Am 14. September 1958 trafen sich Charles de Gaulle und Kanzler Konrad Adenauer (Burghart Klaußner) im entlegenen Landhaus des französischen Staatsmannes. "An einem Tag im September" erzählt von der ersten privaten Begegnung der "Erbfeinde" Deutschland und Frankreich nach dem Krieg.
Schauspielstar Burghart Klaußner (75), der im Kammerspiel "An einem Tag im September" den früheren deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer spielt, erinnert sich noch gut an die Radionachrichten im Herbst 1958. Damals war immer wieder vom französischen Dorf Colombey-les-Deux-Églises die Rede. Obwohl Klaußner damals noch ein kleiner Junge im Westen Berlins war, kann er sich an diese "Breaking News" erinnern. Nun erinnert ein ZDF-Kammerspiel (Montag, 15. September, 20.15 Uhr), das ARTE als Vorpremiere zeigt, an jene denkwürdige Begegnung zweier Staatsmänner, die Europa und damit die Weltgeschichte verändern sollte.
13 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs herrschen immer noch Misstrauen und Abneigung zwischen Deutschen und Franzosen. Die beiden großen europäischen Nachbarn sind nach zwei blutigen Kriegen im Bewusstsein aufgewachsen, das jeweils andere Volk sei der Erbfeind. Also nichts zu machen in Sachen gute Beziehungen? Selbst die beiden schon recht betagten Staatslenker Charles de Gaulle (Jean-Yves Berteloot) und Konrad Adenauer haben Bauchschmerzen vor ihrer Begegnung. Zumal es ein Treffen in privater Atmosphäre werden soll, bei dem man sich kaum hinter dem Protokoll verstecken kann.
Wie viel Beschimpfung kann man als Mensch ertragen?
De Gaulles Frau Yvonne (Hélène Alexandridis) ist vor Ort und auch zwei wichtige Berater der beiden Politiker, Gaston de Bonneval (Vincent Lecuyer), zwei Jahrzehnte lang die rechte Hand de Gaulles, und Günter Bachmann (Fabian Busch), damals persönlicher Referent Adenauers. Allen Teilnehmenden auf dem französischen Landsitz der de Gaulles war klar: Dieses Treffen könnte ganz schön in die Hose gehen. Überall waren noch starke Ressentiments gegen das Volk des anderen zu spüren.
Im Film von Regisseur Kai Wessel ("Ramstein - Das durchstoßene Herz") nach einem Drehbuch von Fred Breinersdorfer ("Honecker und der Pastor") ist dieser Umstand bereits während der Anreise Adenauers zu spüren: Weil sich die kleine deutsche Fahrzeug-Kolonne verfahren hat und zunächst in einem anderen Ort namens Colombey gelandet ist, werden ihre deutsch beflaggten Autos mit Unrat beworfen, und man klopft wütend gegen ihre Scheiben.
Auch bei den Angestellten der de Gaulles regt sich im Vorfeld Widerstand. So will ihre Köchin nicht für Deutsche kochen, jemand anderes muss geholt werden. Adenauers Chauffeur (Ronald Kukulies) platzt bei so viel Hass schon mal der Kragen. Nach dem Motto: Wie viel Beschimpfung kann man als Mensch ertragen? Etwas lockerer sehen die beiden jungen Journalistinnen Elke Schmitz (Nadja Sabersky) und Hélène Wissembach (Nora Turell) die Situation. Die deutsche Reporterin und die französische Fotografin machen ohne Vorbehalte gemeinsame Sache. Im Dienste der Story und der noch zu entwickelnden deutsch-französischen Freundschaft.
Eine Leistung der Vernunft und Professionalität
"Was passiert in Zukunft? Irgendwann müssen die Alten ja mal abtreten", sagt eine junge Frau zur anderen. Und die andere antwortet: "Dann sind wir endlich dran." Obwohl das ruhige Kammerspiel ein wenig pädagogisch daherkommt, interessant ist der Film auf jeden Fall. Die Alten in Person von de Gaulle und Adenauer wurden als kluge Verhandler, besonnene Staatsmänner und von zwei großen Kriegen gepeinigte, reifere Männer genau damals gebraucht. Der Film inszeniert ihre Vier-Augen-Gespräche, die in Wirklichkeit mit einem Dolmetscher stattfanden, und ihren Disput zu Themen wie einer atomaren Bewaffnung Deutschlands, der von Adenauer angestrebten Wirtschaftsunion Europas und vielen anderen Themen der Zeit.
Wie man heute weiß, ist das Treffen der beiden am 14. September 1958 der Beginn einer persönlichen Freundschaft und der Anfang einer starken europäischen Annäherung. Irgendwann mündet diese in der Europäischen Gemeinschaft und der gemeinsamen Währung, dem Euro. "An einem Tag im September" erzählt davon, wie besonnene Diplomatie und Menschlichkeit unsere Welt verändern können. Eine Leistung der Vernunft, aber auch der Professionalität zweier Verantwortungsträger, die unsere heutige Welt gut gebrauchen könnte.