Ozawa sattelte auf Komposition und Dirigieren um und wurde schon bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im Alter von 24 Jahren mit dem Japan Philharmonic Orchestra als großes Talent gefeiert.
Musik mit der Seele begreifen
Der Erste Preis beim Internationalen Dirigentenwettbewerb 1959 in Besançon wurde zum Sprungbrett in den klassischen Musikbetrieb, auch wenn sich Ozawa noch lange gegen das Vorurteil behaupten musste, als Japaner könne er die europäischen Klassiker «nur gelernt» haben und sie nie «mit der Seele begreifen». Doch schon damals in den 1960er-Jahren bewies er Kraft und Zähigkeit und setzte sich im klassischen Musikbetrieb durch.
In Tanglewood, der berühmten Sommer-Musikakademie für Nachwuchsmusiker im US-Bundesstaat Massachusetts, gewann der aufstrebende Maestro auf Anhieb den Kussewizki-Wettbewerb. Er arbeitete als Assistent bei Leonard Bernstein in New York, in Berlin nahm ihn Herbert von Karajan unter seine Fittiche.
In rascher Folge wurde er Orchesterchef in Chicago, Toronto und San Francisco. 1970 übernahm er mit Gunther Schuller die Leitung des Tanglewood-Festivals, das er über Jahrzehnte prägte und das ihm 1994 die «Ozawa-Halle» widmete. Ozawa wird außerdem zugeschrieben, dass das Boston Symphony Orchestra unter seiner 29 Jahre währenden erfolgreichen Leitung zu Weltruhm aufgestiegen sei.
In seiner japanischen Heimat gründete Ozawa, den man wegen seiner erfolgreichen Arbeit mit den weltberühmten Orchestern auch den «Ozawa der Welt» nennt und der zum Wegbereiter unter japanischen Dirigenten auf der Weltbühne wurde, 1992 das Saito Kinen Festival. Später wurde es in Seiji Ozawa Matsumoto Festival umbenannt.
Mit dem Praemium Imperiale geehrt
Ozawa erhielt die Ehrendoktorwürde der Harvard University und setzte sich für die Ausbildung von Musikern der nächsten Generation ein. Im Jahr 2004 gründete der Maestro die Seiji Ozawa International Academy Switzerland in Genf, wo er junge Musiker kostenlos unterrichtete.
2011 wurde Ozawa, der im Lauf seiner langen Karriere Hunderte von Schallplatten und CDs aufnahm und zum meist gefeierten Dirigenten seines Landes wurde, mit dem Praemium Imperiale des japanischen Kaiserhauses ausgezeichnet. Die Ehrung gilt als eine der weltweit wichtigsten Kunstauszeichnungen.
Nachdem ein Jahr zuvor bei ihm Speiseröhrenkrebs festgestellt worden war, gab Ozawa seinen Posten des Musikdirektors der Wiener Staatsoper auf und zog sich aus dem Konzertbetrieb zurück, kehrte aber schon 2013 an das Dirigentenpult zurück. Doch seine gesundheitlichen Probleme zwangen den Maestro in den vergangenen Jahren zunehmend, Konzerte und Auftritte bei Musikfestivals abzusagen.