Es ist ein wichtiges und sensibles Thema zugleich: die Organspende. Bei unserer Telefonaktion beantworteten zwei Experten alle Fragen unserer Leser. Am 21. Januar gibt es im Bamberger Klinikum einen Infoabend zur Organspende.
Man könnte damit einem schwer kranken Menschen helfen, einem todkranken vielleicht das Leben retten: Organspende. Während sich viele Menschen bewusst dafür entschieden und einen Organspendeausweis ausgefüllt haben, zweifeln andere - vor allem seit dem Bekanntwerden der Manipulkation an Empfängerlisten. Kann man dem System wieder vertrauen? Diese und alle weiteren Fragen zum Thema Organspende beantworteten bei unserer Telefonaktion am Dienstag zwei Experten: Die Oberärzte Arne Lenz (Neurologie) und Clemens Haberer (Anästhesie), Transplantationsbeauftragte im Bamberger Klinikum. Im Folgenden eine Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und Antworten unserer Telefonaktion.
2012 kam die Organspende durch die Manipulation von Empfängerlisten in Verruf. Seitdem ist die Spendenbereitschaft dramatisch gesunken. Kann man der Organspende wieder vertrauen?
Das System der Entnahme und Vergabe ist strikt voneinander getrennt. Während es bei der Entnahme von Organen keine Unregelmäßigkeiten gab, wurde bei der Vergabe von Lebern die Warteliste aufgrund falscher Anreize willentlich manipuliert. Daraufhin wurden die Kontrollmechanismen verbessert. Bevor ein Patient auf die Warteliste kommt, werden jetzt von drei - statt wie vor dem Skandal von zwei - voneinander unabhängigen Ärzten die Voraussetzungen geprüft.
Gibt es Erkrankungen, die eine Organspende ausschließen?
Fortgeschrittene Krebserkrankungen, HIV-Infektionen und eine bakterielle Blutvergiftung, die nicht mehr mit üblichen Antibiotika zu behandeln ist, zählen als Ausschluss für eine Organspende. Durch den Mangel an Organspenden wurden die Spenderkriterien erweitert, so dass auch Organe von Spendern mit Hepatitis, Krebserkrankungen und schweren Infektionen unter bestimmten Voraussetzungen in Frage kommen.
Gibt es für Organspender eine Altersgrenze?
Es gibt keine Altersgrenze. Die Organspende richtet sich nicht nach dem kalendarischen Alter, sondern ist von der Organfunktion abhängig. Bevor es zur Entnahme kommt, wird die Organfunktion durch detaillierte Untersuchungen überprüft, so dass nur Organe mit guter Funktion auch entnommen und transplantiert werden. Aufgrund des Mangels an Spenderorganen geht man dazu über, Organe von älteren Spendern an Patienten gleicher Altersgruppen zu übertragen. Eurotransplant, die europaweite Koordinations- und Vergabestelle für Organspenden, hat dafür das European Senior Program etabliert.
Ist ein Organspendeausweis rechtlich bindend? Was würde passieren, wenn die Angehörigen gegen die Organspende sind?
Rein rechtlich repräsentiert der Organspendeausweis den Willen des Verstorbenen und ist damit verbindlich. In der Praxis wird aber immer versucht, in ausführlichen Gesprächen auch mit der Familie einen Konsens zu finden. Falls dieser Konsens nicht hergestellt werden kann, würde keine Organentnahme gegen den Willen der Angehörigen durchgeführt werden. Deshalb ist es empfehlenswert, sich mit seinen Angehörigen über dieses Thema zu unterhalten, damit der eigene Wille respektiert wird.
Wird eine Organentnahme unter Narkose durchgeführt?
Es ist nicht notwendig, eine Narkose durchzuführen, da nach dem Eintreten des Hirntods jegliches Bewusstsein und jegliche Wahrnehmung unwiederbringlich erloschen ist. In diesem Zustand können somit auch keinerlei Schmerzen mehr wahrgenommen werden.
Kann man den Hirntod wirklich eindeutig feststellen?
