So dreht sich etwa der Megahit «(I Can't Get No) Satisfaction» um die Unzufriedenheit mit dem modernen Leben. «Street Fighting Man» nimmt Bezug auf die Proteste der Arbeiterklasse und auf Anti-Kriegs-Demos. Auch viele persönliche Erlebnisse flossen über die Jahrzehnte in seine Texte ein. Die Ideen gingen Jagger nie aus. 25 Studioalben hat er mit den Rolling Stones bis jetzt veröffentlicht, wobei das bislang letzte, «Blue And Lonesome», ausschließlich Coverversionen enthielt.
Alle Fäden in der Hand
Bei den Rolling Stones ist Mick Jagger nicht nur Texter, Sänger und Frontmann, sondern auch der Chef, der «Leiter und Organisator», wie es Bandkollege Ronnie Wood ausdrückte. In den 1970er Jahren übernahm Jagger auch die finanzielle Kontrolle. «Die Band hatte bei allem ein Mitspracherecht», betonte er im BBC-Interview. «Und wenn sie bei irgendeiner Sache nicht entscheiden wollten, dann hab ich es entschieden und ihnen gesagt: 'So machen wir's. Einverstanden?'»
Dass er vor seiner Zeit als Musiker an der London School Of Economics studiert hatte, wenngleich ohne Abschluss, erwies sich dafür als äußerst nützlich. «Irgendeiner muss ein Unternehmen wie dieses doch leiten», so Jagger, der die Rolle allerdings eher ungewollt übernahm. «Ich mache das Geschäftliche nicht sehr gern. Ich wäre lieber nur Performer und hätte nichts mit den Geschäften zu tun. Ich mache lieber Shows.»
Doch er fädelte die Verträge ein, als die Rolling Stones ihr eigenes Sublabel bei Atlantic Records gründeten. Und er machte die Stones zur Weltmarke. Er gab die Entwicklung des Bandlogos in Auftrag, das heute weltweit ohne den Namen erkannt wird. Kunststudent John Pasche entwarf die roten Lippen mit der ausgestreckten Zunge - übrigens nicht nach Jaggers Mund, sondern nach dem Vorbild einer Statue der Hindu-Göttin Kali. Jaggers volle Lippen hätten ihn aber «mindestens unbewusst» beeinflusst, stellte Pasche später klar.
Ein gigantisches Spielzimmer
Mick Jagger designte auch die spektakulären Bühnen für die gigantischen Konzerte der Band. Die Stones gehören zu den ersten, die ihre eigenen Bühnen entwarfen und mit auf Tour nahmen. «Ich habe einfach nur ein gigantisches Spielzimmer für mich selbst entworfen», scherzte Jagger in der Doku «My Life As A Rolling Stone». Die «Steel Wheels»-Tour, auf der die Rolling Stones fast ausschließlich in Stadien spielten, gilt in dieser Hinsicht als Meilenstein.
Darüber wird gelegentlich vergessen, dass Jaggers Wirken weit über die Stones hinausgeht. Er veröffentlichte mehrere Soloalben und stand mit vielen Stars im Studio. Mit dem Reggae-Musiker Peter Tosh nahm er 1978 eine Coverversion des Temptation-Songs «Don't Look Back» auf, lange bevor solche genreübergreifenden Kooperationen in der Musik populär wurden. Sein Hintergrund-Gesang in Carly Simons Ohrwurm «You're So Vain» ist nicht zu überhören. Mit Tina Turner stand er auf der Bühne. Mit den Jacksons sang er 1984 «State Of Shock». Ein Jahr später wurde sein Duett «Dancing In The Streets» mit David Bowie ein Hit. Die Liste ist lang.
Ähnlich umfangreich ist die Aufzählung seiner Affären und Ex-Frauen, unter ihnen Marianne Faithful, Marsha Hunt, Bianca Jagger (verheiratet von 1971-1978) und Jerry Hall (1990-1999). Aus seinen Beziehungen hat der Sänger, der inzwischen Urgroßvater ist, acht Kinder. Sein jüngster Sohn Deveraux ist sechs Jahre alt und damit zwei Jahre jünger als sein Urenkel Ezra. Mit Deverauxs Mutter, der Choreographin Melanie Hamrick, ist der Rock-Uropa seit 2014 liiert. Gerüchte einer angeblichen Verlobung bestätigten sich bisher nicht.
Ein weiteres Rolling-Stones-Album gilt hingegen als wahrscheinlich. Keith Richards machte dazu entsprechende Andeutungen. Und die Tournee zum 60. Bandjubiläum im vergangenen Jahr war nicht als Abschiedstour deklariert.
Gut möglich also, dass Mick Jagger mit über 80 weiter das tut, was er nach eigener Ansicht am besten kann. «Ich schätze, es ist mein Job, dafür zu sorgen, dass sich die Leute zwei Stunden lang gut fühlen», so Jagger. «Ich glaube, das ist meine Rolle.»