Ein Gymnasiast soll eine Schülerin mit einem Messer getötet haben. Fachleute ordnen ein, ob sich solche Fälle häufen, was Gründe für Gewalt sein könnten - und wer vorbeugend etwas unternehmen kann.
Nach dem tödlichen Messerangriff auf eine Schülerin soll das Amtsgericht Heidelberg heute entscheiden ob der mutmaßliche Täter in Untersuchungshaft kommt. Ein 18 Jahre alter Schüler desselben Gymnasiums in St. Leon-Rot steht unter Verdacht, das gleichaltrige Opfer am Donnerstag mit einem Messer umgebracht zu haben. Stunden später wurde er in Niedersachsen festgenommen.
Gegen den Beschuldigten hatte die Schülerin im November Strafanzeige wegen körperlicher Gewalt gestellt, wie Staatsanwaltschaft und Polizei mitteilten. Die Ermittler gehen von einer Beziehungstat aus, nannten jedoch zunächst keine Details. Auch die Nationalität des Tatverdächtigen teilten sie zunächst nicht mit.
Häufen sich solche Vorfälle?
Es ist nicht der einzige derartige Fall in jüngster Vergangenheit: Im November hatte ein 15-jähriger Deutscher in einer sonderpädagogischen Schule in Offenburg einen gleichaltrigen Mitschüler erschossen.
Dennoch sind solche Ereignisse selten. «Natürlich ist jeder Fall einer zu viel», sagte Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). «Aber wenn man Deutschland mit den USA vergleicht, ist Deutschland absolut friedlich.» Und wenn man die Vorfälle in Offenburg und St. Leon-Rot ins Verhältnis zu Millionen von Schülerinnen und Schülern setze, sei Schule ebenso friedlich. Jugendliche und junge Erwachsene, die solche Taten begehen, seien oft einsam und hätten Probleme.
Die Hemmschwelle, eine Waffe einzusetzen und jemanden zu töten, ist aus seiner Sicht infolge von Computerspielen wie sogenannten Ego-Shootern gesunken. Dabei lerne man, Gegner mit Schusswaffen zu töten. «Solche Spiele sind entwickelt worden, um die Sensibilität von Soldaten im Kriegseinsatz zu senken», erklärte Seifried. «Das passiert auch bei Schülern.» Auch breite Medienberichterstattung könne Menschen animieren, «so einen Irrsinnsweg zu gehen».
Eltern sollten sich nach Seifrieds Worten Zeit nehmen und fragen, wie es ihren Kindern geht. «Auch für 15-, 16-, 17-Jährige.» Viele wüssten nicht, was ihre Kinder am Computer treiben, welche Sorgen sie haben.
Schulleben wichtiger Faktor bei Prävention
Gewalt unter Kindern und Jugendlichen hat nach Einschätzung von Prof. Sibylle Winter nicht zuletzt infolge der Corona-Pandemie zugenommen. Das zeige sich sehr selten in schwerster Gewalt wie den beiden Tötungsdelikten in Baden-Württemberg, sagte die stellvertretende Klinikdirektorin und leitende Oberärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Berliner Charité. «Aber es gibt mehr emotionale Gewalt. Es wird mehr geschrien, mehr beleidigt.» Mobbing beispielsweise nehme zu.