«Es kann zu Angststörungen kommen, zu Depressionen, Problemen in der Schule, Leistungsabfall», weiß Küpperbusch. «Kinder übernehmen es von ihren Eltern, sich zu verstecken, zu leugnen. Die Spielsucht ist das beherrschende Thema zu Hause, aber draußen darf niemand davon wissen. Das ist ein enormer Druck für die Kinder.» Sie leiden oft still, sind für Hilfen schwer erreichbar.
Glücksspielprobleme erhöhen auch das Risiko für häusliche Gewalt, erläutert Küpperbusch. Die finanzielle Not mache sich für die Kinder bemerkbar - wenn etwa eine Klassenfahrt nicht mehr drin ist. Bis Betroffene Hilfe holten, dauere es oft ein bis fünf Jahre, mit starken Belastungen auch für den Nachwuchs. Werbung für Glücksspiele solle eingeschränkt werden, mahnt Küpperbusch zum Aktionstag gegen Glücksspielsucht an diesem Mittwoch (24. September).
Glücksspielmarkt und Steuereinnahmen wachsen
Bundesweit gelten nach den aktuellsten Daten (2023) fast 1,4 Millionen Menschen zwischen 18 und 70 Jahren als glücksspielsüchtig und weitere 3,5 Millionen Betroffenen zeigen ein riskantes Verhalten, wie Psychologe Tobias Hayer von der Uni Bremen berichtet.
Der Markt wachse. Die Umsätze auf dem legalen Glücksspielmarkt lagen zuletzt mit 63,5 Milliarden Euro auf einem Rekordhoch - daraus resultierten staatliche Steuereinnahmen von 6,6 Milliarden Euro. Die Summe sei mehr als doppelt so hoch wie die Erträge aus alkoholbezogenen Steuern, sagt der Glücksspielforscher.
«Glücksspielsucht kann jeden treffen», stellt Hayer klar. Männer sind häufiger spielsüchtig als Frauen. Als stärker gefährdet gelten Jugendliche und junge Erwachsene, Personen mit niedrigem Einkommen, geringer Bildung, Menschen mit Migrationserfahrung. Und: Kinder aus spielsüchtigen Familien haben ein drei- bis fünffach erhöhtes Risiko, selbst später einmal exzessiv zu «zocken». Das Problem sei unterschätzt, es brauche breite Aufklärung, mehr Mittel für Forschung, Prävention und das Versorgungssystem.
Online-Glücksspiele gelten als besonders gefährlich
«Glücksspiele haben unterschiedlich hohes Suchtpotenzial», unterstreicht der Psychologe. Große Gefahr bestehe, wenn ein Angebot stark verfügbar und zugleich die Spielgeschwindigkeit hoch ist. Vor allem Online-Glücksspiele seien hochriskant: Denn Zocken via Handy ist jederzeit und von überall aus ständig möglich, der Zahlungsverkehr bargeldlos, Hemmschwellen sinken, das anonyme Spielen verläuft ohne jegliche soziale Kontrolle.
Das kennt Familienvater Martin aus Unna: Er war lange dem Online-Kasino verfallen, hat massive Schulden angehäuft. «Ich konnte das vor meiner Frau und meinem Sohn gut vertuschen, weil ich mit immer neuen Krediten die alten Kredite abgelöst habe», erzählt der 45-Jährige. Post vom Gerichtsvollzieher habe er länger abfangen können. «Ich habe uns komplett ruiniert, exzessiv Vertrauen missbraucht und meine Familie mit runtergezogen.»
Mithilfe einer ambulanten Therapie habe er sich aus dem Online-Zocker-Sumpf befreit, schildert Martin. Allerdings: «Spielsucht ist therapierbar, aber nicht heilbar. Ich bin ein trockener Spieler.» Ähnlich sagt Nicole Dreifeld: «Man ist immer nur eine Armlänge vom Rückfall entfernt. Das Suchthirn schläft nie.»