Vom Militär verwaltet
Manuel Andrew hat hohe Erwartungen. Der 48-Jährige arbeitet als Gepäckträger in einem Hotel in der Nähe des künftigen Bahnhofs in Cancún. «Gemeinden, die in Vergessenheit geraten waren, werden nun einen Aufschwung durch den Tourismus erleben, weil der Zug dort halten wird», sagt er. Anwohner würden ihr Handwerk direkt an Touristen verkaufen oder in den Hotels arbeiten können. «Was schlagen die Gegner des Zuges sonst vor, damit die Menschen vorankommen? Wenn sie mit einem anderen Projekt kommen, das Wirtschaftschancen schafft, ohne dem Regenwald zu schaden, mache ich auch mit.»
Die Kosten des vom Militär verwalteten Maya-Zugs haben sich seit Baubeginn auf 500 Milliarden Peso (27 Mrd. Euro) verdreifacht. Auch Europäische Firmen sind am Projekt beteiligt. Eine Tochterfirma der Deutschen Bahn wurde mit Beratungsaufgaben beauftragt. Die Streitkräfte bauen zudem sechs Hotels, eines davon im Biosphärenreservat von Calakmul, wo es archäologische Ruinen gibt. Dort leben einige der letzten Jaguare Mexikos. Gemeinschaftliche Landflächen wurden enteignet oder aufgekauft, das Immobiliengeschäft boomt.
Weltweit habe kein anderes Land ein so großes Bahnprojekt in so kurzer Zeit umgesetzt, sagt Mexikos Präsident López Obrador. In dem Punkt geben ihm seine Kritiker recht: Der Bau sei zu schnell, mit viel Improvisation und ohne die obligatorischen Umweltschutzgutachten durchgeführt worden, sagt Aarón Hernández vom mexikanischen Zentrum für Umweltrecht (CEMDA) in Cancún.
Als es immer mehr Klagen gegen das Projekt gab, habe der linksnationalistische Staatschef den Maya-Zug zur Angelegenheit der nationalen Sicherheit unter Kontrolle des Militärs erklärt, damit es nicht gestoppt werden durfte. Das Projekt habe auch zu Spaltungen innerhalb von Gemeinden geführt. Menschenrechtler kritisieren zudem die Militarisierung der Region.
Neue Grenze zu den Vereinigten Staaten
In Mérida, der Hauptstadt des wirtschaftlich aufstrebenden Bundesstaates Yucatán, herrscht gute Stimmung. Die Stadt, die auf der ersten Route des Zuges liegt, stellt sich auf mehr Touristen ein. Die Straßenpflasterung wird erneuert, Hausfassaden erhalten einen neuen Anstrich und ein gastronomischer Korridor wird errichtet. Der Bundesstaat mit Maya-Gemeinden und Haciendas gilt als der sicherste in Mexiko.
Doch die Entwicklungspläne beschränken sich nicht nur auf den Tourismus. Yucatán will laut Gouverneur Mauricio Vila zu Mexikos «neuer Grenze zu den USA» werden - im wirtschaftlichen Sinne. Ein Hafen am Golf von Mexiko wird für die Ausfuhr von Waren ausgebaut, neue Industrieparks entstehen. Das Schienennetz des Maya-Zugs ist mit einem anderen Projekt der Regierung von López Obrador verbunden - dem industriellen Interozeanischen Korridor zwischen Pazifik und Atlantik.
Der Maya-Zug sei Teil eines Wirtschaftsplans, der auf Kosten der Naturressourcen, der Menschen und ihrer Kultur durchgesetzt werde, sagt Aktivist Rojo in Playa del Carmen. «Manche glauben, wir leben vom Tourismus. Wir leben aber von der Natur, die die Touristen anzieht. Missachten wir die Natur, werden wir weder Tourismus noch Natur und somit auch kein Einkommen haben.»