Während die Europäische Union sich von russischem Öl und Gas abkoppeln will, geht der Uran-Handel weiter. Eine erschreckende TV-Recherche zeigt, wie die Abhängigkeit westlicher Länder Putin weiter in die Hände spielt.
Ein Schiff aus Russland durchquert europäische Gewässer. Die Ladung: Birkenholz - und Uran. Zwar dürfen die Behörden das Holz beschlagnahmen, nicht aber das Uran: Es steht nicht auf der Sanktionsliste der EU. Der Herkunftsort, so heißt es in der ARTE-Doku "Die Nuklearfalle - Putins Deals mit dem Westen", sei die staatliche russische Atomenergiebehörde Rosatom, die weltweit Atomkraftwerke baut.
"Rosatom und Russland sind das gleiche Wort", sagt Kostyantyn Batozsky, ein ehemaliger Mitarbeiter des russischen Atomkonzerns: "Sagen wir Russland, meinen wir Rosatom. Sagen wir Rosatom, meinen wir Russland, die russische Regierung und Putin persönlich." Gewissermaßen sei Rosatom "ein Staat im Staat", warnt auch der russische Umweltaktivist Wladimir Sliwjak. Er ist überzeugt: Putin wolle den Atomkonzern zu einem "sehr mächtigen geopolitischen Instrument machen, um mit dem Bau von Atomkraftwerken und dem Vertrieb von Kernbrennstoff seinen Einfluss in der Welt zu vergrößern".
Der Film, der auf den Recherchen eines deutsch-französischen Journalistenteams fußt, skizziert die immense Macht des Unternehmens. "Putin hat erkannt, dass er Länder mit dem Atomgeschäft deutlich besser an sich binden kann als mit Gas oder Öl", vermutet Batozsky.
Ist der Verkauf von Uran "Teil hybrider Kriegsführung"?
Im niedersächsischen Lingen etwa sorgt die geplante Zusammenarbeit zwischen Rosatom und dem französischen Unternehmen Framatome für Aufregung. Protestierende warnen gar vor "Putins geheimen Atom-Maschinen", sie befürchten Spionage und Sabotage durch russische Mitarbeiter. In der Anlage im Emsland soll Brennstoff für Atomreaktoren russischer Bauart hergestellt werden. Solche Reaktoren stehen auch in zahlreichen EU-Ländern - und sie sind auf spezielle, sechseckige Brennstäbe angewiesen, die lange Zeit ausschließlich aus Russland kamen.
"Das ist eine sehr komplizierte Technologie", erklärt Petro Kotin. Der Geschäftsführer des ukrainischen Staatsunternehmens Energoatom weiß: "Wenn man für so lange Zeit nicht die Anzeichen sieht, dass man schon in Rosatoms Käfig sitzt, kommt man so schnell nicht raus. Und selbst in dem Moment, in dem man sich entscheidet, auszubrechen, ist man immer noch von russischem Brennstoff abhängig."
Dass Rosatom schon seit Jahren - mit über 400 Tochterfirmen in 60 Ländern - daran arbeite, Monopole und damit Abhängigkeiten durch den Verkauf von Uran und Brennstäben zu schaffen, sei laut Ex-Mitarbeiter Batozsky "Teil hybrider Kriegsführung". Russland werde die Nato "nicht mit Waffen angreifen, aber sie attackieren die europäische Ökonomie".
"Die, die abhängig sind, werden nicht sanktionieren"
Ein zentraler Hebel hierbei sei die Versorgung mit angereichertem Uran. "Sie wollen das Monopol. Und wenn nicht das Monopol, wollen sie zumindest Hauptlieferant auf dem Weltmarkt für beides sein: für Natururan und angereichertes Uran", mahnt Batozsky. Die Strategie scheint aufzugehen: Seit Kriegsbeginn hat sich der Gewinn, den Rosatom im Ausland erwirtschaftet, verdoppelt - und der Einfluss Putins wächst.