Für die Feststellung des Hirntods gibt es Richtlinien der Bundesärztekammer, die den Ablauf der Diagnostik genau regeln. Zwei erfahrene Ärzte untersuchen unabhängig voneinander den Patienten detailliert. Dabei wird zum Beispiel überprüft, ob vom Hirnstamm gesteuerte geringste Reflexe wie Husten oder die Bewegung der Pupillen erloschen sind. Außerdem wird überprüft, ob der Patient noch selbstständig atmen kann. Nach einem zeitlichen Abstand werden diese Untersuchungen wiederholt oder durch eine Apparate-Untersuchung ergänzt, um den Hirntod definitiv festzustellen. Bisher wurde weltweit noch kein Fall beschrieben, bei dem ein Patient nach Feststellung des Hirntods wieder aufgewacht ist.
Ab welchem Alter kann man einen Organspendeausweis ausfüllen?
Den Willen zur Organspende kann man ab dem 16. Lebensjahr dokumentieren, widersprechen darf man schon ab dem vollendeten 14. Lebensjahr. Bis dahin haben die Sorgeberechtigten die Entscheidungsbefugnis.
Kann ich schon zu Lebzeiten Organe spenden?
Lebensspenden sind nur zwischen Verwandten ersten und zweiten Grades oder Ehegatten und Verlobten möglich, wenn kein passendes Spenderorgan zur Verfügung steht. Das Verwandtschaftsverhältnis wird in einem unabhängigen Gutachten ebenso überprüft wie die Freiwilligkeit der Spende und dass kein Fall von Organhandel vorliegt.
Ich bin 45 Jahre alt. Ich habe seit meinem 18 Geburtstag einen Organspendeausweis. Mein Mann ist eigentlich dagegen. Wenn mir heute etwas passieren würde und es könnte von mir was brauchbares gespendet werden, dürfte mein Mann die Entnahme verweigern obwohl ich den Ausweis habe?
Es ist so, dass der Ehemann als erster in der gesetzlich geregelten Reihenfolge steht bezüglich der Zustimmung zu einer Organentnahme, falls kein Spenderausweis vorliegt. In diesem Fall liegt ein Spenderausweis vor und Ihr Wille ist damit eindeutig dokumentiert. In diesem Fall würde man versuchen einen Konsens zu erreichen, man würde mit dem Ehemann sprechen, dass es dem Willen seiner Frau entsprochen hätte, dass es zu einer Organentnahme kommt, aber man würde in der Praxis keine Organentnahme gegen den Willen des Ehemannes durchführen. Deshalb ist es sinnvoll, mit seinen Angehörigen zu sprechen und sie darum zu bitten, den eigenen Willen zu respektieren auch wenn sich dieser nicht mit den Vorstellungen der Angehörigen deckt. Angehörige sollten ja in allen solchen Frage nicht nach dem eigenen Willen entscheiden, sondern nach dem mutmaßlichen oder in diesem Fall ja auch gut dokumentierten Willen des Patienten.
Deutsche Stiftung Organtransplantation Die Koordinierungsstelle für Organspenden in Deutschland ist die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Sie hat eine
ausführliche Internetseite, auf der alle Fragen zum Thema Organspende verständlich beantwortet werden.
Infotelefon Unter der Nummer 0800-9040400 beantwortet das Infotelefon Organspende der DSO Fragen zu Organspende und Transplantation und nimmt Bestellungen von kostenlosem Informationsmaterial entgegen.
Infoabend Am Dienstag, 21. Januar, veranstaltet das Bamberger Klinikum in Kooperation mit der DSO einen Infoabend zur Organspende. Er beginnt um 19 Uhr im Raum Residenz. Die Vorträge halten die Transplantationsbeauftragten des Klinikums, Arne Lenz und Clemens Haberer, sowie Mitarbeiter der in Frankfurt am Main ansässigen DSO, die in der Bundesrepublik Deutschland für die Koordination und Vergabe von Organspenden zuständig ist.