Noam Cohen dachte, er sei nach einem Massaker der islamistischen Hamas in Sicherheit. Doch der enge Schutzbunker, in dem er sich mit rund zwei Dutzend Festival-Besuchern versteckte, wird zur Todesfalle. "Uns wurde klar, hier wollten die Terroristen uns haben, völlig ausgeliefert", sagt Cohen. Mehrere Granaten seien in den randvollen Bunker geworfen worden.

Er erinnere sich an Schüsse, Blut und Leichenteile. "Ich sah, wie Menschen neben mir explodierten, immer und immer wieder, Leichenteile überall." Dabei zeigt er kurze Videos, die den Schrecken dokumentieren. Hunderte Angreifer der islamistischen Hamas hatten am Samstag das Feuer auf einer Rave-Party im Grenzgebiet zum Gazastreifen eröffnet und die jungen Feiernden in den Schutzraum nahe einer Bushaltestelle getrieben.

Er sei ganz hinten gestanden, das habe ihn gerettet. "Unter Leichen habe ich mich verstecken können, sie wurden zu einem menschlichen Schutzschild", sagt er. Nach rund zehn Stunden sei er gefunden und ins Krankenhaus gebracht worden. Von den mehr als 20 Festivalbesuchern im Bunker seien höchsten drei oder vier lebend rausgekommen. "Ich weiß nicht, wie ich überlebt habe."

Rund 150 Menschen wurden in den Gazastreifen verschleppt

Insgesamt ermordete die Hamas an dem Tag mehr als 1000 Zivilisten, davon laut Rettungssanitätern rund 260 allein auf dem Festival. Dutzende weitere wurden in den Gazastreifen entführt. Unter den Verschleppten ist wahrscheinlich auch die 38-jährige Schiran. "Lauf weiter", waren die letzten Worte, die ihr Mann Nathan ihr zurief, bevor er zusammenklappte. Die beiden waren gekommen, um auf dem Supernova Festival den Hauptact zum Sonnenaufgang zu sehen, erzählt er am Telefon aus dem Krankenhaus. "Dann kamen Hunderte Terroristen von allen Seiten und jagten uns."

Zunächst seien sie mit einem Auto geflüchtet, mussten jedoch zu Fuß weiter. "Die Straße war komplett dicht, überall Schüsse, wir konnten nur noch laufen", sagt der dreifache Familienvater mit leiser Stimme. Im Auto seien auch noch zwei weitere Frauen gewesen, er könne sich nicht erinnern, was mit ihnen passiert ist. Alles sei verschwommen. Zwei Terroristen feuerten mit Drachenfliegern aus der Luft auf ihn und er sackte zusammen. Es war das letzte Mal, dass er sah, wie seine Frau in einer Menschenmenge verschwand.

Vier Stunden lang harrte er nach eigenen Angaben in der heißen Negev-Wüste auf dem Sandboden aus, stellte sich tot. Dabei habe er miterleben müssen, wie um ihn herum Menschen lebendig in Autos von den Angreifern verbrannt wurden. "In meinem Kopf sind Bilder von verbrannten Körpern", sagt Nathan. Wo seine Frau jetzt ist, wisse er nicht. Er gehe aber davon aus, dass sie mit rund 150 weiteren Menschen in den Gazastreifen verschleppt wurde.

Rettungshelfer aus Israel beschreibt den Terror: "Es waren Lkws voller Leichen"

Ein Freiwilliger des Rettungsdienstes Zaka spricht nach dem Massaker von einer kilometerweiten Verwüstung im Grenzgebiet. Neben dem Festival richteten die Angreifer in mehreren israelischen Ortschaften ein Blutbad an. "So eine Masse an Leichen, eine Leiche und noch eine Leiche und noch eine Leiche", sagt Avigdor Stern. Der 39-Jährige ist einer von Hunderten Freiwilligen des Rettungsdienstes, die seit Tagen helfen, die Toten vollständig zu bergen, um ihnen die letzte Ehre zu erweisen.

Es seien so viele gewesen, dass die Leichentüten nicht ausgereicht hätten. Sie mussten aus ganz Israel angefragt werden. "Es waren Lkws voller Leichen", beschreibt Stern die Szenen vor Ort. Er und seine Kollegen hätten schon viel gesehen - Opfer von Tsunamis, Erdbeben, Unfällen, Anschlägen, aber diese Dimension war eine, mit der niemand gerechnet habe. "Frauen, Männer, Kinder, Babys, ich kann das gar nicht erklären", sagt der Helfer und zeigt ein Foto mit einem kleinen Leichensack. Darauf geschrieben steht "Baby".

