Braucht Deutschland wieder eine Wehrpflicht? Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und der ehemalige Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sprechen sich am Dienstagabend bei Sandra Maischberger für eine Dienstpflicht aus und diskutieren über die Gefahr, die von Russland droht.
Wenn sich der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Ex-Linken-Fraktionschef Gregor Gysi in der Öffentlichkeit treffen, dann kann man tiefsinnige und ironische Gespräche erwarten. Deswegen wohl hatte Sandra Maischberger die beiden Podcaster wohl auch in ihre erste Sendung nach der Sommerpause eingeladen. Doch dann kam es anders: Der russische Präsident Wladimir Putin ließ in der vergangenen Woche offenbar erstmals Drohnen in ein NATO-Land eindringen. Die NATO-Mitgliedsstaaten reagierten prompt: Sie trafen sich. Und sie warnten Russland. US-Präsident Trump drohte mit weiteren Sanktionen, aber nur, wenn die europäischen Länder sich daran beteiligen würden.
Der Drohnenvorfall hat in Deutschland die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht aufflammen lassen. "Mir hat das damals besonders gutgetan", sagt zu Guttenberg, der zu Beginn der 1990er-Jahre bei den Gebirgsjägern gedient hat. "Damals war das auch noch ein Instrument, das Sinn gemacht hat. Es wurde dann nur letztlich sukzessive in ein Skelett verwandelt." 20 Jahre später brachte zu Guttenberg die Aussetzung der Wehrpflicht auf den Weg. "Da stimmten wir das erste Mal miteinander überein", lächelt Gysi. "Ich bin mir selbst nicht dankbar, dass ich es machen musste", entgegnet der ehemalige Verteidigungsminister.
Heute spricht sich zu Guttenberg ebenso wie der ehemalige Linken-Fraktionschef für eine allgemeine Dienstpflicht aus. Er hält jedoch nichts davon, dass diese zunächst freiwillig sein soll. "Wir können nicht warten, bis die Gefährdungslage noch größer ist. Denn wenn wir dann einen Zwischenraum zu überwinden haben, der möglicherweise sechs Monate, ein oder zwei Jahre dauern könnte, spielt das genau in die Hände des Zynikers in Moskau oder anderer."
Gysi sieht ein anderes Problem: Er warnt vor der Aufrüstung, die sich in Deutschland anbahnt. "Ich glaube, dass wir die Strukturen in der Bundeswehr verändern müssen", sagt der Linken-Außenpolitiker. "Wir müssen nicht immer mehr Geld draufsatteln. Bei den Jugendlichen ist das so: Die Hälfte wäre für eine Wehrpflicht, die andere Hälfte dagegen. Das ist schon mal ein Problem. Die Älteren sind natürlich eher dafür, weil es sie ja auch nicht erwischt. Ich halte es im Moment auch nicht für notwendig. Aber wenn es notwendig wird, müssen wir das Ganze entbürokratisieren. Und das heißt: Ein Jahr, und jede junge Frau, jeder junge Mann entscheidet sich für Sozialdienst oder Bundeswehr. Und das werden gar nicht so wenige sein, die zur Bundeswehr gehen, denn Pflegearbeit ist auch sehr anstrengend. Aber ich möchte, dass sie die freie Wahl haben."
Guttenberg: "Wachsende Bedrohungslage"
"Aber wer legt denn den Zeitpunkt fest, wann etwas wirklich eine Gefahr ist, der im Zweifel unmittelbar begegnet werden muss?" fragt zu Guttenberg. "Und die Frage ist: Was ist eine Bedrohung?" fügt Sandra Maischberger hinzu - und kommt damit auf die 19 Drohnen zu sprechen, die in der vergangenen Woche in Polen aufgetaucht waren. Sollte es sich um russische oder belarussische Drohnen gehandelt haben, müsse sich US-Präsident Trump einschalten, fordert Gysi. "Das ist der einzige, der Putin anrufen kann und sagen, hier sei eine Grenze überschritten."
Die Bedrohungslage aus Russland herrsche in Wahrheit nicht erst seit der vergangenen Woche, sondern schon seit Jahren, gibt zu Guttenberg zu bedenken. "Wir haben ständige Verletzungen des Luftraums; Wir haben Cyberangriffe, die seit Jahren laufen; Wir haben Sabotageakte; Wir haben Mordfälle, die selbst auf deutschem Boden stattfinden und wo keiner in Zweifel stellt, dass das von Russland ausging. Das ist eine wachsende Bedrohungslage."
Europa befinde sich in einem wachsenden Kriegsszenario. "Da ist es nicht mit 'Abwarten getan. Mir ist es kalt den Rücken heruntergelaufen, als diese Drohnenlage noch zusätzlich dazukam", so zu Guttenberg. Putin teste die NATO aus. Der russische Präsident wolle herausfinden, wie zögernd und wie uneinig die NATO sei und ob er sie angreifen könne.