«Banditen» wollen Geld erpressen
Für die jüngsten Entführungen hat bislang keine Gruppe öffentlich Verantwortung übernommen. In der betroffenen Region sind allerdings vor allem bewaffnete kriminelle Gruppen, örtlich «Banditen» genannt, besonders aktiv. Anders als die islamistischen Gruppen verfolgen diese mit den Entführungen keine politischen Ziele, sondern wollen Geld erpressen. Angehörige der aus der Kirche Entführten haben nach eigenen Angaben Lösegeldforderungen in Höhe von 100 Millionen Naira (etwa 60.000 Euro) erhalten, wie nigerianische Medien berichteten.
Die Entführungen sind ein furchtbarer Alltag in Nigeria geworden. Nach Angaben der Sicherheitsberatungsfirma SBM Intel wurden allein zwischen Juni 2024 und Juni 2025 mindestens 4.722 Menschen in 997 Vorfällen entführt. Mindestens 762 Menschen seien in dem Zusammenhang getötet worden.
Kidnapper hätten in der Zeit Lösegelder von umgerechnet mindestens 1,6 Millionen Euro eingestrichen – und noch weit mehr gefordert. Lösegeldzahlungen sind seit 2022 in Nigeria verboten. Praktisch verscherbeln Familien jedoch alles, was sie haben, um Angehörige wieder freizukaufen. Da die Landeswährung Naira stark abgestürzt ist, verlangen die Entführer immer höhere Summen. Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und Aussichtslosigkeit treiben zugleich immer mehr junge Männer dazu, sich den Banden anzuschließen.
Sicherheitskräfte können die Lage kaum eindämmen
Das Militär ist schlecht bezahlt und auch schlecht ausgerüstet, obwohl Nigeria als eine der größten Volkswirtschaften des Kontinents eine der größten Armeen besitzt. Krisen und Korruption haben die Staatsgewalt tief ausgehöhlt.
Die Einsätze der Sicherheitskräfte zur Suche nach den Entführten blieben nach offiziellen Angaben bislang ergebnislos. Im benachbarten Bundesstaat Zamfara rettete die Polizei am Samstag allerdings 25 Frauen und Kinder – wenige Stunden, nachdem sie aus einem Dorf verschleppt worden waren.
Behörden mehrerer Bundesstaaten im Norden des Landes haben die Schließung aller Schulen oder Räumung von Internaten angeordnet. Die nigerianische Regierung ließ außerdem alle staatlichen Schulen in besonders gefährdeten Regionen schließen. Präsident Bola Tinubu verzichtete auf eine Teilnahme am G20-Gipfel, um sich der Sicherheitslage zu widmen.
«Gefährlichstes Land der Welt für Christen» - aber auch viele muslimische Opfer
US-Präsident Donald Trump hatte kürzlich mit einem Militäreinsatz gedroht, falls Nigeria sich nicht für den Schutz der Christen einsetze. Konflikte und Gewalt verlaufen in dem Land, dessen Einwohner etwa zur Hälfte je Christen und Muslime sind, tatsächlich immer mehr entlang religiöser Trennlinien – diese werden von Experten aber meist nicht als Ursache angesehen. Christliche Gemeinden werfen dem Staat dennoch mangelnden Schutz vor.
Die US-Nichtregierungsorganisation International Christian Concern, die die Verfolgung von Christen weltweit dokumentiert, bezeichnete Nigeria 2022 als das «gefährlichste Land der Welt für Christen». Zugleich werden Muslime ebenfalls Opfer von Terror- oder Banditenangriffen ebenso wie von Racheakten.