Im jüdischen Glauben muss jeder Teil eines Körpers beerdigt werden, erklärt Stern. Damit werde dem Menschen die letzte Ehre erwiesen. Dies sei die Aufgabe von Zaka. "Wir wussten, wir können nicht aufhören, wir wussten, wir müssen das jetzt machen." Er sei in der Synagoge gewesen, als er von dem schlimmsten Blutbad der israelischen Geschichte hörte. Eigentlich wollte er den jüdischen Feiertag Simchat Tora (Freude der Tora) feiern. "Aber wir konnten nicht tanzen, wir haben nur geweint", sagt er. Nach dem Feiertag seien er und seine Kollegen in die Dörfer im Grenzgebiet gefahren. "In diesem Moment hat sich unser Leben für immer verändert."

Das Entsetzen über die Gräueltaten trifft die Menschen in Israel ins Mark. Als Reaktion reagierte das Land mit Luftangriffen in dem dicht besiedelten Küstenstreifen. Rund 300.000 Reservisten des 10-Millionen-Einwohner-Lands wurden mobilisiert. Eine Bodenoffensive im Gazastreifen, die auch für das israelische Militär große Verluste bringen könnte, steht möglicherweise kurz bevor. "Mein Mann arbeitet gerade beim Militär 24/7", sagt Michal H..

Mit Freiwilligen versuche sie, die Soldaten so gut es ginge aus der Ferne zu unterstützen. In der Schule gebe es etwa eine Sammelaktion für Soldaten. "Jeder versucht, seinen Teil beizutragen, jeder versucht, zu helfen", sagt Michal. Sie könne sich nicht ausmalen, was die Menschen im Grenzgebiet durchstehen müssen. "Mütter vergewaltigt, Kinder ermordet, es sind furchtbare Kriegsverbrechen passiert." Ihre drei Kinder versuche sie, von dem Horror zu schützen. Soziale Netzwerke seien aktuell nicht erlaubt. Zu groß sei die Angst, dass die Hamas weitere verstörende Videos des Grauens und der Geiseln veröffentlichen könnte.

Update vom 12.10.2023, 10 Uhr: Studentin aus Verden wurde in Israel getötet

Eine 22-Jährige aus dem sächsischen Landkreis Verden soll in Israel von der Hamas getötet worden sein. Das meldete Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, im Rahmen einer Regierungserklärung am Mittwoch (11. Oktober 2023). "Wir sind alle tief erschüttert. Wir fühlen, wir leiden mit den Opfern dieses kalt kalkulierten Terrors", hieß es dort vonseiten des SPD-Politikers.

In verschiedenen Medienberichten heißt es, dass es sich bei dem Opfer um eine Studentin handelt, die in Israel mit ihrem Freund Urlaub machte und aktuell Gast in einem Kibbuz war. Dabei handelt es sich um jüdische Gemeinschaftssiedlungen, in denen das alltägliche Leben, wie zum Beispiel die Essensversorgung, kollektiv gehandhabt wird.

"Das Kibbuz Beeri wird überfallen, die Terroristen ziehen von Haus zu Haus, ermorden die einen, verschleppen andere. Auch Vergewaltigungen, so heißt es, habe es gegeben. Kinder telefonieren in ihrer Angst noch einmal mit ihren Eltern, bevor der Kontakt abbricht und die Eltern in namenloser Verzweiflung zurücklässt. […] Eines dieser Opfer, eine 22-jährige junge Frau, stammt aus dem Landkreis Verden", so Stephan Weil in seiner Regierungserklärung zum Fall der Studentin.

