Wiederauferstehung der Wehrpflicht - ein Kommentar
Autor: Frank Förtsch
Bamberg, Sonntag, 05. August 2018
In der CDU wird aktuell über eine "allgemeine Dienstpflicht" und Wehrpflicht debattiert. Kam die Partei etwa nie über die Weichenstellung des damaligen Verteidigungsministers Karl Theodor zu Guttenberg hinweg? Ein Kommentar.
Totgesagte leben länger. Vor allem dann, wenn ihnen nur eine Beerdigung zweiter Klasse zuteilwurde. Der Wehrpflicht blieb vor Jahren ein staatlicher Trauerakt verwehrt. Der damalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg kippte diese im Handstreich. Ein über Jahrzehnte prägender Markenkern konservativer Politik wurde in nicht einmal einem halben Jahr auf dem Altar der Haushaltskonsolidierung geopfert.
Obwohl es in der Union rumorte: Diejenigen, die dem Shootingstar in der Politik widersprachen, verstummten schnell. In einer Guttenberg-Biografie sollte später im Zusammenhang mit der Aussetzung der Wehrpflicht zu lesen sein: "Die Union fühlte sich überfahren." Ein Thema mit dieser Tragweite wurde also nicht einmal von der Politik qualifiziert aufgearbeitet. Geschweige denn wurde die wichtige Debatte über die Zukunft der Wehrpflicht in der die Bundeswehr tragenden Gesellschaft geführt.
Der aktuelle Vorstoß der CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigt nun, dass maßgebliche Teile in der Union nach wie vor mit der Weichenstellung Guttenbergs hadern beziehungsweise die Trauerarbeit noch nicht erfolgreich abgeschlossen ist.
Der CDU-Generalin ist natürlich nicht entgangen, dass große Teile der Infrastruktur für die Wehrpflicht - Kreiswehrersatzämter und eine Reihe von Kasernen - bereits unwiderruflich zurückgebaut sind und die Erfolgsaussichten ihres Vorstoßes überschaubar scheinen.
Insofern agiert sie vorwiegend mit politischem Kalkül: Sie will nicht nur der AfD den Wind aus den Segeln nehmen, die eine Rückkehr zur Wehrpflicht fordert. Kramp-Karrenbauer zettelt damit in einer Zeit zunehmender Individualisierung auch eine lohnende, für die Demokratie existenzielle Diskussion über den Zusammenhalt der Gesellschaft, über die Beziehung von Staat und Gesellschaft, über Werte und Normen, über Frieden und Freiheit an. Denn Wehrpflicht oder Wehrersatzdienst standen für die Bereitschaft von Millionen junger Männer, Mitverantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen.
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