"Wenn alle Leute Arabisch sprechen, ist das wie eine arabische Stadt"
Tacke will wissen, ob er sich nach zehn Jahren integriert fühlt: "Ich kann das leider nicht so sagen. Ich finde mich immer wieder bei den arabischen Leuten wieder. Ich finde, die Kultur ist einfach die beste. Vielleicht ist das falsch, aber das ist mein Empfinden." Die Journalistin fragt ihn, ob sich sein Leben hier von dem in Syrien unterscheide. Der Ladenbetreiber verneint und erklärt: "Wenn alle Leute Arabisch sprechen, ist das wie eine arabische Stadt."
Am Abend trifft die Journalistin Haithem Lafi gemeinsam mit seiner Freundesgruppe wieder. Alle Männer stammen aus Syrien und sind in den letzten zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Sie haben sich in der Moschee, auf dem Markt, im Deutsch-Sprachkurs oder auf Hochzeiten kennengelernt.
Alle haben einen Job in Deutschland, zwei von ihnen sogar einen deutschen Pass - dennoch bleiben sie unter sich, unterhalten sich auf Arabisch. Tacke gesteht: "Es kommt mir vor wie ein syrisches Zuhause, mitten in Niedersachsen."
"Es kommt mir vor wie ein syrisches Zuhause, mitten in Niedersachsen"
Einer der Männer erklärt, die ersten zwei, drei Jahren in Deutschland seien schwer gewesen. Nun fühle er sich aber glücklich. Er habe sich an die Bräuche hier gewöhnt und wolle sie nicht mehr missen. Die Journalistin ist skeptisch: "Auf mich wirkt das eher nach einem syrischen Leben in Salzgitter", betont sie vor der Kamera.
Doch es gibt auch andere Fälle. Wie etwa der Syrer Niro Degen. Der junge Mann hat gerade sein Lehramts-Examen abgeschlossen, spricht fließend Deutsch und unterrichtet mittlerweile an einer Schule Deutsch und Musik. Bei ihrem Treffen fällt Sarah Tacke etwas Kurioses auf - denn Niro spricht mit fränkischem Dialekt.
Auf die Nachfrage erklärt der Geflüchtete, sein erster Berührungspunkt mit der deutschen Sprache sei Fränkisch gewesen: "Ich mag diesen Dialekt, ich find den so toll und der klingt auch einfach schön", beteuert Niro. Tacke erzählt er lachend, er "bestehe drauf, dass meine zukünftigen Kinder arabisch und auch Fränkisch lernen". Er ist 2015 im Alter von 19 Jahren gemeinsam mit seinem besten Freund aus Syrien nach Deutschand geflohen. Für ihn eine erfolgreiche Entscheidung.
"Ich hab immer rechtfertigen müssen, dass ich kein Islamist bin"
Er fühle sich hier wohl, sicher und willkommen. Nach seiner Flucht änderte er seinen arabischen Vornamen zu Niro, mittlerweile trägt er auch den deutschen Nachnamen seiner Frau. "Ich hab immer rechtfertigen müssen, dass ich kein Islamist bin - nur wegen meines Namens", erzählt er und betont: "Ich habe von meinem Nachbarn gelernt, dass zur Intelligenz Anpassung gehört."
Dass dies nicht für jeden geflüchteten Menschen so einfach funktioniert, darüber ist sich Niro Degen im Klaren. Er weiß: "Ich hatte das Glück, Menschen zu haben, die mir zur Seite gestanden haben - von Anfang an." Er habe "Diskrimierung erlebt, aber auch echte Solidarität und echt Liebe. Ich hab beides gesehen und beides kennengelernt."
Das ZDF zeigt "Am Puls mit Sarah Tacke: Flucht und Krise - 10 Jahre 'Wir schaffen das'" am Donnerstag um 22.15 Uhr.