Der NDR berichtet zudem, dass die junge Frau aus dem kleinen Ort Otersen komme, der in der Gemeinde Kirchlinteln liegt. Sie studierte in Berlin. Bestätigt wurde der Todesfall auch von der Polizei Verden sowie von Arne Jacobs, Bürgermeister von Kirchlinteln, der im Interview mit dem NDR von tiefer Betroffenheit, Wut und Entsetzen sprach. Eine weitere Deutsche, die ebenfalls 22-jährige Shani Louk, sei von der Terrororganisation verschleppt worden, sie soll aber laut Angaben ihrer Familie am Leben sein. (red)

Update vom 10.10.2023, 19 Uhr: Mutmaßlich entführte Deutsche wohl am Leben - Mutter mit klarer Forderung

Mit einem Hilfsappell hat sich die Mutter der mutmaßlich von Hamas-Terroristen verschleppten Shani Louk in einem neuen Video zu Wort gemeldet. "Wir bitten - nein, wir verlangen von der deutschen Regierung, dass sie schnell handelt", sagte die Mutter der 22-Jährigen in einer Videobotschaft, die am Dienstag im Internet verbreitet wurde. "Dies ist wirklich mein verzweifelter Aufruf an das ganze Land Deutschland mir zu helfen, meine Shani wieder nach Hause gesund zurückzubekommen."

Nach den Worten ihrer Mutter ist die junge Frau noch am Leben. Sie habe eine schwere Kopfverletzung und sei in einer kritischen Situation, sagte die Mutter in der Videobotschaft. "Man sollte sich nicht über Zuständigkeitsfragen streiten. Man muss schnell handeln, um Shani aus dem Gazastreifen herauszuholen."

Beim Terrorangriff auf Israel am vergangenen Wochenende soll die junge Deutsche nach Überzeugung ihrer Familie verschleppt worden sein. Sie soll bei einem Musikfestival in der israelischen Negev-Wüste von der islamistischen Hamas als Geisel genommen worden sein. Bilder und Videos, die im Internet kursieren, zeigen den Körper einer verschleppten Frau auf einem Pick-Up, bei dem es sich nach Überzeugung von Shani Louks Familie, die teils auch in Ravensburg und Sulz am Neckar lebt, um die 22-Jährige handelt.

Die Mutter hatte sich schon am Wochenende mit der Bitte um Hilfe an die Öffentlichkeit gewandt. Auch die Tante der jungen Frau hatte an die Behörden appelliert.

Update vom 10.10.2023, 6.55 Uhr: Israel mobilisiert 300.000 Soldaten - Gazastreifen abgeriegelt

Nach den verheerenden Angriffen von Hamas-Terroristen auf Israel mehren sich Anzeichen für eine bevorstehende Bodenoffensive Israels im Gazastreifen. Israel ordnete die komplette Abriegelung des nur 40 Kilometer langen und sechs bis zwölf Kilometer breiten Gebietes an, während die Armee 300.000 Reservisten mobilisiert. "Was die Hamas erleben wird, wird hart und fürchterlich sein. Wir sind erst am Anfang", hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gesagt und Rache geschworen.

Die Menschen in Israel wurden angewiesen, sich mit ausreichend Nahrung, Wasser und Medikamenten einzudecken. Die Vorräte sollten mindestens 72 Stunden reichen, teilte das Militär mit. Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien versicherten dem angegriffenen Land gemeinsam ihre Solidarität. Zusammen würden "unsere unerschütterliche und vereinte Unterstützung" für Israel zum Ausdruck gebracht "und die Hamas und ihre schrecklichen Terrorakte unmissverständlich" verurteilt, hieß es in einer in der Nacht zu Dienstag veröffentlichten Mitteilung der Bundesregierung.

Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf X (ehemals Twitter): "Unsere 5 Länder werden sicherstellen, dass Israel sich und seine Bürger gegen die abscheulichen Angriffe verteidigen kann." Die Hamas drohte unterdessen, für jeden von Israel ausgeführten Angriff eine zivile Geisel hinzurichten, wie ein Sprecher sagte. Sie hatte rund 150 israelische Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Darunter sind auch Bürger mehrerer westlicher Staaten, darunter eine Deutsche.

Hunderte Hamas-Mitglieder in Gefangenschaft

Israels Armee nahm eigenen Angaben zufolge Hunderte Hamas-Mitglieder in Gefangenschaft. Die von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas teilte dem arabischen Sender Al-Dschasira mit, die Gruppe sei offen für Vermittlungen. Schon zuvor hatte die islamistische Organisation einen Gefangenenaustausch sowie die Freilassung von 36 inhaftierten Palästinenserinnen in Israel für die Übergabe von älteren entführten Israelinnen gefordert.

Beim am Wochenende begonnenen Angriff der Hamas-Terroristen wurden mindestens 900 Menschen getötet und 2600 Menschen verletzt. Unter den Toten befänden sich auch mindestens elf amerikanische Staatsbürger, erklärte US-Präsident Joe Biden am Dienstag auf der Plattform X.

