Der "Skinny Lifestyle" boomt: Auf TikTok und Instagram teilen Influencer Abnehmtipps und bewerben sogar verschreibungspflichtige Medikamente wie die Abnehmspritze. Letztere ist einer neuen ARD-Doku zufolge erschreckend leicht erhältlich - ganz ohne Arztbesuch.
"Wenn ich mal wieder auf TikTok bin, sehe ich ständig superschlanke Körper - vor allem Frauen. Und ganz viel Werbung fürs Abnehmen", sagt ARD-Journalistin Rabea Westarp. "Danke Algorithmus. Mit mir macht das schon was." Wie der Filmemacherin scheint es vielen zu gehen: Ursprung der neuen "team.recherche"-Dokumentation "Skinny um jeden Preis - wer profitiert vom Abnehm-Hype?" sei etwa der Anruf einer besorgten Mutter gewesen.
"Ich möchte Ihnen etwas erzählen, was mich fassungslos macht", wird das Telefonat in der Sendung nachgesprochen. "Meine Tochter wollte schnell ein paar Kilo abnehmen und hat versucht, sich im Internet eine Abnehmspritze zu besorgen. Dabei ist sie total sportlich, sie braucht so ein Medikament überhaupt nicht." Bekommen habe es die junge Frau dennoch - über eine Online-Plattform, ohne Videocall, Fotos oder eine persönliche Begegnung mit einer Ärztin oder einem Arzt.
Eigentlich ist die Abnehmspritze - am bekanntesten als Ozempic - verschreibungspflichtig. Und doch gelingt es auch den Redakteurinnen des ARD-Teams, sich das Medikament auf zwei verschiedenen Plattformen zu bestellen, nachdem sie lediglich einen Fragebogen ausgefüllt haben.
"Man weiß als Patientin nicht, wer am Ende das Rezept ausstellt", warnt Gesa Schölgens von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Man komme "zu leicht an diese Spritzen", glaubt sie - zumal der Eindruck entstehe, "dass viele dieser Anbieter nicht wirklich auf Patientinnen mit Adipositas zielen, sondern Lifestyle-Kundinnen im Blick haben".
Fragwürdige Abnehm-Tipps auf TikTok und Instagram
Abnehmen und Schlanksein als Lifestyle - das ist es, was auch viele Influencerinnen und Influencer propagieren. "Skinny-Girl-Mindest heißt genießen, aber trotzdem in Shape bleiben", sagt etwa Natalie Mae alias "natalieyears" in einem ihrer TikTok-Videos. Über 300.000 Menschen folgen ihr auf der Plattform. Dort bekommen sie fragwürdige Tipps - darunter auch: "Hungrig ins Bett und hungrig aufwachen wird deinen Körper skinny machen."
Jugendschutz-Expertin Amelia Krebs findet: "Das ist wirklich problematisch." Bei "SkinnyTok", wie die Bewegung auf der chinesischen Video-Plattform genannt wird, erkennt sie zahlreiche Parallelen zu sogenannten "Pro-Ana-Foren", in denen schon seit Jahren Magersucht glorifiziert wird. "Wir haben Dünnsein als Lifestyle, als Mindset. Wir haben dieses Disziplinierte. Und: Du gewinnst im Leben, wenn du dünn bist. Dann bist du natürlich schön und erfolgreich."
Natalie Mae selbst will, so sagt sie, niemandem mit ihrem Content schaden. "Die Plattform ist halt ab 13", betont sie im Interview mit dem Reportageteam und weist darauf hin, dass "halt die Eltern mit draufschauen" müssen, ob sie ihr Kind die App installieren lassen. "Man muss selber differenzieren können: Nehme ich mir eben an einer Person oder an Content ein Beispiel - oder nicht? Jeder nutzt Social Media mit einer Eigenverantwortung." Dafür müsse man "halt auch reif genug sein", findet der Netz-Star.