Die Terroristen waren in israelische Orte eingedrungen und erschossen Männer, Frauen und Kinder und verschleppten andere in den Gazastreifen. Bei den massiven israelischen Gegenschlägen wurden im Gazastreifen nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mindestens 687 Menschen getötet und mehr als 3800 verletzt. Unbestätigten Medienberichten zufolge sollen sich die Leichen von rund 1500 palästinensischen Terroristen auf israelischem Gebiet befinden. Derzeit dringen keine Terroristen mehr in Israel ein, wie es unter Berufung auf einen israelischen Militärsprecher hieß.

Gazastreifen komplett abgeriegelt: "Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben"

Für die rund zwei Millionen überwiegend armen Bewohner des äußerst dicht besiedelten Gazastreifens dürfte sich die Lage mit der kompletten Abriegelung durch Israel nun weiter verschlechtern. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte: "Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben." Deutschland, die EU und andere Staaten teilten mit, sie setzten Hilfen für die palästinensische Bevölkerung angesichts des Hamas-Terrors zunächst aus. Die deutschen Programme würden umfassend und mit offenem Ausgang überprüft, sagte eine Sprecherin des Entwicklungsministeriums in Berlin.

Israels Armee griff derweil im Gazastreifen weiterhin Ziele militanter Palästinenser an. Die Stellungen seien aus der Luft und von Schiffen aus attackiert worden, teilte die Armee am späten Montagabend mit. Das Militär habe unter anderem Waffenlager, Tunnel und eine Hamas-Kommandozentrale in einer Moschee bombardiert.

Währenddessen gab es auch im Westjordanland wieder Auseinandersetzungen mit Toten. Auch an Israels Nordgrenze zum Libanon gab es Gefechte, was die Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts verstärkte. Israelische Soldaten hätten mehrere Bewaffnete erschossen, die nach Israel vorgedrungen waren, teilte das israelische Militär mit. Die wie die Hamas mit dem Iran verbündete Schiitenorganisation Hisbollah dementierte eine Beteiligung.

Update vom 09.10.2023, 10: Heftige Schusswechsel und Fallschirmjäger im Einsatz - Angriffe dauern an

Die Kämpfe zwischen israelischen Soldaten und Angreifern der islamistischen Hamas im Grenzgebiet haben auch am Montag (09. Oktober 2023) weiter angedauert. An rund sieben bis acht Orten in Israel seien noch Spezialkräfte an aktiven Feuergefechten beteiligt, sagte Militärsprecher Richard Hecht. Darüber hinaus sei es nicht auszuschließen, dass weitere militante Kämpfer in israelisches Gebiet eindringen. "Ich kann den Fakt nicht leugnen, dass immer noch Leute reinkommen", sagte Hecht.

Medienberichten zufolge kam es in der israelischen Stadt Sderot in einem Schwimmbad zu heftigen Schusswechseln mit mehreren israelischen Verletzten. Das israelische Militär teilte mit, die Fallschirmjägerbrigade befinde sich in einem "hartnäckigen Kampf" bei dem Soldaten Sderot durchsuchen, "um die Stadt von Terroristen zu befreien". Sderot liegt etwa einen Kilometer vom Gazastreifen entfernt.

Die Hamas wird von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuft. Die Palästinenserorganisation hatte am Samstag einen großangelegten Überraschungsangriff auf Israel gestartet, mit Hunderten Toten. Das Land reagierte mit Gegenangriffen.

Auch am Montag mussten sich Menschen im israelischen Grenzgebiet vor Raketenangriffen aus dem Küstenstreifen in Sicherheit bringen.

Raketenangriffe auf Israel - Terrororganisation Hamas spricht von "Militäroperation"

Die von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas sprach von einer "Militäroperation" gegen Israel. Militärchef Mohammed Deif sagte in einer Botschaft, man habe beschlossen, israelischen Verbrechen - wie er es nannte - ein Ende zu setzen.

"Die Hamas hat heute Morgen einen schweren Fehler begangen und einen Krieg gegen den Staat Israel begonnen", entgegnete der israelische Verteidigungsminister Joav Galant. Israelische Soldaten kämpften "an allen Stellen, an denen eingedrungen wurde".

Er rief die Bürger dazu auf, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten und sagte: "Israel wird diesen Krieg gewinnen." Die israelische Armee nannte ihre Verteidigungsaktion "Iron Swords" (Eiserne Schwerter). Die Kriegsbereitschaft ermöglicht es der Armee beispielsweise Reservisten zu mobilisieren.

Israel offiziell in Kriegsbereitschaft versetzt

Wegen der Raketenangriffe heulten in verschiedenen Städten Israels die Warnsirenen, wie die Armee mitteilte. Auch in Tel Aviv und Jerusalem war Raketenalarm zu hören. Das Militär rief die Einwohner der südlichen und zentralen Landesteile auf, in geschützten Bereichen zu bleiben. Israel feiert gerade das jüdische Fest Simchat Tora (Freude der Tora). Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte im Verlauf des Tages Sicherheitsberatungen mit Vertretern des Verteidigungsministeriums und der Armee abhalten.

Die militanten Palästinenser seien über Land, See und Luft nach Israel eingedrungen, sagte der Armeesprecher Richard Hecht. Es gebe momentan Kämpfe mit israelischen Soldaten an verschiedenen Orten im Umkreis des Gazastreifens. Dazu zählten zwei Militärbasen, der Eres-Übergang zum Gazastreifen sowie mehrere Ortschaften. Es gebe Opfer auf israelischer Seite, man könne aber noch keine Zahlen nennen. Israelische Medien berichteten von Geiselnahmen, dafür gab es zunächst keine offizielle Bestätigung.

Wie genau die militanten Palästinenser trotz strenger Grenzkontrollen nach Israel vordringen konnten, war zunächst unklar. Hecht sagte, es seien unter anderem Gleitflieger eingesetzt worden. Die Zahl der Angreifer konnte er nicht benennen. "Es waren nicht ein oder zwei."

Kämpfe im Umkreis des Gazastreifens - Außenministerin Baerbock verurteilt Angriff auf Israel

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel verurteilten den Angriff.

Die augenscheinlich länger vorbereiteten Attacken aus dem Gazastreifen kamen für Israel unerwartet. Im besetzten Westjordanland hatte sich die Lage allerdings zuletzt wieder zugespitzt. Seit Donnerstag waren dort vier Palästinenser bei eigenen Anschlägen oder Konfrontationen mit der Armee getötet worden.

Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit langem angespannt. Seit Jahresbeginn wurden 27 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen getötet. Im selben Zeitraum kamen mehr als 200 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen ums Leben.

Mehrfach gewaltsame Proteste an Gaza-Grenze

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Die Palästinenser beanspruchen diese Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

An der Gaza-Grenze war es im vergangenen Monat mehrfach zu gewaltsamen Protesten gekommen. Dabei wurden auch Sprengsätze auf Soldaten geworfen, mehrere Palästinenser wurden durch Schüsse verletzt. Die israelische Luftwaffe griff angesichts der Vorfälle mehrmals Posten der im Gazastreifen herrschenden militanten Palästinenserorganisation Hamas an.

Im Gazastreifen leben mehr als zwei Millionen Menschen nach UN-Angaben unter sehr schlechten Bedingungen. Die von EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.

Israelischer Botschafter kündigt Bestrafung von Hamas an

Der israelische Botschafter in Berlin, Ron Prosor, hat eine Bestrafung der Verantwortlichen für den Großangriff auf Israel angekündigt. Die Hamas-Führung habe ohne Provokation die Entscheidung getroffen, Israel anzugreifen, sagte Prosor am Samstag im Deutschlandfunk. "Wir werden alles tun, uns nicht nur zu verteidigen, sondern all diejenigen, die verantwortlich sind, auch zu bestrafen."

Verantwortlich ist aus Sicht des Botschafters neben der von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestufte Hamas auch der Iran. "Es ist klar für uns, dass Iran dahintersteckt", sagte der Botschafter. Iran versuche alles, die Region in einen Kriegszustand zu bringen. Es bleibe nicht ohne Folgen, wenn man Israel angreift.

Prosor sprach von einem "monströsen" Angriff gegen Zivilisten. Derzeit befreie die Armee israelische Städte. "Raketen fliegen ohne Pause, Wohnhäuser brennen und Zivilisten werden als Geiseln genommen", sagte er. "Die Menschen in Gaza müssen wissen, dass die Hamas-Führung wirklich die Entscheidung getroffen hat und für alles, was jetzt passiert, verantwortlich sein wird."